Vor zwei Tagen wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig über die Küstenautobahn #A20 verhandelt. Es gab ein grundsätzliches Problem mit dieser Verhandlung: An keiner Stelle wurde die Autobahn grundlegend in Frage gestellt. Trotz Klimaschutzgesetz. Ein Thread. ⬇️ #KeineA20
Noch vor Beginn der Hauptverhandlung rügte der @bund_net, dass die Aufgabe des Gerichts nicht allein darin bestehen könne die in der Klage bemängelten Punkte zu *verbessern*, sondern, dass es auch darum gehen müsse, die Autobahn grundlegend in Frage zu stellen.
Daraufhin offenbarte das Gericht, dass es nicht in seinem Möglichkeitsbereich liege, die Autobahn zu stoppen. Es sei für die Kläger überhaupt schon ein Erfolg, "dass beispielsweise im Wasserrecht nachgebessert werden würde".
Das Gericht habe die Aufgabe zu vertreten, was im Gesetz, in diesem Fall im Bundesverkehrswegeplan, stehe. Richterin Bick selbst hatte höchstpersönlich im Verkehrsministerium angerufen, um sich zu erkundigen, wann denn nun endlich der Koalitionsvertrag, in dem die Überarbeitung..
des Bundesverkehrswegeplans als Ziel aufgelistet wurde, umgesetzt werden würde. Die Antwort des Ministeriums: Diese Arbeitsgruppe gibt es noch nicht. Die Richterin: "Das habe ich mir auch anders vorgestellt". Aber da könne man nichts machen.
(Weitere Zitate dazu: "Es ist eine verkehrspolitische Leitentscheidung, die wir nicht zu überprüfen haben". "Das fassen wir nicht an".)
Autobahnprojekte können mit dieser Argumentation folglich niemals vom Bundesverwaltungsgericht verhindert werden - Aufgabe des Gerichts ist es nur, zu gucken, wo Recht bei der Planung der Autobahn gebrochen wurde und "nachzubessern".
Das Gegenargument der A20 Gegner, bei überwiegendem öffentlichen Interesse müsse ein Verkehrsprojekt grundsätzlich in Frage gestellt werden, wurde vom Gericht ignoriert.
Generell bekam man das Gefühl, dass das Gericht alleinig aus Sicht der A20-Befürworter argumentierte.
Die wirklich einzige Ausnahme war, als der beisitzende Richter bei der Diskussion um die Ausgleichsflächen für die für die A20 zu rodenden Flächen fragte: "Kann ich überhaupt von einer Besserung der Fläche sprechen, wenn sie erst in 20 bis 30 Jahren eintritt?"
Das Gericht warf dann sogar die Frage auf, ob an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten werden könne, die diese Form von Ausgleichsmaßnahmen für Flächenversiegelung durch neue Autobahnen vorsieht. "Aber dann haben wir den totalen Stillstand", gab Richterin Bick zu bedenken.
Hier offenbarte das Gericht eine weitere grundlegende Denkweise, die dazu führen wird, dass die A20 genauso wenig wie die A49, A14 und all die anderen Autobahnen gestoppt werden wird. Bei der A14 war das Argument "Anbindung". Bei der A49 ein "Kommafehler" in der Klage.
Meine Einschätzung: Die A20 wird nicht gestoppt werden, weil das Gericht Autobahnen immer noch als "Fortschritt" ansieht. Außerdem wird es argumentieren, dass angefangene Projekte zu Ende gebracht werden müssen (was totaler Quatsch bei der A20 ist, weil es sich ..
.. rechtlich um eine komplett neue Autobahn handelt). Es wird argumentieren, dass wir die Autobahn aus "wirtschaftlichen Gründen" brauchen.
Klimaschutz wird dabei genau gar nicht beachtet. Warum nicht? Weil das Klimaschutzgesetz "zu vage" für eine Anwendung sei.
Wir merken: Das Gericht versteckt sich hinter vorgeschobenen Gründen, und legitimiert damit die Autobahn. Es ist klar, dass es sich nicht traut grundsätzlich Autobahnen in Frage zu stellen. Denn Autobahn = Wohlstand, Anbindung, Forschritt.
Dabei haben Regionen wie Wales bereits länger ein Autobahnneubauverbot - aus Klimagründen. Und denen geht's gut. Deutschland hinkt also nicht nur politisch hinter her - auch in der Justiz sind die wesentlichen Fakten zur Klimakrise noch nicht angekommen. bbc.com/news/uk-wales-…
Okay, der Thread wurde länger als gedacht - danke, wenn ihr es bis hier hin geschafft habt! Mehr Details zur A20-Verhandlung findet ihr in meinem Bericht auf @klimareport. klimareporter.de/verkehr/negati…
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Egal wie sinnvoll es sein mag, es wird in Deutschland kein #Tempolimit geben. Die Begründung dafür hat schon lange nichts mehr mit Rationalität zu tun. Es geht um Macht, Machismus und Identitätspolitik. Ein kurzer frustrierter Thread:
1. Es geht um Macht. Das Tempolimit ist längst zum Politikum geworden. Wenn @c_lindner jetzt dem Tempolimit zustimmen würde, würde er politische Schwäche zeigen. Er hat Angst, dass es zeigen würde, dass die Grünen und SPD Macht über ihn haben.
2. Es geht um Machismus. Wären CL und @Wissing wie #AnneSpiegel wären sie längst unter dem gesellschaftlichen Druck, & den mindestens 57 % der Deutschen, die ein Tempolimit fordern, eingenickt. Aber sie folgen einem toxischen Politik-Typ, lassen Kritik & Druck von sich abprallen.
Heute war der fünfte Prozesstag vom Berufungsverfahren #FreeElla. Entscheidende Zeugenaussagen der beiden SEK-Beamten, auf deren Aussagen Ellas Veurteilung beruhte, konnten als falsch identifiziert werden. Und trotzdem wird es für sie keine Konsequenzen geben. 1/
In erster Instanz wurde Ella im Juni 2021 wegen vermeintlicher "Tritte" und "Schläge" gegen zwei SEK-Beamte verurteilt. Sie behaupteten, in Lebensgefahr gewesen zu sein. Aber nach Veröffentlichung der Doku "Ella" im Oktober 2021 waren diese Vorwürfe nicht mehr haltbar. 2/
Das wussten auch die Kläger. Also hat heute einer der beiden SEK-Beamten, von dem auf den Beweisvideos in der Doku klar zu sehen ist, dass er weder getroffen noch ungesichert war, zugegeben, dass er sich wohl geirrt haben muss. 3/
Heute hat der Berufungsprozess von der Klimaaktivistin Ella begonnen. Insgesamt gibt es acht Prozesstage. Wird Ella endlich freigelassen? Ein kurzer Bericht: #FreeElla 1/
Ella sitzt seit ihrer Verhaftung vor über einem Jahr in Untersuchungshaft. Am 23.06.2021 wurde sie wegen tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen insgesamt zu einer Haftstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten (!) verurteilt. 2/
Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung von Ella entschieden sich nach diesem Urteil in Berufung zu gehen. Die Verteidigung fordert die sofortige Freilassung von Ella. Aber no kidding: Die Staatsanwaltschaft fordert drei zusätzliche Monate Haft für Ella. 3/