Weil ich gerade anscheinend ein bisschen Aufmerksamkeit habe, hier ein Thread mit Forderungen zur Entkriminalisierung von Sexarbeit. Vorausschicken möchte ich: Vergewaltigung+Menschenhandel sind keine Sexarbeit und auch nicht "Prostitution", sondern Gewalt. Ich komme da später...
nochmal drauf zurück. Entkriminalisierung ist der einzige Weg, um Sexarbeiter*innen zu unterstützen und zu schützen. Das derzeit geltende Prostituierten"Schutz"Gesetz (ProstSchG) verletzt die Würde und die Selbstbestimmung von Sexarbeitenden und muss abgeschafft werden.
Das ProstSchG zwingt Sexarbeiter*innen dazu, einen sogenannten "Hurenpass" zu tragen, sich einer verpflichtenden "Gesundheitsberatung" zu unterziehen, um arbeiten zu dürfen. Deutschland, ein Land, das eine grausame Geschichte mit der Erfassung von Menschen auf Listen hat...
führt ein Register aller Sexarbeitenden, einsehbar für Polizei und Behörden. Für viele Sexarbeiter*innen, insbesondere Migrant*innen ist eine Anmeldung gar nicht möglich, wenn sie keine Arbeitserlaubnis haben oder "illegal" hier sind. Ohne Anmeldung gehen sie der Sexarbeit...
also illegal nach. Das bedeutet, dass sie nicht in Bordellen arbeiten dürfen (wo der "Hurenpass" Pflicht ist), sondern auf sich gestellt zb auf dem Straßenstrich arbeiten, wo sie nachweislich mehr Gewalt ausgesetzt sind. Als nicht-registrierte Sexarbeiter*innen haben sie...
keine Möglichkeit, bei erfahrener Gewalt zur Polizei zu gehen. Auch Opferberatungsstellen wie zB der "Weiße Ring" verweigern nicht-registrierten Sexarbeiter*innen häufig die Unterstützung, da sie illegal arbeiten. Das ProstSchG erlaubt es der Polizei...
...die Wohnungen und Arbeitsplätze von Sexarbeiter*innen jederzeit und unangemeldet zu betreten und zu "besichtigen". Das ProstSchG war niemals zum Schutz, sondern immer nur zur Regulierung und Kontrolle gedacht...
Auch die Behauptung, die persönliche behördliche Anmeldung würde es Opfern von Menschenhandel ermöglichen, sich der Amtsperson anzuvertrauen, ist absurd. Weder gibt es ausreichend Gewaltschutzplätze in Deutschland, also auch kaum Möglichkeit zur akuten Hilfe...
noch ist dieser bürokratische Akt ein vertrauenschaffender Rahmen. Im Gegenteil bekommen Opfer von Menschenhandel durch die Anmeldung suggeriert, ihre Situation sei staatlicherseits legitimiert. Was es braucht sind sichere Aufenthaltsbedingungen, bezahlbaren Wohnraum,...
Gesundheitsversorgung und ein Ende des Stigmas. Das "Hurenstigma" ist real, Sexarbeiter*innen gelten entweder als unmündige, stumme Opfer, die sich nicht wehren können, oder aber als geldgierige, gefühlskalte "Schlampen". Als gleichberechtigte, selbstbestimmte Personen werden...
sie selten angesehen. Dabei ist die Debatte von einer Moralvorstellung geleitet, in der es "guten", d.h. in monogamen (idealerweise heterosexuellen) Paarbeziehungen stattfindenden Sex, und "bösen", also gegen Geld stattfindenden Sex gibt...
Die Behauptung, Sex gegen Geld sei grundsätzlich Gewalt, suggeriert nicht nur, dass unbezahlter Sex per se gewaltfrei sei, sie negiert auch die tatsächlich !innerhalb! der Sexarbeit passierende Gewalt. Wer sagt "Prostitution ist bezahlte Vergewaltigung", sagt damit auch...
das Sexarbeiter*innen, die Gewalt während der Arbeit erleben, sich nicht wundern brauchen. Es ist für Sexworker fast unmöglich Gewalt durch Kunden oder Passant*innen (von Polizeigewalt ganz zu schweigen) anzuzeigen, einmal weil ihnen nicht geglaubt wird, aber auch, weil...
die Auffassung von Sexarbeit als ohnehin gewaltvoll vorherrscht.
Sexarbeiter*innen sind so vielfältig wie die Dienstleistungen, die sie anbieten. Natürlich gibt es die von SWERF gern angeführte kleine Gruppe der "privilegierten weißen Dominas", die der Sexarbeit nur zum Spaß nachgehen, die Mehrheit der Sexarbeitenden sind allerdings...
nicht privilegiert, häufig migrantisiert und sie machen die Arbeit, um Geld zu verdienen, so wie die meisten Menschen arbeiten, weil sie Geld verdienen müssen. Sexarbeiter*innen haben wie alle anderen ein Recht darauf, ihrer Arbeit in Würde nachzugehen und verdienen sichere...
Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen. Es braucht Aus- und Weiterbildungsangebote für die, die etwas anderes arbeiten oder sich innerhalb der Branche neu orientieren möchten. Aber vor allem braucht es auch ein Ende der Kriminalisierung und des Stigmas. Sexarbeiter*innen...
sind Nachbar*innen und Kolleg*innen, sie sind Eltern und Freund*innen, Verwandte und Vereinsmitglieder. Sie sind überall, sie waren immer hier und werden immer sein. "Wir" müssen "unsere" Moralvorstellungen aus der Debatte raushalten und dürfen unsere persönlichen Empfindungen...
nicht auf andere projizieren. Hört Sexarbeiter*innen zu, bezieht sie ein. Keine*r spricht für alle, aber es gibt Selbstorganisationen, die es verdienen gehört zu werden, wie @SWAG_Berlin, @RedUmbrellaSwe, @sxworkerunion, @transsexworks oder @swunconference. Seid Verbündete...
unterstützt Selbstvertretungen und Hilfsorganisationen wie @hydra_berlin, die Dortmunder Mitternachtsmission, OLGA Berlin und weitere Gruppen, die niedrigschwellige Angebote machen, ohne sie an Bedingungen zu knüpfen. Seid Verbündete, demonstriert am 2. Juni und #endthestigma.

• • •

Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh
 

Keep Current with Der Hase im Pfeffer

Der Hase im Pfeffer Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

PDF

Twitter may remove this content at anytime! Save it as PDF for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video
  1. Follow @ThreadReaderApp to mention us!

  2. From a Twitter thread mention us with a keyword "unroll"
@threadreaderapp unroll

Practice here first or read more on our help page!

More from @pfefferhasi

Oct 25
Dass @EMMA_Magazin sich für @saschalobo entscheidet, statt zb für Jordan Peterson, Dieter Dehm oder das fucking gesamte Regime im Iran - erwartbar, nachdem Lobo es gewagt hatte Huschke Mau zu widersprechen. Bemerkenswert finde ich vielmehr das Framing hier. Mit der Unterzeile... Cover der aktuellen "EMMA" Ausgabe.
"Kolleg*in Lobo, keine*r ist so feministisch wie du" wird Lobo, der (as far as I know) endo cis Mann ist, als non binary hingestellt. Lobo ist (wenn überhaupt) Kollege, nicht Kolleg*in, aber so kann EMMA in einem Text über einen cis Mann, die verhasste trans* Community...
unterbringen. Lobo, living his best cis hetero life, gehört wahrscheinlich zur privilegiertesten Gruppe, kann aber aus EMMA-Sicht viel besser gehasst werden, wenn er in die Ecke der "Translobby" gerückt wird. Also dichtet man ihm ein Sternchen an für die Extraportion Grusel...
Read 8 tweets
Oct 19, 2021
Der @KiWi_Verlag veröffentlichte gestern Abend auf Instagram dieses Foto mit den Hashtags "Burkini" und "Talibancamp". Warum das nicht nur geschmacklos ist, sondern Kracht und Malchow als schlechte Verlierer entlarvt: kurzer Thread
#buchpreis
Der @KiWi_Verlag postete das Bild von Christian Kracht und Helge Malchow nachdem der @Buchpreis an Antje Rávik Strubel verliehen wurde. Kein Glückwunsch an die Gewinnerin, sondern die Caption "Symbols are more meaningful than things themselves".
Das lässt den Schluss zu, dass die Entscheidung der @Buchpreis Jury eine "symbolische" sei. Im gerade gekürten Roman des Jahres "Blaue Frau" geht es um die Vergewaltigung einer tschechischen Frau durch einen deutschen Kulturmanager.
Read 4 tweets

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just two indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3/month or $30/year) and get exclusive features!

Become Premium

Don't want to be a Premium member but still want to support us?

Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal

Or Donate anonymously using crypto!

Ethereum

0xfe58350B80634f60Fa6Dc149a72b4DFbc17D341E copy

Bitcoin

3ATGMxNzCUFzxpMCHL5sWSt4DVtS8UqXpi copy

Thank you for your support!

Follow Us on Twitter!

:(