Thread by @KaenKazui

Wisst ihr was? Ich will über Meritokratie ranten. Also rante ich über Meritokratie. Weil sie eins der grundlegenden Mittel des Kapitalismus ist, das nicht funktionierende System aufrechtzuerhalten. Denn dank Meritokratie wird das System nicht hinterfragt.

THREAD 🧵

https://twitter.com/quarkswdr/status/1565190470761938946

Was bedeutet "Meritokratie"? Nun, effektiv bezeichnet das Wort ein Weltbild bei dem jeder "bekommt, was si*er verdient. Spricht: Wer reich ist, ist reich, weil si*er es wegen Talent oder fleißiger Arbeit verdient. Wer arm ist, di*em fehlen Talent und di*erjenige ist faul.

2/

Meritokratie steht natürlich jeder Idee von systematischer Benachteiligung und Diskriminierung ideologisch gegenüber. Denn Meritokratie sagt: Jede*r bekommt, was si*er verdient. Wer also schlechtere Jobs bekommt, kein Uniabschluss hat oder im Gefängnis sitzt hat es verdient.

3/

Dieses Weltbild wird im Kapitalismus bereits in den Schulen vermittelt, weshalb es selbst in Köpfen, die sich gegen Diskriminierung einsetzen häufig unterbewusst verankert ist.

Erneut: Kapitalismus braucht dieses Weltbild, sonst funktioniert er nicht.

4/

In den Schulen sehen wir es eben an dem, was die Grafik zeigt. Es wird Kindern vermittelt, dass es von ihrer Leistung und ihrem Talent abhängig ist, auf welche weiterführende Schule sie kommen. Dies ist aber - wie die Grafik zeigt - oft nicht der Fall.

5/

Macht auch keinen Sinn, wenn man drüber nachdenkt. Die Kinder sind 10, wenn sie auf die weiterführenden Schulen eingeteilt werden. Viel eher werden meistens drei Sachen beurteilt:
1) Wie gut folgen Kinder Regeln?
2) Wie gut passen sie in bestimmte Bilder?
3) Wer sind die Eltern?

An dieser Stelle mag ich einwerfen: Ja, ich weiß, extra3 ist nicht jedermenschs Sache, aber ganz ehrlich, ich liebe ihre Ach-und-Krach-Geschichte zum Thema Hauptschule.

6/

Und natürlich: Wer Meritokratie wissenschaftlich betrachtet, wird feststellen, dass es vorne und hinten nicht stimmt.

NATÜRLICH haben Kinder aus ärmeren Familien nicht dieselben Chancen. NATÜRLICH werden als "ausländisch" wahrgenommene Kinder benachteiligt.

7/

NATÜRLICH werden Mädchen benachteiligt. NATÜRLICH sind behinderte Kinder ebenso im Nachteil, denen häufig der Zugang zu normalen Schulen komplett versagt wird, weil diese keinen Bock auf Integration haben.

8/

Und das geht eben an den Hochschulen weiter. Während es in Deutschland natürlich nicht so schlimm ist, wie bspw. in den USA, haben wir es auch so: Kinder reicher Eltern können schön auf elterliche Kosten studieren, ohne sich um irgendetwas zu sorgen.

9/

Kinder armer Eltern müssen hoffen, dass sie ausreichend BAFÖG bekommen, müssen dieses später zurückzahlen, dürfen nicht über die Regelstudienzeit und müssen ansonsten nebenbei teilweise 20+ Stunden arbeiten - was sich nicht positiv auf universitäre Leistungen auswirkt.

10/

Und das ist ohne diverse Formen von Diskriminierungen einzubedenken, die es eben an den Schulen sowohl durch Lehrkräfte/Professor*innen, als auch durch Mitschüler*innen/Kommiliton*innen gibt. Sexismus, Rassismus, Queerfeindlichkeit, Ableismus...

11/

Natürlich gilt dabei auch: Wer ärmer ist, ist auch deutlich gefährdeter irgendwo mit dem Recht in Berührung zu kommen. Dass klassische Beispiel - nun, da das #9Euroticket weggefallen ist: Schwarzfahren, weil man keine andere Wahl hat - und die finanziellen und rechtlichen Folgen.

Tatsache ist: Es gibt viele Sachen, die in der Theorie illegal sind, wo diese Regel jedoch praktisch nur für arme Menschen gilt - da reiche sich einfach freikaufen können.

13/

Und das ist wieder ohne inhärente Diskriminierung von Polizei und anderen Institutionen zu bedenken. Das klassische Beispiel: Weiße Menschen und BI_PoC konsumieren illegale Drogen etwa gleich viel. Dennoch werden BI_PoC weitaus häufiger dafür belangt.

14/

Und auch wenn es um das Reichtum selbst geht, sollte rasch klar sein, dass Meritokratie Unsinn ist.

Elon Musk verdient pro Stunde Millionenbeträge. Seine Mitarbeiter in den Werken häufig nur Mindeslohn. Sprich: Er verdient MILLIONENFACH das Geld seiner Mitarbeitenden.

15/

Wenn wir nun nach dem Konzept der Meritokratie gehen würden, würde es bedeuten, dass er die MILLIONENFACHE Arbeit erbringt - was er natürlich nicht tut.

Und natürlich kann man dies auch in kleinerem Rahmen des Kapitalismus betrachten.

16/

Es ist in nicht wenigen Großunternehmen so, dass CEOs und Co. zumindest das 50-100fache der einfachen Mitarbeitenden verdienen. Und nun muss man sich ernsthaft fragen: Erbringen sie wirklich den 50-100fachen Wert für die Firma? Eher nicht.

17/

Fakt ist: Wir leben in einem System, wo die persönlichen Erfolgserwartungen statistisch gesehen sehr proportional zum Erfolg der Eltern stehen. Gibt es Ausreißer? Ja. Aber diese sind die Ausnahme, nicht die Regel.

Wer reiche, erfolgreiche Eltern hat, hat mehr Chancen.

18/

Unter den anderen gilt: Wer weiß, cismännlich, allohetero, ablebodied und neurotypisch ist, hat ebenso mehr Chancen, als Leute, die in einem oder mehreren dieser Punkte von der "Norm" abweichen.

19/

Meritokratie ist letzten Endes ein Märchen, das den Kapitalismus aufrecht erhält. Denn Meritokratie sagt letzten Endes: Kapitalismus ist gerecht. Das Patriarchat ist gerecht. Kolonialismus ist gerecht. Deswegen sollten wir an dem System nichts ändern.

20/

Aber natürlich stimmt das nicht. Das alles ist nicht gerecht. Kapitalismus ist inhärent ungerecht. Kapitalismus ist inhärent gewaltsam. Meritokratie ist ein Märchen, Gehirnwäsche, nichts anderes. Und das sollten wir immer wieder deutlich machen!

21/21