Thread by @Hi5_Phil

Ich möchte versuchen die letzten Tage und Situation der #WienEnergie kurz einzuordnen (#PK von #Nehammer). Vorab: Status heute morgen gibt es keinerlei Anzeichen dass spekuliert oder gezockt wurde. Ganz im Gegenteil: Das Geschäftsmodell basiert auf maximaler Risikominimierung.🧵

Freitag explodieren auf den Märkten die Gas- und Strompreise in einem historisch noch nie dagewesenen Ausmaß. Ein paar Zahlen: die kWh hat noch vor 2 Jahren um die 5 Cent gekostet, plötzlich 70 Cent. Die MWh war Freitag plötzlich von auf € 500 auf €1.300. Also plus 800€.

Ursache dafür war eine relativ geringe Strommenge auf der Energiebörse. Sie umfasst etwa ein Sechstel der Energieproduktion der #wienenergie. Auch das zeigt, wie volatil die Märkte derzeit sind.

#WienEnergie bittet Stadt und Bund um Hilfe. Why? Weil sie eine Reihe von Termingeschäften über die nächsten 2,5 Jahre haben. Insgesamt verkauft WE in dieser Zeit rund 4 TWh. Wichtig ist jetzt wie die Energiebörse funktioniert.

Termingeschäft funktioniert so: Käufer und Verkäufer einigen sich auf einen Liefertermin, eine Liefermenge von Strom und einen Preis. Also zb, Heute verkauft WE 2 MWh zu 1.000 Euro mit Lieferziel am 7. September. .

Der Käufer zahlt als vereinbarter Kaufpreis heute 1.000 Euro für die Lieferung von 2 MWh Strom in der Zukunft über ein clearing house in ein Depot bei der Börse. Diese Anfangszahlung heißt Initial margin. Soweit so gut (kurzer Thread!)

Morgen steigt jedoch der Preis für ein MWh von 500 auf 600 Euro. Jetzt muss der Verkäufer (!) die Differenz zahlen. Die heißt Variation Margin.

Wenn der Preis also pro MWh um 100 steigt und wir in unserem Termingeschäft 2 MWh verkaufen, muss die WienEnergie in diesem Fall 200 Euro in das Depot an der Börse als Sicherheitsleistung (also als rückzahlbare Kaution) nachschießen. Why?

Damit die Börse den Handel zu 100% garantieren kann. Sollte der Verkäuferam 7. September den Strom nicht liefern können, liegt genug Geld im Depot damit die Börse den Strom ersatzweise selbst an diesem Tag zum Tagespreis kaufen und als Ersatz die Lieferung garantieren kann.

Ok, alle noch bei diesem sehr kurzen Thread dabei? Sehr gut. Jetzt steigt aber leider übermorgen der Preis sogar auf 1.000 Euro, das heißt der Preis für die 2 MWh Lieferung liegt an diesem Tag jetzt sogar bei 2.000 Euro.

Im Sicherstellungsdepot des Verkäufers bei der Börse liegen aktuell 1.200 Euro also muss die Verkäuferin #WienEnergie an einem einzigen Tag unvorhergesehen nochmal 800 Euro als Sicherstellung (Kaution) “nachschießen”.

Überübermorgen sinkt nun aber der Tagespreis für Strom tagesaktuell wieder auf 600 pro MWh. #WienEnergie bekommt daher an diesem Tag aus dem Sicherheitsdepot aus den hinterlegten Kautionen wieder 800 Euro retour.

Der vereinbarte Kaufpreis bleibt währenddessen die ganze Zeit über bis 7. September stabil und für den Käufer immer derselbe Preis wie am ersten Tag vereinbart.

Wir schreiben den 7. September: WE liefert die 2 MWh und bekommt von der Börse die gesamte (!) Sicherheitsleistung für dieses Geschäft aus dem Depot wieder zurück, die Kaution für dieses Geschäft wird wieder zurückgezahlt, weil das Geschäft erfüllt wurde.

Der Verkäufer hat die vereinbarte Menge 2 MWh Strom zum vereinbarten Zeitpunkt geliefert, der Käufer hat den vereinbarten Preis bezahlt. Das Geschäft ist erfüllt, damit geht die Kaution zu 100% an der Verkäufer zurück.

Genau das passiert die ganze Zeit. Problem: Der Gaspreis ist nicht um 50% gestiegen, sondern in den letzten 2 Jahren über 2.900%. Kein Risikomanagement der Welt kann solche Mondpreise und kriegsbedingten Marktschocks vorhersehen und mit solchen Fantasiezahlen umgehen.

Vielleicht fragt ihr euch jetzt: Warum verkauft die #WienEnergie heute schon Strom für den 1. September 2024? Was soll das? Warum verkaufen sie nicht heute für morgen? Ganz einfach: Um eine 2 Mio Stadt mit Strom, Gas und Fernwärme zu versorgen, muss man langfristig planen.

1. um die gesetzlich vorgesehene Versorgungssicherheit zu garantieren, 2. wegen dem physikalischen Prozess wie Fernwärme hergestellt wird. Fernwärme ist ja eine geniale Technologie um Haushalte mit Wärme zu versorgen (aber das würde in diesem sehr kurzen Thread zu weit führen).

Wichtig ist: Im Kraft-Wärme-Koppelungsprozess wird mit der Produktion von Wärme auch Strom hergestellt (4 Teile Wären ergeben 5 Teile Strom) und umgekehrt Stromproduktion erzeugt Wärmeproduktion, die nicht wie einfach weggeschmissen sondern sinnvoll und nachhaltig verwendet wird

Daher stellt die Wien Energie zB im Winter wenn die Fernwärme eingeschaltet und damit auch mehr Strom produziert wird, mehr Strom her als die Wienerinnen und Wiener (aber auch die nö. KundInnen) selbst verbrauchen.

Und genau diesen überschüssigen Strom, der als “Nebenprodukt” aus der Wärmeerzeugung für die Fernwärme für 400.000 Haushalte entsteht - den verkauft die Wien Energie über die Strombörse.

#WienEnergie verkauft Strom in Strombörse in Form von Termingeschäfte, und die heißen “Futures”, weil die Ware in der Zukunft, “in the future” liegt. Das ist KEINE SPEKULATION, sondern solides Wirtschaften, kontrolliertes Risikomanagement und nachhaltige, langfristige Planung

Der #RundeTisch mit Peter Weinelt und @monikaturyna im @orf hat das sehr gut dargestellt. Danke für die Aufmerksamkeit in diesem (ersten) kurzen Thread.
tvthek.orf.at/profile/Runder…

Das alles ist übrigens bekannt. @KernChri warnt seit Monaten vor genau solchen Situationen.