Fußball-WM und Menschenrechtsverletzungen: nicht erst mit #Katar22 ein Thema.
Heute würde Elisabeth Käsemann 75 Jahre alt werden. 1977, vor der WM in Argentinien, wurde die Deutsche von der Militärdiktatur verschleppt, gefoltert und ermordet. Bundesregierung und #DFB schwiegen.
Käsemann wurde #OnThisDay 1947 in Gelsenkirchen geboren. Sie studierte Soziologie und Politikwissenschaft in Berlin und ging 1968 für ein Praxissemester nach Bolivien. Anschließend reiste sie durch Südamerika und beschloss, soziale Arbeit in Argentinien zu leisten.
Argentinien war damals politisch instabil, das Militär putschte im März 1976 und installierte eine Militärdiktatur. Sozial engagierte und linkspolitisch eingestellte Menschen waren der Junta verdächtig. Gewerkschafter:innen und Arbeiter:innen gerieten ins Visier.
Massen-Entführungen und Ermordungen waren die Folge. 30.000 Menschen starben während der argentinischen Militärdiktatur.
Elisabeth Käsemann wurde am 8. März 1977 in ein Folterzentrum verschleppt. Zwei Tage später wurde auch ihre britische Freundin Diana Austin entführt. Im Folterzentrum konnte sie Käsemann schreien hören: Sie erkannte ihre Freundin am deutschen Akzent.
Austin hatte Glück: Ihre Regierung setzte sich für sie ein, sie kam nach wenigen Tagen frei. Zurück in Freiheit alarmierte sie Elisabeth Käsemanns Familie, die sich hilfesuchend an die Bundesregierung wandte. Doch dort blieb man tatenlos.
Aus Sorge um Handelsbeziehungen zu Argentinien. Dorthin lieferte Deutschland ausgerechnet: Waffen. Auch die Gelegenheit zum Freikauf von Käsemann ließ der deutsche Botschafter in Argentinien, Jörg Kastl, verstreichen.
Elisabeth Käsemann wurde am 24. Mai 1977 nach zweieinhalb Monaten Gefangenschaft und Folter durch Schüsse in Rücken und Genick ermordet. Kaum zwei Wochen später reiste die deutsche Nationalmannschaft zum Freundschaftsspiel nach Argentinien.
DFB-Präsident Hermann Neuberger war über Käsemanns Schicksal informiert. Neuberger pflegte ein enges Verhältnis in die argentinische Politik. Diktator Jorge Videla bezeichnete er nicht als solchen, fabulierte lieber lobend von dessen "Durchgreifen".
Laut Eric Fiedler hätte aufgrund dieser Beziehungen eine Drohung Neubergers im Vorfeld, das Spiel zu boykottieren, vielleicht schon gereicht um Käsemanns Leben zu retten. Doch Neuberger schwieg.
Am 3. Juni 1977 gab Botschafter Jörg Kastl einen Empfang für die Nationalelf und informierte Neuberger über den Tod von Käsemann. Neuberger schwieg weiter und hielt auch die Spieler der Nationalelf im Unwissen. Deutschland gewann das Freundschaftsspiel gegen Argentinien 3:1.
Die Nationalelf kehrte 1978 zur Fussball-WM zurück nach Argentinien. Deutschland fieberte am Fernsehbildschirm mit und schmetterte "Buenos Dias Argentina", das Udo Jürgens mit der Nationalelf aufgenommen hatte.
Argentinien wurde Weltmeister. Und während der argentinische Diktator Jorge Videla im Stadion jubelte, wurde wenige Hundert Meter weiter gefoltert und gemordet.
Ich habe vergangenes Jahr über das Leben von Elisabeth Käsemann, das Versagen der Bundesregierung und das Wegschauen des DFB im Podcast gesprochen: herstorypod.de/2021/08/16/eli…
Bild: CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
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