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Aug 24 43 tweets 8 min read
Ein Blick auf den Artikel ‚#Rudolf #Steiner’ des rüpelhaften Twitterers Oliver Rautenberg (@AnthroBlogger) offenbart Schlimmes. Was genau, werden wir uns hier ansehen. #exwaldi
Ein 🧵 1/x
Er soll insbesondere die Sektenhaftigkeit der #Anthroposophie belegen, erweist sich aber
als unvertrauenswürdig. Er ist unter diesem Link abrufbar:
anthroposophie.blog/rudolf-steiner/
Wagen wir einen kritischen Blick auf Rautenberg, der sich im Wesentlichen darauf konzentriert, Meldungen aus den Medien und durch Interaktionen mit Followern zu verarbeiten. Mit Steiner selbst
beschäftigt er sich dagegen wohl kaum, auch wenn er es an Urteilen und Meinungen nicht mangeln lässt.
---
„Ein bekloppter Spinner“, zitiert Rautenberg die ‚Heidenheimer Zeitung‘, obwohl diese nur ein paar mögliche Antworten auf die Frage, wer Rudolf Steiner ist, in den Raum
gestellt hat, anstatt dies selbst als Urteil zu behaupten.
‚Die Zeit’ stellt fest: „Rudolf Steiner ist der einzige deutsche Idealist, der den Praxistest überlebt hat.“ Und obwohl wir dort auf viel Bewunderung für Steiner treffen und dessen „ungeheuere Geschwindigkeit, mit
der sich der in prekären Verhältnissen beschäftigte geistige Gelegenheitsarbeiter in einen in den allerhöchsten Kreisen nachgefragten Meister verwandelte“, dreht Rautenberg diese Äußerung um, indem er daraus das Zitat: „Ein geistiger Gelegenheitsarbeiter“ bastelt. Nicht
der Laie ist aber das Wesentliche, sondern die Entwicklung des jungen Steiners zu dem, was er in sozialen Kreisen geworden ist.
Der ‚hpd‘ veröffentlichte einen Artikel, in dem Harry Rowohlt mit den Worten „Töne wie aus einer undichten Gummizelle“ zitiert wird, was Rautenberg in seinem Artikel einfügt. Rowohlt behauptet, Steiner habe dem blonden Menschen eine intellektuelle Überlegenheit attestiert und
qualifiziert diesen ironisch für das „Quellenverzeichnis von Hitlers ‘Mein Kampf’.“ Im selben Artikel wird aber auch Steiner zitiert, der davon sprach, dass „die instinktive Weisheit der Menschen“ mit dem Verschwinden der Blonden aussterbe und dass dies durch
‚Geisteswissenschaft’ aufgefangen werden müsse. Wer Steiner nun kennt, weiß, dass er sich hier auf die Interaktion des Körpers mit der Seele bezieht und in seinem Werk deutlich zwischen beiden und ihrer jeweiligen Entwicklung unterschieden hat. Er sprach zum Beispiel von
einer Degenerierung des menschlichen Körpers als Grundsätzlichkeit. Auch von einer ideologischen Dominanz kann keine Rede sein, da es sich in der Menschheitsentwicklung nach Steiner um zahllose Aufeinanderfolgen handelt, in denen zwar auf gewisse Art Dominanz vorkommt, die
aber grundsätzlich aus einer alten hervorgeht und in einer neuen endet. So sprach er in Bezug auf die heutige Zeit zudem eigentlich von Kulturepochen und sah den Rassebegriff als einen Begriff an, der seine Bedeutung verloren hat. Zwar zitiert Rautenberg richtig,
aber die durch Rowohlt inszenierte Nähe zu Hitler, die im Artikel deutlich wird, muss bei genauerem Blick schnell infrage gestellt werden, weil die irritierenden Äußerungen Steiners sich dabei immer weiter vom fanatischen Rassismus Hitlers und der Nazis entfernen. Eine
tiefergehende Auseinandersetzung mit solchen Textstellen sprengt an dieser Stelle aber den Rahmen.

Im Folgenden tragen wir zusammen, was ich am 18. August erleben durfte, als ich Rautenberg, quasi auf dessen Einladung, mit diesem seinem Text konfrontierte. Ich nahm seine
Einladung an, die lautete: „Klickt auf mein Blog, im Seitenmenu auf Archiv und auf IRGENDEINEN von 1000+ Artikeln. Wo fehlt eine Quellenangabe? Findet ihr eine…?“.
Ich beschränkte mich auf den Artikel ‚Rudolf Steiner‘ und forderte entsprechende Quellen für folgende
Behauptungen an:

- „Rudolf Steiner gilt bei seinen Anhängern als unfehlbare Autorität, dessen Aussagen nicht kritisiert oder in Frage gestellt werden können."
- „(…) „Akasha-Chronik“ lesen zu können, einer Art kosmischem Weltgedächtnis, in dem alle Ereignisse der Vergangenheit
und Zukunft geschrieben stehen." Ich fragte nach einer Quelle für die Behauptung, dort stünde ALLES aus Vergangenheit und Zukunft.
- „Die gesamte Lehre basiert somit allein auf Steiners Eingebungen aus „höheren Welten“ und ist daher nicht falsifizierbar." Mein Einwand dazu
lautete: „Diese Behauptung ist nicht möglich, ohne all das, was zum Thema Naturwissenschaft, Geisteswissenschaft von ihm ausgeführt wurde, studiert zu haben. Hast Du das? Es wäre ersatzweise eine Quelle wichtig, anhand der deutlich gezeigt wird, dass es sich nur um
'geheime', 'verdeckte' Eingebungen handelt. Jedenfalls kann hier nicht verschwiegen werden, was zum Thema Wissenschaft bei Steiner verfügbar ist. Das fehlt in meinen Augen.“
- Ich bemängelte in einem weiteren Fall, es sei problematisch zu schreiben: „über seine Quellen sei
er aber „verpflichtet zu schweigen““. Denn Rautenberg gibt selbst an anderer Stelle, die er mit ‚verpflichtet zu schweigen‘ verlinkt hat, ein Zitat Steiners wieder, wodurch sich ein anderes Bild ergibt.
- „Der selbsterklärte „Hellseher, Hellhörer und Hellschmecker“ glaubte,
nur er allein könne in die Zukunft und Vergangenheit der gesamten Menschheit „schauen“.“ Und: "Rudolf Steiner gab an, als einziger in der „Akasha-Chronik“ lesen zu können".

Diese paar Textstellen wollte ich durch genauere Angaben belegt oder erklärt sehen. Als Antwort kamen
allerdings ausschließlich zahlreiche Kommentare ohne Sinn und Verstand. Nur wenige Tage zuvor bekam ich zudem aufgrund meiner Kritik an einem von ihm wissentlich verbreiteten falschen Zitat noch zu hören, „das juckt in der realen Welt keinen Menschen.“
Davon brauchen wir uns natürlich nicht beeindrucken lassen. Vielmehr lässt dies aufhorchen und die Mühe einer Überprüfung als sinnvoll erscheinen. Es gibt wohl auch keinen Grund dafür, eine historische Persönlichkeit um der Verteidigung willen zu verteidigen. Viel mehr soll
Verteidigung eher Begleiterscheinung einer inhaltlichen Auseinandersetzung sein.

Allgemein wird Anthroposophie meist als eine Lehre verstanden, die Steiner in Form von Büchern und zahlreichen mehr oder weniger mitgeschriebenen Vorträgen verfasst und hinterlassen hat. Sie wird
auch von Rautenberg aufgefasst als eine Ansammlung von Wissen, das geglaubt werden soll und nicht infrage gestellt werden darf. So spricht Rautenberg von der „Weltanschauung der Anthroposophie“. Aber was Anthroposophie eigentlich ist, sollte in einem Grundlagen-Artikel wie
diesem durchaus erst einmal präzise charakterisiert werden. Hier finden wir aber nur gängige Floskeln und Phrasen. Nichts, was Einblicke verspricht oder Verständnis schafft. Auffällig ist auch die durchweg negative Sprache. Sie dürfte deutlich machen, was Rautenberg unter
‚Kritik‘ eines Kritikers versteht, als der er sich fühlt: eine insgesamt ablehnende Haltung einzunehmen.

Die wesentliche Frage, die Rautenberg in seinem Artikel verfolgt, lautet: „Ist die Anthroposophie eine Sekte?“ und nimmt gleich vorweg, sie erfülle mehrere Kriterien dafür.
Die Links für eine „Checkliste für unbekannte Gruppen“ und die für die ‚SektenInfo Berlin’ funktionieren allerdings nicht.
Drei wesentliche Punkte werden im Text aber hervorgehoben, die vermutlich aus der Checkliste stammen sollen:
„Die Gruppe hat einen Meister, ein Medium, einen Führer oder Guru, der allein im Besitz der ganzen Wahrheit ist.“
Ob dies zutrifft, muss natürlich nachgewiesen werden. Das kann der Text allerdings nicht bieten, was auch daran liegt, dass im gesamten Werk Steiners zum Ausdruck
kommt, dass dem Menschen die eigene Erkenntnis und der Weg zur Freiheit im philosophischen Sinne im Grunde ohne Grenzen offen stehen (vgl. Steiner, ‚Die Philosophie der Freiheit’). Ein Guru übt Macht aus; Steiner weist diese Rolle von sich und charakterisiert ein angemessenes
Verhältnis zum Beispiel in seinem Buch ‚Wie Erlangt Man Erkenntnisse Der Höheren Welten‘.

„Die Lehre der Gruppe gilt als einzig echtes, ewiges wahres Wissen.
Die etablierte Wissenschaft, das rationale Denken, der Verstand werden als Verkopfung, als negativ, satanisch oder
unerleuchtet abgelehnt.“
Dieses Kriterium kann Rautenberg ebenso wenig auf Anthroposophie anwenden, wie das vorhergegangene. Er behauptet, „In Waldorfschulen gelten anthroposophische Lehrer als unfehlbare Autoritäten, deren Wissen nicht hinterfragt werden darf“, liefert aber
keine Quelle. Es kann dagegen mit Sicherheit gesagt werden, dass diese Behauptung falsch ist, auch wenn damit noch nicht gesagt ist, inwiefern sich Lehrkräfte an Waldorfschulen als Autorität sehen. Ähnlich wie schon bei der Behauptung, Steiner wäre verpflichtet, über sein
Quellen zu schweigen, behauptet Rautenberg pauschal, dass Steiner meinte, man solle sich vom „„in die Irre führenden“ wissenschaftlichen Denken frei“ machen, lässt dies aber unbelegt, bzw. es führen die verlinkten Wörter auf einen eigenen Blog-Artikel, der nicht mehr existiert.
Noch schlimmer sieht es eigentlich mit der folgenden Stelle aus, in der das falsche Zitat steht, man solle sich „verbieten, irgendeinen Gedanken aufkommen zu lassen von Kritik, von Opposition“. Hier werden wir zwar zu einem vorhandenen eigenen Blog-Eintrag Rautenbergs geführt,
der aber schon offenbart, dass das Zitat nicht nur falsch, sondern dem Sinn nach auch entstellt wurde. Zwar ist seine Quelle korrekt, aber im Text falsch verbaut. Denn es geht in Wirklichkeit nicht darum, Kritik und Opposition zu verbieten, sondern um eine Eigenschaft mancher
Kinder, die mit besonderer Bewunderung und Ehrfurcht zu Erwachsenen aufschauen.

„Die Welt treibt auf eine Katastrophe zu, und nur die Gruppe weiß, wie man die Welt retten kann.“
Obwohl Rautenberg schon fälschlicherweise davon spricht, dass Steiner ein exklusives Wissen besaß,
das unerreichbar für andere sei, spricht er nun von einem exklusiven Wissen der „Geheimschüler“ und „Eingeweihten“, welches diese „aber dem Rest der Menschheit nicht mitteilen wollen“. Dabei steht im Text der Quelle mehr als deutlich, dass Steiner sich gegen eine derartige
Haltung ausgesprochen hat und für die Verbreitung von Wissen war. Wir lesen das bereits sofort, wenn wir die Quelle an der entsprechenden Stelle aufschlagen.

Hier, am Ende des Artikels wird deutlich, was schon am Anfang ins Auge fiel: dass Anthroposophie in einer Weise verzerrt
wird, um sie den Kriterien einer Sekte entsprechen zu lassen. Rautenbergs Fazit kommt in Form einer Andeutung daher, dass laut „Leitstelle für Sektenfragen in Berlin“ Vorsicht angebracht sei, wenn mehrere Punkte zuträfen. Sicher ist dagegen hier vor allem eines: dass Vorsicht
geboten ist, wenn es sich um einen Text von Rautenberg handelt. Denn die Mängel, die wir allein hier finden konnten, sind gravierend. - Eine Besserung ist sehr gewünscht!

Giga-🧵-Ende

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2/13
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3/13
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