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Jun 14 21 tweets 5 min read
#Servicetweet für
@MarcoBuschmann
@starkwatzinger und die unrühmliche
#KMK

Ich sitze seit einigen Stunden auf einer Station in einer Kinderklinik.
Ich tauche ein in eine kleine Welt inmitten der großen Welt da draußen. Zeit. Viele Gespräche. Mit Schwestern, mit Ärzten, mit
1/
anderen Eltern, der Seelsorge, den Klinikpädagogen, mit anderen kleinen und halbgroßen Patienten: von medizinischen Kleinigkeiten bis zu Kindern, die schon zig Operationen in ihrem Leben hinter sich gebracht haben.
Ein Jugendlicher hätte heute seinen Schulabschluss
2/
und die ersehnte Schulabschlussfeier. Stattdessen wird er operiert, zum xten Mal. Die Klassenkameraden schalten ihn später per Video zu und hier wird kräftig gefeiert.

Die Gespräche drehen sich um das Leben, um Schule und Kita, Hobbies und Familie, was man gerne mag und dass
3/
der Anästhesist gestern einen Witz gemacht hat. Über bescheuerte Lehrer und das Wetter. Und den neuen Venenzugang.

Manches Gespräch auch über die Pandemie, viel Kopfschütteln. Worüber hier niemand spricht: dass es Wichtigeres gäbe als das Leben und die Gesundheit.
Und dass
4/
Gesundheit irgendwie "dehnbar und definierbar" sei und man Lernlücken, verpasste Kindergeburtstage und das Tragen einer Maske im Bus darunter subsumieren könne.

Hier atmet man tief ein und kommt nicht einen Moment auf die wahnwitzige Idee, dass es Wichtigeres geben könnte
5/
als die Gesundheit. Hier stimmt der gesellschaftliche Kompass, der in der öffentlichen Diskussion in eine kaum vorher dagewesene Schieflage geraten ist und bis zum Zerbesten gebeugt wird.

Wozu? Was erreichen wir mit dieser Verzerrung von Freiheitsbegriff, Gemeinwohl,
6/
Gesundheit und Recht des Einzelnen?
Was ist mit den Rechten, der Einzelnen, Herr @MarcoBuschmann, die hier sind und die besser wissen als so mancher laute Krakeeler, was "das Wichtigste" und was "unverhandelbar" ist? Wie ist das Verhältnis von Gemeinwohl und Einzelnem?
7/
Wie das Verhältnis von Freiheit und Verantwortung?

Liebe KMK, wie ist das mit dem Spruch Ihrer Ex-Vorsitzenden, Gesundheit ist wichtiger als Bildung, träfe nicht ihre Zustimmung? Und wie ist das mit dem Spruch, Präsenzu. sei die beste Therapie?
Ach ja, und ab und zu stirbt
8/
mal einer... ist schon schrecklich, gell?

Würden alle, die mit diesen Kloppern durch die Pandemie trampeln, auch HIER solche Sprüche bringen? Oder wäre das dann doch zu peinlich und man beschränkte sich auf einen inhaltslosen medienvermarkteten Lächelbesuch?

Wenn man HIER
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sitzt, wo ich seit 7 Uhr sitze und hier miteinander spricht, weiß man schlagartig und unmissverständlich, was in unserer Pandemiepolitik, was in der Inklusionspolitik, was in der Familien- und Bildungspolitik aus den Fugen geraten ist.

Jedes Kind, das hier ist, spürt am
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eigenen Leib, was wichtiger ist, Gesundheit oder irgendwas, was von euch lauten Krakeelern inkl. Politikern, Medizinern, Journalisten und selbsternannten Kinder-Vertretern als wichtiger herumposaunt wird.
Jede Mutter, jeder Vater, die hier am Bett ihres Kindes sitzen, wissen
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tief im Herzen, was wichtiger ist und vergessen es nicht wieder.

Wann versteht ihr da draußen das endlich? Wann versteht ihr, dass nicht nur hier Gesundheit wichtiger als alles andere ist, sondern überall? Dass Inklusion nur funktioniert, wenn die Gemeinschaft als
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Zusammenschluss Einzelner die Rechte des anderen Einzelnen respektiert? (Hallo Herr @MarcoBuschmann, sprachen Sie nicht darüber, dass der Einzelne nicht hinter dem Gemeinwohl stehen sollte? Wie ist das mit dem Schutzbedarf Einzelner, die auf die Rücksicht der Gemeinschaft
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bauen müssen?)
Wann versteht ihr, dass der Einzelne nur aufgefangen ist, wenn der "Starke" zugunsten des "Schwächeren" zurücktritt, anstatt lauthals sein Stärkeren"recht" einzufordern?
Wann versteht ihr, dass - ob mit oder ohne Pandemie - Gesundheit das Wichtigste und die
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Grundlage von allem anderen ist?

Und wann versteht ihr, dass Digitalisierung, Distanzu. und Videokonferenzen das gewähren, was ihr soooooo wichtig findet - Dabeisein, Teilhabe, Zugehörigkeit, soziales Miteinander...? Und dass diese Möglichkeiten gleichberechtigt sein müssen,
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und dass dies eure (!) Verantwortung ist, weil sonst auch Teilhabe nicht gleichberechtigt ist?

Oder gilt das alles nur dann, wenn man eurem Bild von "Normalität" entspricht, wenn man den einfachen, den billigen Weg der "Teilhabe" mitgehen kann?
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Verwirkt man all diese Rechte, wenn man plötzlich erfährt, wie das ist, wenn Gesundheit doch wichtiger wird, als alles andere, weil sie verloren ging?

Und wie viel "verlorene" Gesundheit verlangt ihr (in der Pandemie)
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noch, um alles andere darüber zu stellen? Was soll der Junge nach 6 Wochen im Bett nebenan noch opfern, um eure "Normalitätsphantasien" zu befriedigen?
Was das Mädchen gegenüber an der Schmerzpumpe, damit ihr "ungestört" Vor-Pandemie spielen könnt, dabei aber beide (und noch
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viele mehr) einfach und unwidersprochen exkludiert?

All das löst HIER kollektives Kopfschütteln aus - so als wäre die Welt, in der Gesundheit das Wichtigste ist, nicht eure Welt. Und vielleicht ist das ja auch so.
Nicht eure Welt... nicht nur in der Pandemie.

Aber es ist
19/
eure Aufgabe, diese "Welten" in
Einklang zu bringen, es ist EINE Welt.
Es ist Ihre (juristische) Aufgabe, Herr @MarcoBuschmann, eure in der KMK, in Bildungs- &
Gesundheitspolitik, eure in Diskussionen & Debatten der Bevölkerung und der Medien.

Einklang, nicht "Abwägung".
20/
Kriegt ihr das hin?
Wer hier ist, kann das - fühlt das Verhältnis, das für diesen Einklang nötig ist.
Und ihr?

*mit den Klinikclowns durchs Zimmer tobend, sich am kreischenden Lachen erfreuend.
Und froh, für einen Moment in einer Welt zu sein, in der der Kompass stimmt.
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2/
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