Thread by @Obiaushv

Heute ist der EU #Protesttag von Menschen für #Behinderungen.

Mein Thema heute ist #Ableismus und das an praktischen Beispielen, welche mir innerhalb eines Jahres passiert sind. Macht es euch bequem - der Text wird lang:

Beispiel 1:
Mit meiner Freundin befand ich mich

in einer Behörde. Eigentlich ging es dabei nur um mich, doch statt mit mir zu reden wollte man mich gleich links liegen lassen und sprach mit meiner Freundin. Mein "Entschuldigen Sie" interessierte die Dame herzlich wenig. Erst als meine Freundin sagte: "Mein Verlobter spricht

für sich selbst" sah mich die Frau das erste Mal in die Augen und fing an zu reden...

BSP 2: Wir beantragten Verhinderungspflege für mich. Die zuständige Mitarbeiterin rief meine Mutter an... (Obwohl sie das hätte nicht machen dürfen, aber das ist bei der AOK sowieso so eine

Sache für sich. Meine Mutter hatte eine Vollmacht und wurde von der AOK als Betreuerin geführt, was dazu führte das ich keine Auskünfte mehr bekam. Meine Anwältin klärte dies, jedoch gingen die Briefe noch sehr lange an meine Mutter. Die Vollmacht war jedoch nur eine Vorsorge-

Vollmacht, welche erst eine Gültigkeit gehabt hätte, wenn ich nicht in der Lage gewesen wäre meine Angelegenheit selbst zuregeln.*)

BSP 3: Meine Hausärztin hält es nicht für nötig mit mir zu reden und ja das ist kein Witz. Sie redet nur mit meiner Freundin. Leider sind

Ärzte hier keine sehr häufige Zunft.

BSP 4: Eine Zeitung wollte mich als festen Redakteur anstellen, doch nur unter der Prämisse "der Behinderte schreibt nur über Behinderte"....

BSP 5: In einem Möbelgeschäft wollte man mich wohl nicht beraten, erst als meine Freundin von

der Toilette widerkam, wollte der Berater zu uns kommen. Wir sind dann anschließend gegangen und er rief "beleidigte Wurst" hinterher...

BSP 6: Ich fragte bei einer Polizeidienststelle nach Informationen und legte meinen Presseausweis vor. Man glaubte mir

nicht, dass ich im Rollstuhl Journalist sein könne...

BSP 7: In einem Geschäft redete ein Kind mit mir und fragte "Warum sitzt du?". Ich erklärte dem Kind, dass ich mein Bein nicht nutzen kann und daher eben nicht laufen könne. Die Mutter zog das Kind plötzlich weg und sagte

halt dich fern von den Bekloppten...

BSP 8: Meine Freundin und ich nutzten einen freien Tag und liefen ein wenig durch die Gegend. Sie schob mich dabei und uns kam eine Mutter mit Kindern entgegen und schrie uns an, dass der Rollstuhl hier nicht sein dürfe und das es überhaupt

eine Frechheit sei, wie ich rumlaufen würde...
Auf Grund meiner Erkrankung ist mein Bein und mein Arm oft frei, also ohne Stoff bedeckt. Die Frau hat sich wohl darüber aufgeregt...

BSP 9: In einem Supermarkt sprach mich eine Person an und redete mit mir, wie manche mit

einem Baby. Als ich fragte ob mit ihm alles ok sei und ob er denn immer mit Fremden so redete, ging er plötzlich seiner Wege.

BSP 10: Ein Amt hier in Bayern müsste eigentlich mich anschreiben, doch im Brieffenster steht immer: Frau J. für Herr S. Trotzt mehrfacher Hinweise

hält man mich wohl für nicht geschäftsfähig oder was auch immer. 🙄

BSP 11: Bei einem Arzt wollte die Mitarbeiterin wissen wie es mir denn gehen würde, doch sie fragte nicht mich sondern meine Freundin...

BSP 12: In einem Krankenhaus wollte sich der Arzt erstmal mit meiner

Freundin unterhalten. An dem Tag ist mir dann etwas die Hutschnur geplatzt und ich machte dem Arzt darauf aufmerksam, dass er sich mit ihr nicht unterhalten darf und fragte ob er etwas gegen Behinderte Menschen habe! In der Klinik waren schon zuvor einige MA nicht in der Lage

oder des Willens mit mir zu reden.

BSP 13: In einem Baumarkt wollte man mich nicht beraten, denn ich könne mit dem Werkzeug ja gar nicht umgehen.

Nur mal so: Trotz meiner Behinderung kann ich sehr wohl mit einer Kreissäge umgehen, selbst etwas löten funktioniert sehr gut...

Nur eine Lampe bekomme ich wohl nicht mehr an die Decke. Es ist sowieso so interessant, wie oft mein Wissen im Zweifel gezogen wurde... Ich komme aus der IT und habe gelernt Verkabelungen zu legen...

BSP 14: Dem Vater von meiner Freundin erklärte ich, wie er eine Lampe

anschließen könne. Er glaubte mir nicht und fragte bei einem befreundeten Elektromeister nach, welcher genau gleich geantwortet hatte. 🙄

BSP 15: Eine Redaktion, bei welcher ich mich bewarb, traute mir nicht zu den Job machen zu können. Im Rollstuhl könne man ja nur schlecht

arbeiten. Es wäre hauptsächlich eine Arbeit in der Redaktion gewesen und eventuell mal eine Befragung in der Fußgängerzone...

BSP 16: Eine Behörde glaubt nicht, dass ich a) verlobt bin und b) mit dieser Frau zusammen wohne, weil ich seie ja nur eine Pflegefall. Mit so jemanden

würde ja niemand zusammen wohnen...

Zusätzlich könnte ich noch Fälle von "streicheln", absprechen von Qualifikationen, ableistische Gebäudestrukturen, ableistisches Gesundheitswesen und und und anführen, doch dann könnte ich konkret ein Buch füllen.

Ableismus wird oft

von Disablismus begleitet. Die Grenzen sind dabei nicht wirklich scharf.

Geht man nach Ron Amundson, Professor für Philosophie, und Gayle Taira, dann sei Ableismus "eine Lehre, die fälschlicherweise Beeinträchtigungen als inhärent und selbstverständlich schrecklich behandelt

und die die Einschränkungen selbst für die aufgetretenen Probleme der Menschen, die sie haben, verantwortlich macht."

Fiona A. Kumari Campbell, Senior Lecturer in Disability Studies an der Griffith University, sieht Ableismus eher als "ein Netzwerk von Überzeugungen, Prozessen

und Praktiken, das eine besondere Art von Selbst und Körper (physischer Standard) erzeugt und als perfekt, arttypisch und daher wesentlich und ausschließlich menschlich projiziert. Behinderung ist dann ein minderwertiger Zustand des Menschseins."

Laut Campbell fördere

Disablismus eine Ungleichbehandlung von behinderten Menschen gegenüber nichtbehinderten Menschen.

*Vollmacht wurde bereits 2020 aufgehoben (lange vor Antrag)

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Quellen
Ron Amundson, Gayle Taira: "Our Lives and Ideologies: The Effects of Life Experience on the Perceived Morality of the Policy of Physician-Assisted Suicide". - Journal of Policy Studies. 16, Nr. 1, 2005

Fiona A. Kumari Campbell:
"Inciting Legal Fictions: Disability Date with Ontology and the Ableist Body of the Law." - Griffith Law Review. 10, Nr. 1, 2001

"Contours of Ableism: The Production of Disability and Abledness." - Palgrave Macmillan, 2009

"Refusing Able(ness): A Preliminary Conversation about Ableism." - M/C Journal. 11, Nr. 3, 2008

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