Thread by @pavel23

Sehr tragisch, das Zugunglück heute, aber Züge sind dennoch eines der sichersten Verkehrsmittel. An Fakten wurde bekannt, dass die Lokomotive hinten fuhr, der Fahrer von vorn steuerte und wohl kein anderer Zug oder anderes Fahrzeug beteiligt war. #Garmisch #zugunglueck

Als wahrscheinliche Ursache wird ein Defekt am Fahrweg oder am Zug vermutet; also entweder
a) waren die Schienen lose oder verbogen (Gleisverwerfung)
b) lag etwas auf den Schienen
c) ein Rad oder eine Achse haben nachgegeben

Der technische Defekt kann bewirkt worden sein durch:
a) ein Naturereignis (Erdrutsch, Baum, Geröll, Sinkhole)
b) Materialermüdung
c) Herstellungs- oder Wartungsfehler
d) Sabotage
Ausgeschlossen ist bisher auch nicht überhöhte Geschwindigkeit, gilt aber nicht als wahrscheinlich.

Eine weitere Möglichkeit wäre Fehlbedienung, also zu starkes Bremsen oder Beschleunigen an ungünstiger Stelle, vielleicht in Verbindung mit ungünstiger Lastverteilung, was auch zum "Aufklettern" der Räder und Entgleisen führen kann, wenn die Technik nicht völlig intakt ist.

Nach meiner Wahrnehmung halten sich Presse und Politik mit Spekulationen zurück, aber wie lange hält das an? Und hier auf Twitter gibt es ja bereits einen Vorgeschmack, wohin die Debatte laufen könnte. Weil ich mich aber nicht verrückt machen lassen will, spekuliere ich selbst.

Bei den meisten Eisenbahnunglücken in Deutschland, den letzten fünf oder so, war entweder ein anderer Zug auf dem Gleis oder ein Bus oder LKW auf einem Bahnübergang beteiligt; dass ein Zug ohne Kollision entgleist, kommt aber auch vor, in der EU rund 100 mal im Jahr.

Im Schnitt entgleisen also in Europa 2 Züge pro Woche, aber meist kommt niemand dabei zu Schaden. Zehn mal häufiger wird jemand von einem Zug überfahren, und fünf mal häufiger kommt es zu Kollisionen an Bahnübergängen.

Schaut man etwas genauer hin, etwa in diese Liste, de.wikipedia.org/wiki/Liste_von…, entgleiste wohl zuletzt am 28. April 2018 ein Zug in Deutschland, genauer gesagt in München-Riem. Grund waren zurückgelassene Hemmschuhe nach Wartungsarbeiten. google.com/search?q=Hemms…

Am 23. Juni 2017 überfuhr in Gießen ein Zug eine Gleissperre, die eine Vorrichtung ist, um Züge aus Sicherheitsgründen zum Entgleisen zu bringen. de.wikipedia.org/wiki/Gleissper…

Sollten Hemmschuhe oder Gleissperren die Ursache sein, dürfte sich das eigentlich eher leicht nachweisen lassen, aber im Fall München-Riem dauerte es fast ein Jahr, bis die Ursache bekannt gegeben wurde. Es gibt allerdings bisher auch Null Anhaltspunkte für etwas auf den Gleisen.

Ansonsten sind in den letzten Jahrzehnten bei uns vielleicht fünf mal Züge entgleist, weil Steine auf den Schienen lagen, die meist draufgefallen oder gerollt sind, aber in einem Fall auch auf die Schienen gelegt wurden. In mindestens einem Fall wurden Schienen gelockert.

Deutlich häufiger entgleisen Züge aufgrund zu hoher Geschwindigkeit beim Überfahren von Weichen oder aufgrund von Gleisverwerfungen durch extreme Hitze. Beides scheint hier allerdings nicht der Fall zu sein.

Gelegentlich entgleisen Züge, weil ein Rad oder eine Achse sich löst, etwa beim Unglück von Eschede, vor ausgerechnet auf den Tag genau 24 Jahren, was natürlich auch Spekulationen nährt, dass das Unglück kein Zufall ist.

Nach einem Terroranschlag sieht es aber definitiv nicht aus. Eine andere Variante wäre noch ein Erpressungsversuch, entweder gegen die Bahn oder gegen die Bundesregierung. In beiden Fällen wüssten dann aber mindestens Sicherheitsbehörden Bescheid.

Natürlich kann man sich auch fragen, ob ein Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg oder dem G8, sorry, G7-Gipfel besteht, aber Anschläge auf Züge sind schwierig und schlecht planbar und gehen in der Regel schief, weshalb sie sich nicht durchgesetzt haben.

Mit den wenigen öffentlichen Informationen und den Statistiken über vergangene Zugunglücke, die in dieses Profil passen, wäre überhöhte Geschwindigkeit die häufigste Ursache, etwa ähnlich oft wie Gleisverwerfung oder etwas auf den Schienen.

Wenn mir jetzt jemand diese bisherigen Informationen geben und die folgenden Bilder zeigen und mich fragen würde, was passiert ist, nicht als Experte für Bahnen, sondern als logisch denkender Mensch mit physikalisch-technischen Grundkenntnissen, würde ich sagen:

Der Zug kam von unten links ins Bild und wollte um die Kurve nach oben aus dem Bild fahren. Die Lok fuhr hinten und steht noch im Gleisbett, ebenso der erste Wagen. Der 2. und 3. Wagen liegen auf der Seite, der letzte Wagon direkt vor der Lok steht dagegen noch.

Hier der erste Wagon, von dem aus der Zug gefahren wurde. Er steht erstaunlich parallel zum Gleis.

Und hier der zweite umgestürzte Waggon, der, dem Schotter nach zu urteilen, ein ganzes Stück "neben der Spur" gefahren sein muss. Es sieht so aus, wäre es erst umgekippt, als er nicht mehr allzu schnell war, aber bevor er ganz zum Stillstand gekommen ist:

Die Gleise sehen verzogen aus, aber in einer Art, die für mich konsistent mit Schäden durch einen im Gleisbett statt auf dem Gleis "fahrenden" Zug aussehen. Diese Doppelstockwaggons sind mit 45-70t auch fast so schwer wie die Lok mit ihren 80t.

Ein Knicken oder Falten des Zuges ist typisch für Entgleisung, wo ein entgleister Waggon vom Schotter stark abgebremst wird, während der hintere Zugteil schiebt. Das passiert, auch wenn die Lok vorne fährt, und Schiebebetrieb wie hier, wo die Lok hinten fährt, ist sicher, ...

...aber in dem seltenen Fall, dass ein Wagon entgleist, faltet sich im Schiebebetrieb ein Zug eher stärker zusammen, was aber den Schiebebetrieb nicht gefährlich macht. Vielleicht erweist es sich wie oft als Kombination aus Faktoren, oder man findet eine konkrete Hauptursache.

Vielleicht lag etwas auf den Schienen. Gelegentlich fallen auch von Zügen Teile ab oder herunter. Oder es war eine Kombination aus Verschleiß, ungleicher Bremswirkung und Beladung und ungünstiger Fahrdynamik, also auch Bedienungsfehler mit hineinspielten. All das wird man prüfen.

Einen Anschlag kann man zwar nicht zu 100% ausschließen, aber als Ursache für Zugunglücke spielen Anschläge praktisch keine Rolle. Man kann sie so ausschließen, wie man normalerweise Anschläge als Ursache für Autounfälle ausschließt. In einem Jahr wissen wir mehr.