Heute findet ein - auch für mich - wichtiges Verfahren vor dem #BVerwG in Leipzig statt.
bverwg.de/suche?lim=10&s…
Es geht um #Sexismus, #Queerphobie und Ehrlichkeit.

Ein (sehr langer) Thread:

@svenlehmann @EvaHoegl @MAStrackZi @DrJessicaRitter @gebauerspon @ulfposh @lsvd
Heute wird vor dem #BVerwG in Leipzig die Klage einer #Soldat|in gegen eine Disziplinarmaßnahme verhandelt. Sie hat 2019 ein #Tinder-Profil besessen. Sie lebt in einer offenen Beziehung. Sie war damals Kommandeurin. Die #Soldatin heißt @AnaBiefang.
Eine offene Beziehung braucht - meiner Meinung nach - noch mehr Vertrauen und baut auf Liebe auf. Dazu gehört aber eben auch, dass die Partner:innen mit anderen Menschen Sex haben.
Zu dem Sachverhalt gibt es einige interessante Aspekte:
1. Was wird der #Soldatin vorgeworfen?
Sie soll mit ihrem Tinderprofil (dort beschreibt sie, dass sie in einer offenen Beziehung ist und Sexualkontakte sucht) das Ansehen der #Bundeswehr beschädigt haben.
Das Truppendienstgericht, das zunächst darüber verhandelt hatte, schreibt von der „promiskuitiven Lebensart“, dass es ihr an „moralischer Integrität“ fehle und dass die Soldatin damit den Eindruck erwecken, dass sie sich und ihre Partner:innen zu „reinen Sexobjekten reduziere“.
Die Ausdrucksweise des Gerichts lässt wenig Zweifel an den Moralvorstellungen der Richter. Wer sich mit dem Thema „offene Beziehung“ beschäftigt, sieht mehr als „Sexobjekte“ & fehlende Moral. Monogamie ist nichts natürliches. Es ist ein menschliches - westliches - Lebenskonzept.
Hat die @BMVg_Bundeswehr ein Recht das Privatleben von uns vorzuschreiben? Wen wir als Partner:in haben - oder wie viele? Wie wir unsere Liebe verstehen & wie wir unser Leben gestalten möchten, geht die Bundeswehr nichts an. Es betrifft den Dienst nicht. Es ist unser Privatleben.
2. Ja, aber das muss doch nicht so öffentlich sein!
Dazu zwei Beispiele: a) ein uns vllt sogar bekannter General, bei dem es ein offenes Geheimnis war, dass die Vorzimmerdame mit in die nächste Verwendung umzieht. Affären sind - auch in der Bundeswehr - nichts seltenes.
Für mich ist eine Affäre ein Vertrauensbruch und zeugt von schlechter Moral bzw. persönlicher Schwäche. Zudem bietet sie Angriffsfläche für fremde Nachrichtendienste und Erpressung. Welche Werte soll mir ein Vorgesetzter vermitteln, der betrügt? Authentisch zu führen?
Die Soldatin hat dies nicht getan. Sie hat mit ihrer Frau eine offene Beziehung. Sie verletzt niemanden, hintergeht niemanden, betrügt niemanden.
2. Bsp: Ja, aber muss man denn da öffentlich drüber reden?
Mein Lieblingsargument! Vor einigen Jahren auch gern zum Thema Homosexualität angewendet. 2017 sagte ein StOffz zu mir „Herr Bäring, wir wissen doch, dass sie homosexuell sind, also reden sie da bitte nicht drüber!“
Ich beschäftige mich schon einige Jahre mit Vielfalt und darf mir bei jedem kleinen oder großen Skandal die Antwort aus dem Ministerium anhören: Wir schätzen Vielfalt. Vielfalt macht uns stärker. Wir akzeptieren Menschen wie sie sind.
Nein,das tut ihr leider nicht @BMVg_Bundeswehr. Ihr akzeptiert jede:n, der ins heteronormatives Bild passt. Egal ob's nun um das 3. Geschlecht geht (seit mittlerweile 4 Jahren wird Personen mit dem Geschlechtseintrag „divers“ nicht zugestanden, diesen in der Bundeswehr zu führen)
oder ein anderes Lebensmodell wie eine offene Beziehung. Augen zu und durch. Dann passt das schon. Seid leise und freut euch, dass ihr mitspielen dürft - aber wehe ihr redet drüber.
.@AnaBiefang dient der Bundeswehr. Seit 1994 als #Soldatin (etwas länger als ich lebe) und seit der Transition als Role Model. Die Bundeswehr hat dies aktiv genutzt, freute sich über positive Presse. Man hat diesen Fall seitens meines Arbeitgebers ausgepresst, wo man nur konnte.
Wenn es Probleme gab - egal ob im Einzelfall oder systematisch - war es still. Auch wir als Aktivist:innen haben monatelanges Schweigen und wegducken erlebt. Wenn Anastasia öffentlich angefeindet wurde, gab es keinen Rückenhalt.
Selbst im Verteidigungsausschuss des Bundestages darf man sich von der braunen Seite des Parlaments regelmäßig Diffamierungen anhören. Da wird es unbequem. Und - und das ist mein persönliches Resümee - dann wird man Fallen gelassen.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir akzeptieren andere Lebensentwürfe. Dann muss man auch darüber reden können. Sonst ist das „Don’t ask - Don’t tell“.
Oder die Bundeswehr gibt zu, dass sie nicht offen für Queers ist. Das sie offen für die Leute ist, die sich ihr unterwerfen - auch privat. Das wäre ein Armutszeugnis für unsere Streitkräfte.
Aber warum reibt man sich dann so an diesem Thema auf?
Es geht um zwei Aspekte:
Die SoldatIN ist weiblich. Bei einem Mann bedeuten mehrere Geschlechtspartner:innen stärke und Dominanz. Bei Frauen ist es halt „Promiskuitivität“ und“fehlende Moral“.
Es stört sich niemand an fremdgehenden Generälen, denn "das macht man doch so". Wir sind es gewohnt. Doch plötzlich ist es eine Frau. Die, die doch eigentlich sich unterordnen soll, ist selbstbewusst und selbstbestimmt.
Ja… und dann ist es eben auch noch die „Transe, die ihre Fresse in jede Kamera hält“. (Zitat eines Oberst vorm Kopierer zu einer Gruppe von Angestellten).
Da sind wir bei dem Thema „Die dürfen doch heiraten. Was wollen die denn noch alles?“ Es geht um #Queerphobie.
Darum, dass man einer marginalisierten Gruppe keine Rechte zugestehen möchte. Es gibt um #Macht. Die eigene Macht über andere, über vermeintlich Schwächere, über #Frauen, über #Queers. „Die Welt, die ich lebe, ist die Richtige.“
Vor einigen Jahren kam jemand zu mir uns sagte, dass er ein Grundprinzip hätte: „Gestehe jede:m so alle Freiheit ein, solange nicht die Freiheit einer anderen Person eingeschränkt wird“
Das habe ich mir zu Herzen genommen und das sollten wir alle.
Welche #Freiheit wird von jemanden eingeschränkt, wenn auf einem (geschlossenen) Dating-Portal eine Person angibt, auf der Suche nach Sex zu sein? Niemanden?
Ich habe Ana als wahnsinnig motivierte Person kennengelernt. Ich kenne keine:n Kamerad:in (die mit ihr gearbeitet hat), die von der Kompetenz, der Leistung und der Qualität nicht vollkommen überzeugt ist. Daran sollen wir die Leute messen. Nicht daran mit wem jemand schläft.
Warum trifft mich dieses Thema so?
Ich wollte Berufssoldat werden. Ich liebe die Bundeswehr und meinen Dienst. Aber: Auch ich hatte schon eine offene Beziehung. Und ich weiß nicht, welches Lebensmodell ich in 10 Jahren anstrebe. Das Urteil heute hat Signalwirkung.
Es kann ein Tor zu neuer Queerphobie öffnen. Es wird ein Tor zu neuer Queerphobie öffnen.
Ich möchte nicht irgendwann vor der Entscheidung zwischen Privatleben und Dienst stehen. Sollte das BVerwG heute die Meinung teilen, dass ein ehrlicher Umgang mit einer offenen Beziehung
das Ansehen der Bundeswehr verletzt, kann ich nicht guten Gewissens Berufssoldat werden. Und ich will es dann auch nicht mehr.
Das nüchterne Resümee nach 9 Jahren Dienst und mehr als 3 Jahren Aktivismus: Die Bundeswehr will mich nicht wie ich bin.
Und ich werde mich nie wieder verstellen um jemanden zu gefallen. Ich werde den Schleier nicht wieder vor mein Privatleben hüllen, damit sich alte weiße Männer nicht angegriffen fühlen. Akzeptiert mich, wie ich bin!
Was kann die Politik tun?
@SiemtjeMdB @MAStrackZi @arlt_johannes @agnieszka_mdb @MarcusFaber @Kerstin_4egge @SaraNanni @HellmichMdB

Es ist gut und richtig, dass Gerichte unabhängig sind. Ihr könnt & sollt nicht in das Verfahren eingreifen. Aber es braucht Unterstützung.
@SiemtjeMdB @MAStrackZi @arlt_johannes @agnieszka_mdb @MarcusFaber @Kerstin_4egge @SaraNanni @HellmichMdB Es geht um Wertschätzung. Ihr könnt vorsorgen. Ihr könnt heute auf morgen einwirken, dass dies das letzte Disziplinarverfahren wegen einer offenen Ehe ist. Dazu habt ihr die Macht - und die Verantwortung. Nutzt das! Setzt euch für eine „Bundeswehr für alle“ ein.
@SiemtjeMdB @MAStrackZi @arlt_johannes @agnieszka_mdb @MarcusFaber @Kerstin_4egge @SaraNanni @HellmichMdB Beendet den Spießrutenlauf und das Versteckspiel. Das könnt ihr tun!
Ihr verliert jeden Tag talentierte und engagierte Menschen.
Der Spiegel der Gesellschaft hat leider wieder eine Beule mehr!

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