Bemerkenswert, dass alle der Ölpreis interessiert, um sich über Preise für Diesel und Benzin aufzuregen. Aber nicht der... ähem... Preis für Diesel (links) und Benzin (rechts) am Weltmarkt.
Thread, der wichtig ist für Debatte über #Tankrabatt und Übergewinnsteuer 🧵
Es ist wahr: Der Ölpreis beeinflusst die Preise für Diesel und Benzin. Aber wie groß dieser Einfluss ist, schwankt.
Dieser Crack Spread ist aktuell so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Das heißt: Wer nur auf den Ölpreis schaut, versteht nicht, was wirklich passiert.
Und schaut euch den Chart genau an: Der Anstieg begann im Nov 21, drei Monate vor dem Ukraine-Krieg. Das heißt...
... dass der Krieg allein nicht Ursache für die hohen Preise sein kann.
Womit auch eine Übergewinnsteuer ganz schnell auf tönernen Füßen steht. Man kann sie einführen, aber sie rechtlich wasserdicht zu kriegen, ist schwer.
Denn eine tieferliegende Ursache für den hohen Crack Spread ist banal.
Dieser Chart zeigt, dass die globale Raffineriekapazität in 2021 gesunken ist.
Die Sprit-Nachfrage aber hatte sich nach der Pandemie im letzten Jahr wieder normalisiert. Was passiert also? Wir haben einen *kleinen* Angebotsschock für Diesel und Benzin
Dieser Schock wurde durch die Sanktionen nach dem Ukraine-Krieg verschlimmert. Denn Russland ist und war einer der größten Diesel-Exporteure der Erde.
Wir haben nun einen *mittleren* Angebotsschock.
Gleichzeitig hat China begonnen, weniger Kerosin, Diesel und Benzin zu exportieren.
Nun haben wir einen *großen* Angebotsschock.
Vielleicht versteht ihr jetzt auch, warum der Tankrabatt nicht nur klimapolitisch eine saudumme Idee war, sondern auch ökonomisch. Er erhöht die Nachfrage künstlich anstatt sie zu senken, was eben bei hohen Preisen passiert.
Die Übergewinnsteuer ist im Prinzip keine saudumme Idee. Oligopole müssen wir knacken. Aber ich sehe nicht, wie sie im Lichte dieser Daten auch konkret aussehen soll und vor allem vor einem Gericht Bestand haben soll.
Wenn die Ölkonzerne vor Gericht richtig zynisch sind, argumentieren sie mit dem Klimawandel: "Wir müssen weniger CO2 emittieren. Also haben wir weniger investiert und alte Anlagen geschlossen. Ein hoher Preis ist die Folge. Ein hoher Preis ist sogar wichtig für Energiewende."
Die "Lösung" für hohe Preise wäre Ausbau der Raffiniere-Kapazitäten im Westen, Aufhebung der Sanktionen gegen Russland und enormer Druck auf China, seine Export-Beschränkungen aufzuheben.
Lösung in Anführungszeichen. Denn das sind aus mehreren Gründen keine echten Möglichkeiten. Klimapolitisch, sicherheitspolitisch etc
FAZIT
Die Wahrheit ist: Die Spritpreise werden hoch bleiben. Traut sich aber verständlicherweise kein Politiker zu sagen.
Die Preise müssen auch hoch bleiben, um die Nachfrage nach fossilen Kraftstoffen langfristig zu senken und so die Energiewende zu beschleunigen.
OK, habe den Thread am Handy getipp t, beim Spaziergang mit Baby im Tuch.
Seht mir deswegen Fehler nach, aber abonniert meinen Newsletter "Bang Bang". Darin schreibe ich regelmäßig über Zusammenhänge wie diese, die unsere wilde wunderbare Welt prägen: krautreporter.de/9-rico-grimm
In der nächsten Ausgabe des Newsletters schaue ich mir übrigens an, welchen Einfluss Spekulation wirklich auf den Weizenpreis und damit auf die globale Hungerkrise hat 🧐
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Ich glaube, dass wir in einem besonderen Moment leben.
Ich glaube, dass die Welt gerade ihren ersten richtigen Klimakrisen-Moment erlebt 🧵1/x
Die Klimakrise war schon immer mehr als steigende Temperaturen und Meeresspiegel. Ich würde soweit gehen: Wer sie darauf reduziert, hat sie nicht verstanden.
Ihr ganze Wucht zieht die Klimakrise daraus, dass sie unsere *Gesellschaften* mit Druck konfrontiert, den wir in dieser Form und dieser Intensität noch nie aushalten mussten.
Schliesslich haben wir unsere Zivilisationen in einer Zeit eines beispiellos stabilen Klimas gebaut.
Nach Corona- und Ukraine-Twitter beginnt bald Inflationstwitter.
Damit ihr euch zügig zurecht findet, gebe ich euch schon jetzt eine Übersicht über die besten Hot Takes und Spins 🧵
Linkstwitter - "Die Inflation ist kein Problem. Die Profitgier der Unternehmen ist das Problem. Sie nutzen die Krisen aus, um sich zu bereichern. So ist es nämlich!"
Rechtstwitter - "Was? Schuld ist die Europäische Zentralbank! Sie muss die Zinsen sofort erhöhen."
Sehe ich das richtig: Die Gesellschaft, die seit Jahrzehnten kein Tempolimit hinkiegt, soll jetzt also von heute auf Morgen auf russisches Öl und Gas verzichten?
Thing is: Swift, Sanktionen gegen Zentralbank und selbst Waffenlieferungen spürt im Grunde niemand im Alltag. Das waren politisch billige Maßnahmen.
Öl- und Gasboykott sind z.T. effektivere Maßnahmen, aber auch deutlich teurer für jeden Einzelnen.
Wer den Importstopp fordert, muss eine Idee haben, wie er Millionen Menschen dafür begeistert, zu verzichten. Ja, "begeistern", alles andere wäre politischer Selbstmord.