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Apr 14 22 tweets 6 min read
Warum ein #GasEmbargo vielleicht doch nicht den Untergang der Welt bedeuten würde. Nicht einmal für Österreich. Warum harten Ansagen Bequemlichkeit zugrunde liegt manchmal. Und Kriegswirtschaft in Österreich. Ein Thread 1/n

Buttersäure kommt auch vor.
Die Fakten: Österreich bezieht 80 Prozent des Gases aus Russland. Das ist gelinde gesagt ein Problem. Das zweite: Wir sitzen mitten im Herzen Europas, was nett klingt, aber auch bedeutet, dass wir keine Küste haben, keine Anlademöglichkeit für Flüssigerdas, LNG (dazu später). 2/
Will heißen: Wir können das Erdgas aus Russland nicht einfach ersetzen. Gas kann man nur entweder über Pipelines transportieren oder über LNG-Schiffe. Letzteres ist sehr aufwändig, da das Gas verflüssigt und dann wieder vergast werden muss. 3/
Für Österreich schaut das jetzt einmal ziemlich bitter aus. Rund zwei Drittel des Erdgasbedarfs von acht Milliarden Kubikmeter pro Jahr gehen in die Industrie. Kein Wunder, dass Oberösterreich hervorsticht. 4/
Aber: Hier kommt Österreich eine Sache zugute, die uns sonst eigentlich irrsinnig unangenehm ist: Österreich ist ein Winzling. Wir verbrauchen gerade einmal zwei Prozent des gesamten europäischen Gases. Jetzt könnte die Tatsache, der Kleinste zu sein, uns vielleicht retten. 5/
Bei einem gemeinsamem EU-Embargo könnte Österreich über andere Länder versorgt werden. Es sind ja zum Glück nicht alle an Russland gefesselt. Italien etwa hat 1. LNG-Terminals und 2. verläuft eine Pipeline von Österreich nach Italien mit dem Knotenpunkt Arnoldstein. 6/
Bisher wird über diese Transitleitung TAG II russisches Gas über die Slowakei und Baumgarten an das Industriedreieck Mailand, Genua, Turn geliefert. 7/
Man könnte die Richtung aber auch ändern. 8/
Exkurs: Ich finde wir sollten längst eine Diskussion darüber führen, wie es zur dieser Abhängigkeit gekommen ist. Die beiden gängigen Antworten, geographische Nähe und Verlässlichkeit des (russischen) Partners greifen schon lange nicht mehr 9/
Spätestens jedenfalls seit der österreichischen Lobbyarbeit für die Pipeline Nord Stream 2 (am Grund der Ostsee) und dem hinlänglich bekannten Gebaren des russischen Regimes schon vor dem 24. Februar (Krim-Annexion, Nawalny, Syrien, tbc). 10/
Aber ist denn genügend Erdgas da, um die rund 100 Milliarden Kubikmeter russischen Gases zu ersetzen, die die EU jährlich importiert? Die kurze Antwort: Nein. 11/
Der Markt für Flüssigerdas ist beschränkt. Der Kreis der Anbieter - USA, Katar, Nigeria - auch. Vielleicht würde die EU 50 Milliarden Kubikmeter Gas zusätzlich kriegen - für einen hohen Preis. 12/
Die längere Antwort fällt - Paukenschlag - weniger drastisch aus: Bis zu einem Drittel des Gases werden im Winter verstromt. Da könnte andere Quellen (ja, vielleicht auch Kohlestrom aus Deutschland) nutzen. Das so freigewordene Erdgas könnte in die Industrie gehen. 13/
Die Industrie würde ihrerseits das vorhandene Gas dorthin leiten, wo es unbedingt notwendig ist (zb. in die Hochöfen) oder in die Chemieindustrie, wo Erdgas als Rohstoff verwendet wird (Hallo Borealis!). Das sage nicht ich, sondern etwa der deutsche Ökonom @MSchularick. 14/
Große Möglichkeiten der Einsparungen bietet die Abwärme. Die Voest in Linz muss ihr ganzes Abwasser herunterkühlen, bevor es in die Donau abgelassen wird. Diese Warmwasser könnte man nutzen, zum Heizen etwa. Ja das ist alles gefinkelt, aber hey, wir leben im Jahr 2022. 15/
Und was passiert eigentlich, sollte Putin den Gashahn abdrehen? Er hat deutlich gemacht, dass er skrupellos ist, seine Interessen durchzusetzen. Und das ganze hier ist ein großes Chicken Game. 16/ puls24.at/video/puls-24/…
Außerdem passte sich die Industrie an. Beim Chemiekonzern Borealis soll die Produktion des Dieselzusatzs Adblue (ein Harnstoff) im März gefährdet gewesen sein, da aufgrund des hohen Gaspreises die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben war. Aus einer Anfragebeantwortung 👇 17/
Und für alle, die den ganzen Thread nur wegen der Buttersäure gelesen haben: Erdgas hat eigentlich einen neutralen Geruch, damit Lecks aber schnell entdeckt werden können, reichert man es mit Buttersäure an. Odorierung nennt man das Ganze. Ein Wort zum Merken und Angeben. 18/
Weiterführende Links: Ein sehr aufschlussreicher Podcast mit dem früheren E-Control-Chef Walter Boltz.
agenda-austria.at/gas-embargo-po…
OMV-CEO Alfred Stern erklärt, warum Österreich sich schicksalshaft an Russland gebunden hat.
falter.at/zeitung/202204… 19/
Die Folgen eines Energieembargos auf Deutschland: econtribute.de/RePEc/ajk/ajkp…
Die Gemeinschaftsprognose der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute: ifo.de/node/69131 20/
Und noch das ganze Interview mit Moritz Schularick. falter.at/zeitung/202203… (ENDE)
Addendum: Das Gasembargo würde Österreich eine Rezession bringen. Aber wohl nicht den Untergang. Fatalismus ist nicht angebracht, sondern Alternativen.

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Mar 9
Alle reden über Erdgas und Öl. Wichtig! Aber schauen wir uns doch die Lage bei den anderen Rohstoffen an, die die Welt aus Russland und der Ukraine bezieht.

Beim ersten werden wir frieren, bei den anderen die Welt möglicherweise hungern.

Ein Thread.
Eigentlich würden um diese Jahreszeit die Containerschiffe den ukrainischen Hafen Odessa verlassen, beladen bis oben hin mit Weizen, Sonnenblumen oder Mais. 2/
Die Schwarzmeerregion macht 30 Prozent des Welthandels mit Weizen, 20 Prozent bei Sonnenblumen, 70 Prozent bei Sonnenblumenöl aus. Dazu kommen Gerste und Mais. 3/

👇(Quelle IFPRI)
Read 16 tweets
Mar 4
Heute hat das Amtsblatt die wichtigste Stelle im Wirtschaftsministerium ausgeschrieben: Die Leitung der Präsidialsektion.

Nur, dass der Posten offenbar schon jemandem versprochen ist.
Dem Kabinettschef von Ministerin #Schramböck

Ein Thread über Österreich. Image
Um was geht es: Dem Leiter der Präsidialsektion unterstehen die Felder Budget, Personal und Öffentlichkeitsarbeit. Er (oder sie) ist der mächtigste Beamte im Ministerium, eine Mini-Generalsekretär, wenn auch ohne Weisungsrecht. 2/
Weil der derzeitige Leiter Matthias Tschirf in den Ruhestand geht, muss ein Nachfolger gesucht werden. Wie aus gut informierten Kreisen zu hören ist, hat man den schon gefunden: Michael Esterl. 3/
Read 14 tweets
Mar 2
Dieser eine Chat von #Thomasschmid ist eine Offenbarung. Und dieses Mal geht es nicht um die ÖVP, sondern um Russland.

Ein Thread. Image
Am 17. Juni 2016 schreibt Thomas Schmid diese Nachricht an den damaligen Finanzminister Schelling. Der will nämlich nach St. Petersburg. Und dort Leute treffen. 2/
Auf dem Terminplan stehen Regierungsvertreter, der Chef der staatlichen Sberbank Herman Gref und Alexej Miller, Chef der Gazprom. Einige der Männer wird er später wiedersehen. 3/
Read 14 tweets
Feb 21
Wir werden in den kommenden Tagen viel zu #Swift hören. Dem internationalen Zahlungssystem. Und der Drohung, Russland davon auszuschließen.

Um was es da geht. 👇
Ein Schnapserl kommt auch vor.
Thread
Swift steht für Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication. Es ist eine Genossenschaft von mehr als 2000 Banken und Finanzinstituten mit Sitz in Belgien. Non-Profit. 1/
Swift bietet im Grund ein Netzwerk für sie, um Nachrichten auszutauschen. Es ist ein bisschen das Whatsapp der Branche, nur mit Zahlungsinformationen. Der normale Konsument kennt sie vom BIC-Code auf der Bankomatkarte bei Auslandsüberweisungen. 2/
Read 24 tweets
Feb 17
Jetzt reden alle von der OSZE.
OSZE !!!??? Was war das nochmal?
20 Fakten, die Euch bei der Ukraine/Russland-Krise weiterhelfen.

Warum Österreich etwas richtig gemacht hat.
Und nackte Männer sind auch dabei. 🧵
Wer öfters über den Heldenplatz geht, der kennt die bunten Fahnenstangen im Festsaaltrakt der Hofburg. Hier sitzt nicht Alexander Van der Bellen. Sondern die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die OSZE. 1/
Achtung, das ist nicht die OECD, die machen was anderes. Das ist das mit Bretton Woods, eine andere Geschichte. 2/
Read 22 tweets
Jan 17
Österreich exportiert pro Jahr 1,5 Tonnen Rindersperma in die Welt.

In diesem Thread erzähle ich Euch, warum das eine richtig gute Sache ist. Und ein bisschen McDonalds kommt auch vor.
Eine Milchkuh wird in ihrem Leben drei bis viermal trächtig. Einen Stier sieht sie dafür praktisch nie. Der „Natursprung“, also die natürliche Zeugung des Kalbes, hat längst ausgedient. Mehr als 90 Prozent der Kühe (auch bio) werden künstlich befruchtet. 2/
Der Bauer hat nur wenige Stunden Zeit, in der „Hauptbrunft“ die Kuh zu besamen. Und sie muss schnell trächtig werden. Weitere Parameter einer guten Kuh: Wenn sie viele Milchzyklen durchhält, ob sie keine toten Kälber wirft, wie gesund ihr Euter bei der Dauerbelastung bleibt. 3/
Read 23 tweets

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