Ich hätte nicht gedacht, dass ich so schnell wieder dazukomme die Rhetorik von Sebastian Kurz zu analysieren. Aber hier sind wir nun. Schauen wir uns sein Verteidigungs-Statement einmal genauer an: #natsanalyse Sebastian Kurz  45 Min.  ·  Nachdem Verfahren in Österreic
"Nachdem Verfahren in Ö...." soll sagen: Das ist nur in Ö so, wie provinziell, ich kenne mich ja aus in der Welt, wo anders würde man mich besser behandeln, würde ich fairer behandelt werden. Jetzt muss ich hier ein Statement abgeben, wie unfair, ungerecht. - er ist das Opfer
"Die Aussagen sind keine Überraschung" - alles easy, ich habe die Kontrolle, das ist keine große Sache, ich wusste, dass es kommt, es bringt mich nicht aus der Ruhe. Kurz versucht hier zu kalmieren und das als völlig erwartbar hinzustellen, als sei es nichts besonderes.
Und dann ein Move, den ich immer wieder beschrieben habe: Sofort in die Offensive.: Schmid handelt unlauter, weil er seine eigene Haut retten will. Insinuiert, dass Schmid lügt und, erraten, Kurz das Opfer ist.
Auch etwas, was wir schon kennen: Es steckt da eine Verschwörung dahinter. Es ist nämlich nicht nur Schmid, der aus aus niederen Motiven auf Kurz abgesehen hat, nein der wahre Feind ist die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.
Ziemlich unverhohlen suggeriert Kurz, dass die Wksta alles daran setzt ihn zu beschädigen, unabhängig dessen was wahr ist. Er sagt also, dass die Ermittlungsbehörde nicht einfach ermittelt und dann Schlüsse/Belege präsentiert, sondern es aus anderen Motiven auf ihn abgesehen hat.
Wir erinnern uns an die Kampagne rund um die "roten Netzwerke in der Justiz", die sich gegen ihn verschworen haben. Das hat es Kurz erlaubt selbst als mächtiger Kanzler eine Opfer-Erzählung zu spinnen. Es ist das analoge Narrativ zum "Deep State" von Trump.
Dann kommt ein, zugegeben gekonnter, Untergriff gegen Schmid: "Bekanntlich jeder Lebensbereich" ist eine Insinuation. Alle wissen was gemeint ist, aber aus dem reinen Wortlaut kann man die Intention nicht ablesen. Es geht um, nunja, intime Fotos, die angeblich am Handy waren.
Um dann vermeintliche Hard Facts zu präsentieren: Es gibt keine Chatnachrichten, also kann es nicht passiert sein. Kurz simplifiziert, verzerrt und macht Widerspruch auf den es nicht gibt. Es ist ein Strohmann. Es wird nicht behauptet, dass Anweisungen direkt via Chat erfolgten.
Pi-mal-Daumen-Regel: Alles vor dem "Aber" kann man in so einem Statement streichen: "Jeder hat das Recht (...), aber..." Vermeintlich großzügig, aber eigentlich will er sagen, dass Schmid nicht unter dieses Recht fällt, dass Kurz proklamiert.
Im Gegenteil: Kurz wiederholt recht unverhohlen, dass Schmid lügt und zwar nur, um sich selbst zu retten. Und dass er damit eigentlich das Recht auf Meinungsäußerung missbraucht. Das ist der Trick bei diesen "...,aber.."-Aussagen, eigentlich meint man, dass es nicht zutrifft.
Interessant auch, wie Kurz bei "eigenem Fehlverhalten" bleibt, wenn er über Schmid spricht. Soll heißen: Schmid ist alleine Schuld, er hat alles zu verantworten und er ist der Drahtzieher. Kurz hat damit nichts zu tun und wird jetzt reingezogen, damit Schmid sich retten kann.
Es ist ein bisl paradox, aber Kurz' Strategie ist die eines umgekehrten Bauernopfers. Nicht die Oberen putzen sich nach unten ab, sondern die Unteren haben alleine was ausgeheckt und putzen sich jetzt an den unschuldigen und von nichtswissenden Oberen ab. Kurz ist das Bauernopfer
Das passt halt sehr gut zu seiner Strategie des niemals-Augenhöhe- zulassens: Entweder Kurz ist der Märtyrer oder er ist das kleine, bescheidene Hasi, der nichts wusste. So auch hier: Messias und/oder Opfer, was anderes geht nicht.
(jaja, das ist schon wieder zu lang - warum machst du keinen Blog, das ist so anstrengend zu lesen, dafür ist Twitter nicht da, dies das)
Weiter Angriff gegen Schmid. Und zwar im Stil eines TV-Anwalts im Kreuzverhör: "Herr Schmid, Sie haben selbst gesagt gelogen zu haben, warum nicht auch hier, schachmatt!"
Das ist ein Zirkelschluss. Schmid hat einmal gelogen - also lügt er immer - also lügt er hier - also bin ich unschuldig - also ist das eine Kampagne - Verschwörung!
Zumal Schmid ja selbst angegeben hat wo er wann und aus welchen Gründen wen angelogen hat. Das ist nicht der Gotcha!-Moment, den Kurz offenbar verzweifelt sucht.
(wow ist das ein schlechter Moment für holpriges Internet, liebe Deutsche Bahn)
Dann versucht sich Kurz im Vernebeln: Eine Meinungsforscherin, die er nicht kennt. Aber das ist nicht d Vorwurf, da es hier nur um eine Zuarbeiterin einer anderen Meinungsforscherin geht, die massiv beschuldigt wird. Diese war gemeinsam mit Kurz in einer Regierung als Ministerin
Seine Geschichte: Er kann mit der Sache nichts zu tun haben, weil er Beinschab nicht kennt.
Vorwurf: Karmasin hat eine entscheidende Rolle gespielt in der Koordination, Beinschab hat ausgeführt.
Spannend wäre also Verhältnis Kurz - Karmasin
Diese seltsame und sehr wackelige Art der Verteidigung erreicht ihren Höhepunkt mit den schrägen Zahlenspielen. Hier sieht man die Nervosität, die bei Kurz offenbar herrscht und die sich in offensiver Arroganz ausdrückt:
Er listet all jene Organisationen und Institutionen auf, in denen er eine Führungsrolle einnahm, um zu belegen, dass er sich an zig anderen Geldtöpfen bedienen hätte können.
Es ist offensichtlich warum das keine gute Verteidigung oder ein Beleg für seinen Charakter ist, ja?
Kurz stellt sich als Alleinherrscher über zig Budgettöpfe hin, so dass er ein paar läpprige 10.000 Euro aus dem Finanzministerium gar nicht nötig hätte. Als ob er Gelder nach Gutdünken und im Alleingang einfach ausgeben hätte können. Es geht zudem auch um politische Komponente.
Der Reihe nach: diese Umfragen haben belegt wie toll Kurz und wie furchtbar Mitterlehner ist. Selbstverständlich kann man so eine Umfrage nicht einfach über die ÖVP oder eine Vorfeldorga spielen - das wäre ganz offensichtlich ein Putsch. Plump.
Selbstverständlich darf es auch nicht in der direkten Einflusssphäre von Kurz sein, da auch hier der Putsch-Verdacht schnell da wäre. Es brauchte also einen scheinbar "neutralen" Akteur, der ohne Hintergedanken einfach mal Sachen abfragen lässt und, huch, Kurz ist der Beste.
Natürlich hat es das Finanzministerium quasi als Waschmaschine gebraucht, damit der Putsch-Gestank verschwindet.
Dass Kurz gleichzeitig glaubt er könne zb über 500 Mille im Außenministerium verfügen wie er will, ist eine Selbstoffenbarung. Eine ungewollte halt.
"Ich freue mich darauf,..." Er freut sich nicht.
Das ist wie, wenn man unter eine Beschwerdemail "Mit freundlichen Grüßen" schreibt. Es ist eigentlich ein ausgestreckter Mittelfinger.
Am Schluss wieder die Klammer mit dem wahren Ort von Recht und Unrecht. Bisl treuherzig, nachdem er die Wksta quasi beschuldigt hat ihren Job nicht korrekt auszuführen.
Aber auch das im Duktus des Erduldens und Erleidens. Er ist das Opfer. Er muss sich herab begeben sich mit diesem Schmutz auseinander zu setzen. Dabei sieht es Kurz überhaupt nicht als seine Verantwortung für Aufklärung zu sorgen.
Der Schaden für die Republik, die Institutionen, die Steuerzahler_innen wird nicht einmal anerkannt. Es kann nur ein Opfer geben und das ist er selbst. Und das Mastermind hinter der Verfolgung des Sebastian Kurz ist Thomas Schmid und die Wksta.
Long story short: Kurz macht was er immer macht: Opfer-Narrativ, Offensive, Verschwörung , keine Augenhöhe, keine Bereitschaft real auf Sachbasis zu diskutieren. Alles mit arroganter Großmut, die suggeriert wir müssten dankbar sein, dass er überhaupt zu uns spricht.
Ende. Danke fürs Lesen.

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Oct 19
Es wird noch sehr detailliert und verwirrend werden. Aber das Wichtigste, was man über Österreich wissen muss: Der radikalisierte Konservatismus, den das System Kurz repräsentiert, bestand/besteht aus einem mafiösen Netzwerk, das für den eigenen Vorteil den Staat ausgenommen hat.
Dabei wurden formale wie informelle Grenzen bewusst übertreten. Materielle Vorteilsnahmen zu eigenen Gunsten oder der, der Spender wurden mit erbarmungslosen Kulturkampf begleitet. Es gab kein Überdrehen und nichts was man nicht bereit war zu tun.
Ich weiß gar nicht wo ich Anfangen soll diese Übertritte und Verschiebungen des Kulturkampfs aufzuzählen: Die abgesagte Gedenkfeier in Mauthausen? Die Abschiebung der Kinder? Die jahrelange Kampagne gegen Arbeitslose?
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Oct 19
Übervoller Zug, 6 Stunden Regensound in den Kopfhörern und der Versuch zu arbeiten - Darmstadt, Dachau, Salzburg, ich komme. So es die Deutsche Bahn will.
Muss gleich relativieren: Deutsche Bahn hat mir für die morgige Reise ein 1. Klasse-Upgrade für 9,9€ angeboten - ich fahre morgen mit der Elite-Zug 👑 Ich hoffe der Zug fährt auch
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Oct 18
Österreich - es wird nie fad.

Thomas Schmid war eigentlich im Zentrum der Anschuldigungen. Das ist der mit den SMS („Hure der Reichen“, „kriegst eh alles was du willst“ dies das). Jetzt will er Kronzeuge werden.
Wahrscheinlich haben viele schon den Plot vergessen, in aller Kürze (haha): Mehr so zufällig kommt die Justiz an ein Handy (von Schmid), wo einfach jahrelange Kommunikation aus dem Innersten der Regierungen Kurz drauf ist. Bei den Auswertungen kommt Verdacht auf Korruption raus.
Inserate, Bundesländer aufhetzen, Beschimpfungen gegen alles und jeden und der Verdacht, dass Menschen (Schmid) nur installiert wurden, um Intrigen zu spinnen und den Weg politisch frei zu räumen für Kurz („Ich liebe meinen Kanzler“).
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Sep 27
Der ÖBB-Zug wird nach 7h50min Fahrzeit durch 5 Bundesländer und 4 Staaten, inklusive Zugteilung mit 20 Minuten Verspätung ankommen und hier an Board sind die Menschen merklich entsetzt. Das ist man nicht gewohnt.
Wir hatten die ganze Zeit Strom, WLAN und alle Reservierungen waren da. Für die 20 Minuten Verspätung hat man sich ausdrücklich entschuldigt. Achja: Kostenpunkt 50€ mit Klimaticket. Ich sag nur, ich sag nur wie es auch sein könnte. Looking at you Deutsche Bahn.
(Ich bin nur zurück gekommen um die Deutsche Bahn zu dissen. Ich hatte letztens auf einer 1 1/2 Stunden-Strecke 1h Verspätung 🫠)
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Jul 8
Österreich kürzt den Ärmsten das Geld. Das Schulstartpaket für Mindestsicherungsbezieher_innen wird um satte 20% von 100€ auf 80€ gekürzt. Und das in diesen Zeiten. Das Schulstartpaket gehört eigentlich erhöht! Mindestsicherung ist das aller letzte soziale Netz.
Hier übrigens der Beleg. Screenshot 1 aktuelle Seite des Sozialministeriums. Screenshot 2 Presseausdendung letztes Jahr. Screenshot 2 Minister letztes Jahr. Beides öffentlich googlebar. (Markierungen von mir) Gut hat im Schuljahr 2022/2...Im Schnitt beträgt der Prei...
Es geht übrigens um ca 1 Millionen Euro. Mit 2 Millionen Euro hätte man das Paket schon um die Inflation erhöht. Nur damit klar ist von welchen Größenordnungen wir hier reden. Ihr könnt ja schauen für was die Regierung sonst so 1 Mille hat.
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