#Antifa2020 Prozess heute in Wien! Nächster - und vermutlich letzter - Verhandlungstag. Angeklagt sind 7 linke Antifaschisten. Ihnen wird vorgeworfen, bei drei Gelegenheiten extreme Rechte und Faschisten tätlich angegriffen zu haben. Ich berichte vom Prozess aus Wien!

#w2010
Der Verfassungsschutz hatte zuerst sogar wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Zur Anklage kam es nicht. Die Verteidigung kritisiert das "völlig überzogene Ermittlungsverfahren". Der "Mafiaparagraf" sei nur bemüht worden, um weitreichende Ermittlungen zu führen.
Alle Angeklagten sind unbescholten. Die Richterin verließt das bisher verhandelte. Die Akustik im großen Schwurgerichtssaal ist - wie immer - völlig indiskutabel. Die Richterin ist kaum zu verstehen. Wann werden da endlich genügend Lautsprecher eingebaut?
Gezeigt werden jetzt Videos, die den Einsatz eines Feuerlöschers zeigen. Das wird Angeklagten vorgehalten. Auf dem Video ist kaum etwas zu erkennen. Als Abschluss ist auf dem Bildschirm ein Bild einer Katze zu sehen. Erheiterung im Saal.
Der Feuerlöscher mit Farbe soll im Eingangsbereich des extrem rechten Zentrums Wien, Florianigasse/Fuhrmannsgasse 18a zum Einsatz gekommen sein. In diesem Haus sitzen deutschnationale Verbindungen sowie die einschlägige "Österreichische Landsmannschaft".

Ein Polizist, der per Video zugeschalten wird, sagt als Zeuge aus, dass einer der Angeklagten eine Uniform der Wiener Linien getragen hätte. Auf Nachfrage der Richterin weiß er aber nicht, ob auf der vermeintlichen Uniform Wiener Linien gestanden wäre.
Der Polizist hat einen angeblichen linken Sammelpunkt vor einer der angeklagten Taten observiert. Er will dort zwei Angeklagte erkannt haben. Dort sei "nix großartig aufregendes" passiert. Einige Personen seien aufs Klo gegangen. Wer danach wo hingegangen sei, wisse er nicht.
Konkrete Tätlichkeiten hätte der Polizist nicht beobachten können. Die Richterin hält dem Polizisten die Aussage eines anderen Polizisten vor, der ausgesagt hatte, dass ein Kollege von ihm (mutmaßlich der jetzt aussagende) Tätlichkeiten gesehen hätte. Er bleibt bei seiner Aussage
Einige (zwei?) Angeklagte wären der Behörde bekannt gewesen, im Vorfeld der Observierung wären Lichtbilder gesichtet worden. Es hat (wenn ich es richtig verstanden habe) offenbar schon länger eine Observation gegeben.
Die Akustik im großen Schwurgerichtssaal im Landesgericht Wien ist indiskutabel. Die Richterin hört die Anwälte nicht, muss immer wieder nachfragen. Der per Video zugeschaltene Zeuge hört die Staatsanwältin nicht. Die Zuhörer:innen hören so gut wie gar nichts. Das geht nicht.
Nächster Vorhalt: Identitäre, darunter Sellner und Christian C., seien am Weg zu einem Aufmarsch der Identitären vor der griechischen Botschaft in Wien von Linken attackiert worden. C. war bewaffnet. Er ist auch Eigentümer der IB-Zentrale in Wien.

Hier findet ihr meine Hintergrund-Recherche zum Identitären-Zentrum in Wien!

standpunkt.press/widerstand-geg…
Das Beweisverfahren ist hiermit geschlossen. Jetzt ist die Staatsanwältin am Wort. Zum Vorfall am Karlsplatz sagt die Staatsanwältin, dass dem Identitären C. sein Messer nur aus der Tasche gefallen sei.
Ein Angeklagter sei unter anderem über seine Northface-Jacke identifiziert worden. Eine solche sei später beim Angeklagten gefunden worden. Anmerkung: Es wäre allerdings sogar eher überraschend, wenn bei einem jungen autonomen Linken keine Northface-Jacke gefunden worden wäre.
Anwalt 1: Sein Mandat sei mittels Sturmgewehr verhaftet worden. Hier wäre von der Behörde bewusst ein Bedrohungsszenario konstruiert worden. Sogar ein Polizist hätte ihm gesagt, dass das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz sich hier verrant hätte.
Der Anwalt weist darauf hin, dass er selbst ebenfalls eine Northface-Jacke besitzen würde. Ein LVT-Offizier hätte ausgesagt, dass Wiener Linke nach dem Vorfall verstärkt Northface-Jacken tragen würden. Diese Behauptung sei schlicht absurd.

Es sei bekannt und durch Tweets belegt, welche Gewaltfantasien der Identitäre C. gegen Linke hegen würde. Wenn so jemand mit einem Messer in eine linke Kundgebung marschieren würde, wäre die Reaktion Putativnotwehr. Auch ein Polizist hätte gesagt, dass Rechte angegriffen hätte.
Die Behörde würde im #Antifa2020 Prozess eine kriminelle Vereinigung, eine RAF 2.0 - ein Schreckgespenst - konstruieren, so der Anwalt Hier wäre ein immenser Aufwand konstruiert worden, tatsächlich ginge es um ein paar Watschen. Bei einem Zeltfest würde es schlimmer zugehen.
Er plädiert für Freispruch im Zweifel.

Der Anwalt des nächsten Angeklagten weist sinngemäß darauf hin, dass die Angeklagten nicht ausgesagt hätten, weil sie die Grundannahmen des Verfahrens ablehnen würden.
* verrannt
Der Vorwurf des Sprengens einer Versammlung sei haltlos, weil am Karlsplatz ja keine rechte Versammlung stattgefunden habe. Die Rechten hätten als Zeugen ausgesagt, dass sie nicht direkt zu ihrem Aufmarsch unterwegs gewesen seien. Keine Versammlung könne nicht gesprengt werden.
Das Verfahren hätte nicht beweisen können, dass Angeklagter G. eine Tathandlung gesetzt hätte. Angeklagter N. sei nicht einmal am Karlsplatz gewesen. Die Einvernahme eines dazu als Zeugen beantragten Sanitäters sei vom Gericht abgelehnt worden. Das LVT sei am rechten Auge blind.
Im Saal sind auch Identitären-Kader Jakob Gunacker und eine Frau, die offenbar zu ihm gehört. Die Identitären-Plattform Heimatkurier jammert.
Alle sieben Angeklagten im Wiener #antifa2020 Prozess werden verurteilt - es gibt allerdings Freisprüche für einzelne Angeklagte in Teilbereichen.
Alle sieben angeklagten Antifaschisten werden im Wiener #antifa2020 Prozess verurteilt, Freisprüche in Teilbereichen.

5 × Freiheitsstrafe 5 Monate bedingt
1 × Freiheitsstrafe 4 Monate bedingt
1 × Freiheitsstrafe 14 Monate bedingt
1 × 400 Euro Schadensersatz

Nicht rechtskräftig
Eine Einschätzung zum Verfahren: Ich hätte mit mehreren Schuldsprüchen gerechnet, aber auch mit zumindest 2 Freisprüchen. Bei 2 Personen war mE nicht nachweisbar, dass sie beteiligt bzw sogar am Tatort waren. Die Richterin hat - auffallend - da auch das Urteil nicht begründet.

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Oct 19
Worüber wir auch mal reden müssen: Dass Schmid aussagt, dass der Deal "Inserate gegen Berichterstattung" zwischen ÖVP und Österreich von der Faymann-SPÖ abgekupfert war. Tatsächlich gab es in dieser Zeit teils etliche Seiten Inserate pro Ausgabe im Verantwortungsbereich Faymann.
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