Die Organisator*innen der Veranstaltung und ihre Unterstützer*innen framen das jetzt natürlich so, dass da "Betroffene" mundtot gemacht werden und Aussteiger*innen nicht sprechen und über Prostitution informieren dürfen. So ganz stimmt das halt auch nicht. 1/
Ausgerichtet wurde die Veranstaltung vom Verein Sisters e.V. Der Verein wurde 2015 gegründet. Das war die Hochphase der Verhandlung des Prostituiertenschutzgesetzes. Zu den Gründerinnen gehören u.a. die SPD Politikerin Leni Breymaier und die Sozialarbeiterin Sabine Constabel. 2/
Nicht 100% gesichtert ist, dass auch Alice Schwarzer eine der Mitgründerinnen ist. Öffentlich verteidigt sie den Verein auch schon mal gegenüber dem Investigativ-Team der ZEIT. Nichts schlimmes dabei, wären da nicht die Seitenhiebe gegen @hydra_berlinemma.de/artikel/wenn-d… 3/
Was will Sisters? Nicht mehr wegsehen, "wie hunderttausende Armutsprostituierte aus Osteuropa und Dritt-Welt-Ländern oder auch verzweifelte deutsche Frauen in der Prostitution hierzulande allein gelassen werden". Klingt erstmal sinnvoll. 4/
Das Problem dabei ist: Sie tun so als gäbe es in Deutschland bislang keine unterstützende Infrastruktur für Sexarbeitende und Betroffene von Menschenhandel, als gäbe es den @KOK_eV und seine Mitgliedsorganisationen (Beratungsstellen gegen Menschenhandel) nicht. 5/
Als gäbe es die vielen Beratunsstellen für Sexarbeitende nicht, die jahrzehntelange Erfahrungen mit den sehr komplexen und schwierigen Lebenslagen von deutschen wie migrantischen Sexarbeitenden haben. (man schaue sich auf bufas.net um). 6/
Und dieses "es gibt eigentlich nichts" ist aus meiner Sicht strategisch-manipulative Absicht. Denn das Ziel ist, ein Netzwerk von Anti-Prostitutionsorganisationen aufzubauen, die die anderen verdrängen sollen. Wie genau wird das gemacht? 7/
Dieses Netzwerk von Anti-Prostitutionsorganisationen ist inzwischen schon gut vorangeschritten. Sie verschreiben sich dem Ziel das sog. "Nordische Modell" in Deutschland einzuführen, das angeblich alle Probleme der Prostituierten lösen soll. Angeblich. 8/
In diesem Bündnis "Nordisches Modell" sind alle möglichen Organisationen vernetzt, die das komplette politische Spektrum abdecken - von links, grün, feministisch, zu christlich & evangelikal. Meist sind die Verein sehr klein, meist sind die gleichen Personen in mehreren aktiv 9/
aber sie alle haben sich gefunden im gemeinsamen Ziel einer "Welt ohne Prostitution". Sie wollen ein Gesetz, das Sexarbeit wieder illegalisiert, angeblich zum Schutz der Frauen. 10/
Wie gehen sie vor? Wir haben es teilweise mit professionell agierenden Personen zu tun, die einen Plan haben. Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier, Journalistin Alice Schwarzer, Terre des Femmes Vorstandsfrau und Ex-Journalistin Inge Bell, ...11/
Frank Heinrich (CDU) und Gründer einer christlich orientierten Organisation gegen Menschenhandel (aber, mein Eindruck, eigentlich nur gegen Prostitution), Manfred Paulus (Ex-Polizist, der die Legalität der Sexarbeit für die europäische org. Kriminalität verantwortlich macht), 12/
Gerhard Schönborn, Gründer von Neustart e.V. in Berlin - eine evangelikal geprägte Organisation. Hier der Vorstand von Frank Heinrichs "Gemeinsam gegen Menschenhandel". Da schauen wir jetzt genauer hin. 13/
Da ist Gaby Wentland. Wentland ist evangelikale Pastorin und so konservativ, dass man sich das kaum vorstellen kann (ein paar Videos sind auf Youtube). 2013 wurde ihr ein Preis nicht verliehen, weil das LKA Niedersachsen öffentlich sagte, ihre Organisation "Mission Freedom" 14/
...sei "nicht seriös". Das ist DER christliche Verein gegen Menschenhandel, bei dem die konservative Agenda am offensichtlichsten ist. Trotz allem: Sie ist noch im Vorstand von GGMH. Hier Quellen: 1. ndr.de/nachrichten/ha… 2. zeit.de/gesellschaft/2… 15/
Schauen wir uns den Frank Heinrich (CDU) nochmal genauer an. Kürzlich unterstützt auch durch Elisabeth Winkelmaier-Becker, die immer besonders hart gegen die Abschaffung des #219a gekämpft hat. Bis 2021: Erfolgreich. 16/ pro-medienmagazin.de/politiker-werb…
Dann wäre da Manfred Paulus, geb 1943. Als Polizeikommissar tätig als es noch legal war, Prostituierte zwangsweise auf Geschlechtskrankheiten zu untersuchen. Als Sexarbeitende noch keine Rechte hatten. Die Nostalgie merkt man ihm an, 17/
..wenn er sagt, dass diese verpflichtenden "Gesundheitsuntersuchungen" wieder eingeführt werden sollen. Oder dass die Polizei jederzeit ins Bordell darf (darf sie sogar). Prostituierte sind da lediglich Objekte staatlicher und polizeilicher Überwachung. (Screenshot von EMMA) 18/
Seit ungefähr 20 Jahren schreibt er alle paar Jahre ein Buch (mit schrecklichen Cover-Bildern) über die organisierte Kriminalität und die "Sexsklaverei". Ein spannender Blick in den Kopf eines nostalgischen Polizisten. Mehr aber auch nicht. 19/
Ein paar Linke sind hier natürlich auch sehr aktiv. Schon lange dabei ist Manuela Schon, die letztes Jahr mit Manfred Paulus in 'nemWebinar war, wo auch ihr (über Selbstverlag publiziertes Buch) besprochen wurde. Eine spannende "Allianz" - zwischen Linke & repressiver Polizei 20/
Manuela Schon ist mit den Leute von "Linke gegen Prostitution" dafür verantwortlich, dass auch die Linke immer wieder über Verbote diskutiert. Die Linksjugend ['solid] hat sich auch schon für eine "soft" Version (wenn Kriminalisierung "soft" geht) des NM ausgesprochen 21/
Und da wären wir dann wieder beim Thema Strategie: Wir haben es mit einem relativ kleinen Netzwerk zu tun mit einer politischen Forderung (Prostitutionsverbot), die gesellschaftlich nur so mehrheitsfähig ist, wenn man sie als Kampf gegen Menschenhandel und Ausbeutung verkauft. 22
Und das tun sie. Strategisch. Was sie auch tun: Sie sind in allen Parteien (außer vielleicht FDP) vertreten. Sie sind Mitglied in vielen Vereinen. Sie fangen lokal an, kriegen Beschlüsse und Anträge durch. Dann weiter auf Landesebene. Und dann Bundesebene. 22/
Auf den Budnesparteitagen von CDU, SPD und Grüne (yup, Strategie) gab es im vergangenen Jahr Anträge zum Nordischen Modell. Das ist ja an sich erstmal ok, weil demokratische Prozesse und so. Bloß sind diese Prozesse nicht so demokratisch, weil 23/
alles getan wird - und ich meine: Wirklich alles - damit nur die Unterstützer*innen des Prostitutionsverbotes gehört werden. Es werden Veranstaltungen organisiert, in denen es keine Widerrede gibt. Kein Wunder, dass dann die Beschlüsse eifnach so durchgehen. 24/
Die zweite Strategie ist: Zermürbung durch persönliche Angriffe an der Grenze des Strafrechtlichen, durch organisierte Mail-Kampagnen gegen Personen, durch gewaltvolle und manipulative Gesprächsführung. 25/
Und ich sag Euch eins: Es funktioniert bei den meisten. Denn Prostitution ist kein Thema, bei dem man (politisch) was gewinnen kann oder bei dem die Leute sagen "Wow, toll dass du dich dafür engagierst". Ne. Prostitution löst eher so "uh, eh, wirklich?" aus 26/
Die Leute, die sich wirklich damit auskennen, die machen ihre Arbeit - egal ob in der Beratungsstelle, auch bei der Polizei oder in der Forschung. Aber die geben sich diese Angriffe vielleicht ein paar Mal & ziehen sie sich aus der Debatte raus. Hab ich auch schon gemacht. 27/
Und das ist das anti-demokratische Element. Denn die Leute in diesem machtvollen Netzwerk schaffen es in alle möglichen Organisationen. Sie erzählen, wie schlecht es in Deutschland sei, wie toll das Nordische Modell hingegen sei, und sowieso, Prostitution müsse verschwinden. 28/
Die Narrative sind so einfach, dass sie für alle, die eigentlich kein wirkliches Interesse an der Komplexität des Themas haben, sofort sagen: "Ja klar, Kunden bestrafen, aber nicht die Prostituierte, klingt gut, unterstütze ich". Wenn das nur so einfach wäre. 29/
Und dafür werden dann Ex-Prostituierte rekrutiert (ja, ich glaube, sie wurden damals absichtlich gesucht - verletzliche Personen in einer schwierigen Situation, denen man dann die Sicherheit vermittelt, dass ihnen das alles im Nordischen Modell nie passiert wäre), die über 30/
...ihre Erfahrungen und ihr Leid sprechen. Natürlich unter der Bedingungen, dass sie dann auch sagen, dass sie für eine pauschale Kriminalisierung der Kunden sind. Sonst geht das natürlich nicht. Und das sollte morgen in Berlin passieren. 31/
Nun stelle ich die Erfahrungen dieser personen nicht in Frage. Im Gegenteil. Das ist sicher alles so passiert. Aber ich kritisiere deren Schlussfolgerungen, dass das alles im Nordischen Modell nicht passiert wäre oder besser wäre. Diese Hoffnung ist leider haltlos. 32/
Die ganzen "Informationen", die diese Netzwerke über das "Nordische Modell" verbreiten, sind allgemein falsch und verkürzt. Selbst der Begriff ("Nordisches Modell") ist eigentlich nur ein extrem erfolgreicher Kampagnenslogang und keine Beschreibung einer Realität. 33/
Sie nennen die pauschale Kriminalisierung der Kund*innen ein "Sexkaufverbot". Eigentlich ist es ein #Vergütungsverbot für Sexarbeit & 1 Entrechtung der Sexworker ggüber den Kund*innen. In Schweden wird den Sexarbeitenden das Geld von der Polizei als Beweismittel abgenommen 34/
Sie sagen, dass Sexworker dann geschützt seien vor ihren Kund*innen, weil die ja pauschal als Täter zählen. Nun ja, wer pauschal als Täter*in zählt, kann sich direkt ein paar andere Dinge leisten. Die Sexworker haben ja eh keine Rechte & für die Polizei ist P ja Gewalt 35/
Das Gesetz führt also dazu, dass Sexarbeitenden straffrei alle Gewalt angetan werden kann: In Schweden können Prostituierte keine Anzeigen wegen Vergewaltigung stellen, weil die Polizei glaubt, Prostitution sei ja schon Vergewaltigung. 36/
Link: idunn.no/doi/10.18261/i…
Die pausche Kriminalisierung der Kudnen führt dazu, dass Kund*innen Angst haben. Die Sexarbeitenden, wenn sie denn Kund*innen haben wollen, müssen also für die Sicherheit dieser Kund*innen sorgen - zusätzlich zur eigenen. Eine absurde Situation. 37/
Kommen wir zum nächsten Punkt, der gerne ignoriert wird: Im Nordischen Modell sind Bordelle illegal. Aber es ist auch illegal, *irgendeinen* Arbeitsort zu mieten. Die Vermietung ist strafbar. Es gibt also nur Zimmer/Wohnungen, die von "Kriminellen" vermietet werden... 38/
Sprich: Kautionen werden nicht zurückgezahlt, die Preise sind aufgrund des Risiko sehr hoch (viel höher als in Deutschland), für Sicherheit kann nicht gesorgt werden. Die Sexarbeitenden sind den Vermietern hilflos ausgeliefert. 39/
Die Alternative ist: Sich als Sexworker gemeinsam eine Wohnung mieten. Das Problem dabei: Die Polizei kommt verklagt beide wegen Zuhälterei und Menschenhandel. In Irland sind migrantische Prostituierte deshalb schon ins Gefägnis gekommen. 40/ amnesty.org/en/latest/news…
Fakt ist, dass unter dem "Fast-Total-Verbot" Nordisches Modell zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Sexworker sind rechtlos. Sie gelten nur als Menschen, wenn sie mit der Sexarbeit aufhören. 41/ amnesty.org/en/documents/e…
Die Verachtung von Prostituierten geht soweit, dass in Schweden eher einem gewalttätigen Vater das Sorgerecht zugesprochen wird als der sexarbeitenden Mutter. Dieser Vater & Partner hat die Sexarbeiterin dann vor den Augen der Sozialarbeiterin ermordet 42/
In Schweden konnte ein Polizist 10 Jahre lang sich öffentlich als Vertreter der "Frauenrechte" darstellen, während er Minderjährige vergewaltigte. Hier eine von vielen Pressemeldungen: 43/ sueddeutsche.de/panorama/schwe…
In Schweden gab es auch Fälle, in denen Polizisten Betroffene von Menschenhandel vergewaltigten und sexuell ausbeuteten. Das alles in einem System, das angeblich die Prostitution abschaffen soll. 44/ euobserver.com/rule-of-law/12…
Und heute: Heute haben wir den Social-Media Star und Autor Simon Häggstrom, der seine Tage auf Escort-Seiten verbringt, um eine Sexarbeiterin für die Überwachtung auszusuchen, um an die Kunden zu kommen. Kann man schön nachlesen auf EMMA. 45/ emma.de/artikel/ein-de…
Das ist vielleicht die Polizeiarbeit, die in einem kleinen, kalten, überwiegend aus Wald bestehenden Land funktioniert (oder auch nicht), aber für das größte Land Europas ist sie ungeeignet. Nicht nur weil sie praktisch scheitert, sondern auch, weil sie Sexworker entrechtet. 46/
Und zuletzt: Wenn die Polizei jeden Tag aufs neue ein paar Sexworker online ausfindig machen muss, deren Grundrechte durch Überwachung verletzt werden, wie oft glaubt ist, dass da Betroffene von Menschenhandel dabei sind? Die Antwort: Selten. 47/
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Gestern gab es 'ne Sendung zu #Prostitution in @ndr mit Huschke Mau, die ein Vergütungsverbot für sexuelle Dienstleistungen fordert, weil sie glaubt, dass Sex gegen Geld geächtet werden soll. Leider ist sie gegangen, ohne auf die Kritik an diese Forderung einzugehen. 1/x
Zu Beginn der Sendung ging es darum, wie Huschke Mau mit 18 vom deutschem Sozialsystem im Stich gelassen wurde. Das ist ein wichtiger Punkt auch für diese Forderung. Denn dieses Problem wird durch ein Vergütungsverbot von Sexarbeit nicht mal annähernd gelöst. 2/x
Sowieso: Wenn Armut, soziale Ausgrenzung, Gewalterfahrungen in der eigenen Familie das Problem sind, dann hat das alles streng genommen nichts mit #Sexarbeit/#Prostitution zu tun. Ein Prostitutionsverbot schafft die Armut nicht ab, es löst keines dieser Probleme. 3/x
Die Emma verbreitet mal wieder Falschbehauptungen in ihrem Kampf gegen selbstbestimmte und legale #Sexarbeit. Es gibt Gesetze gegen Menschenhandel und Zuhälterei. Wenn es dort Mangel gibt, liegt e snicjt am Prostitutionsgesetz. Informieren Sie sich beim @KOK_eV
Geführt hat die EMMA ein Interview mit Helmut Sporer, einem Ex-Polizisten aus Augsburg, der sich dem Kampf gegen Sexarbeit verschrieben hat. Ähnlich wie Manfred Paulus, auch pensionierter Polizist, nutzen sie ihre angebliche Expertise um Stimmung gegen Sexarbeit zu machen.
Sporer kritisiert das Prostituiertenschutzgesetz, weil z.B. keine "regelmäßige Gesundheitsuntersuchung oder die Altersgrenze von 21 Jahren" eingeführt wurde. Im Klartext heißt das: Er möchte Zwangsuntersuchungen wieder einführen, obwohl diese heute als menschenrechtswidrig gelten