Ich weiß, wie solidarisch es gemeint ist, wenn nicht-queere Menschen wieder von einem "Angriff auf uns alle" reden. Aber... 1/ #Oslo
Gerade lese ich von einer jungen Person, die zum ersten Mal im Leben zu einem Pride gehen wollte und sich so sehr darauf gefreut hat und heute morgen von dem Angriff lesen musste.
Statt zu einem Pride zu gehen und zu feiern, hat sie Blumen abgelegt und getrauert.
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Und ich weiß, dass nur sehr wenige nicht-queere Menschen wirklich verstehen, warum ich dabei plötzlich anfangen muss zu weinen und nicht mehr aufhören kann.
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Ihr ahnt nicht, auf wie viel schon angesammelten Schmerz und Wut diese Tat bei vielen von uns trifft. Ihr habt keine Ahnung, wie groß der Schaden ist.
Ihr seid nicht wir. Da müssen wir einfach ehrlich bleiben. Und wir gehören nicht einfach so zu eurem "wir alle".
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Wir müssen anerkennen, was uns trennt: spezifische Erfahrungen, die ein Teil von uns macht und der andere nicht.
Queere Menschen tragen oft Narben, von denen viele von euch lieber nichts hören wollen.
Wisst ihr wirklich, wie es uns geht? Wollt ihr es überhaupt hören?
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Solidaritätsgesten sind schön, aber nicht genug. Setzt kein "wir" voraus, das es nur ansatzweise gibt und das wir gerade erst zaghaft anfangen, uns zu erarbeiten.
Für dieses "wir" müsst ihr uns zuhören und verstehen wollen. Bitte tut es.
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Ich hoffe, das klingt alles nicht allzu patzig. Solidaritätsgesten sind gerade in solchen Momenten super wichtig und können wirklich sehr gut tun!
Als queerer Mensch gewöhnt man sich aber an, sehr genau hinzuschauen, mit welchen Konsequenzen sie verknüpft werden - oder nicht.
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1998 (!) wurden zwei Männer in Texas in einem Privathaus verhaftet, eine Nacht gefangen gehalten, gegen Kaution freigelassen und zu je 125 $ Strafe verurteilt, weil sie einvernehmlich miteinander Sex gehabt haben sollen. 1/
Die Polizei war wegen einer falschen Beschuldigung durch einen Ex-Freund in das Haus eingedrungen.
Auch einvernehmlicher Sex in Privaträumen war in Texas und vielen anderen Bundestaaten strafbar, wenn er nicht bestimmten christlichen Moralvorstellungen entsprach.
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Der Supreme Court setzte 2003 (!) solche Gesetze unter Berufung auf das Recht auf Privatsphäre außer Kraft. Da dieses Recht vom Supreme Court jetzt nicht mehr anerkannt wird, droht eine Rekriminalisierung bestimmter Formen einvernehmlicher Sexualität, z.B. Homosexualität.
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Bin jedes Mal wieder verärgert, wenn öffentliches und staatliches (!) Gedenken ganz selbstverständlich vom Christentum okkupiert wird. Als gäbe es keine anderen Weltanschauungen und keine andere Möglichkeit öffentlichen Gedenkens.
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Waren die Opfer überhaupt alle Christ*innen? Sind die Angehörigen alle Christ*innen? Wer wurde gefragt? Wer nicht?
Kann man nicht ausgerechnet bei vielen queeren Menschen eine berechtigte Distanz zu Religion vermuten?
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Sollte ich jemals als Opfer in einen Gedenkgottesdienst verwickelt werden, könnt ihr dann bitte meinen Sarg vor laufenden Kameras wieder aus der Kirche tragen?
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Wenig bekannt: Der letzte nach §175 verurteilte Mann war bis 2004 in Haft. Er blieb 10 Jahre lang für ein Verbrechen eingesperrt, das es kurz nach seinem Haftantritt juristisch nicht mehr gab. Drei Gnadengesuche und mehrere Anträge auf vorzeitige Entlassung wurden abgelehnt.
Es ging um einvernehmlichen (!) Sex eines 30-Jährigen mit einem 17-Jährigen. Für Heteros wäre das kein Problem gewesen, für Schwule war es bis 1994 verboten.
1990 gab es 125 Verfahren, 96 Verurteilungen, 10 Männer saßen in Haft.
Vielleicht erinnert ihr euch ja daran, wenn ihr mal wieder irgendwo hört, dass der §175 angeblich 1969 "abgeschafft" worden sei. Diese verbreitete Fehlinformation ist einfach nur Ausdruck des deutschen Bedürfnisses, uns ab 1945 für plötzlich aufgeklärt und demokratisch zu halten.