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Nov 3 11 tweets 3 min read
Der traurige Fall der hirntoten Radfahrerin und der möglicherweise die Hilfe verzögernden Proteste ist ein gutes Beispiel dafür, dass Menschen (und menschengemachte Medien) Informationen nicht neutral wahrnehmen und gewichten, sondern entlang eines bereits bestehenden Narrativs.
Obwohl völlig unklar war, was genau passiert war, wurden die Aktivist:innen sofort heftig zu ihrer Schuld befragt. Nun scheint sich herauszustellen, dass der Protest wohl keine direkte, maximal indirekte Schuld an verspäteter Hilfe hatte. Unklar, was das medizinisch bedeutete.
Dass die beteiligten Feuerwehrleute selbst davon sprechen, dass sie schwer durch den Stau kamen, weil die Autos nur "etappenweise" Platz machten, dass dies und viele von Autos Verletzte die tägliche Normalität sind, wird egal bleiben. Die Aktivist:innen müssen sich erklären.
Warum? Weil dieser theoretische traurige Fall seit Monaten rauf- und runterdiskutiert wird. Ob er jetzt eingetreten ist? Man weiß es nicht. Aber man erzwingt zur Not, dass die Erzählung endlich wahr wird, damit man Gut und Böse klarer verteilen kann. #ambiguitätstoleranz
Wie auch der Diskurs um die Museumsaktionen bis in Qualitätsmedien und Regierungskreise von der Unschärfe aka Falschbehauptung geprägt war, die Kunstwerke wären zerstört worden oder direkte Ziele des Angriffs gewesen: Einfach die bessere, leichtere, skandalisierbarere Geschichte.
PS. Ich finde, ganz vorsichtig formuliert, die @AufstandLastGen sollte diese Art von Protesten im Straßenverkehr mindestens aus Pietät aussetzen, oder besser gleich für immer so weiterdenken, dass der einwandfrei belegbare Schuldfall niemals eintritt.
PPS. Ihre Kanäle sehen übrigens so aus. Image
»Dass ein ganzes Mediensystem sich gegen uns wenden würde, damit haben wir nicht gerechnet.« spiegel.de/politik/erklae…
Ich finde es schlicht beängstigend, dass eine SPD-Innenministerin mittels unbewiesener Vorwürfe an gravierenden Straftaten eine Gruppe von Aktivist:innen öffentlich zum Abschuss freigibt. Merkt eigentlich noch jemand was?
Die @LetzteGen hat leider völlig Recht: eine Woche wurden sie heftigst attackiert, von Journalist:innen und Spitzenpolitiker:innen, und am
Ende ohne jede Grundlage. Was für eine Shitshow. m.faz.net/aktuell/politi…

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Nov 4
Die tieftraurige Ironie ist doch, dass die Bewegung, die sich unter persönlichem Risiko dafür einsetzt, dass mit der simplen Maßnahme Tempolimit Verkehrstote verhindert werden, sich unberechtigten Vorwürfen erwehren muss, Verkehrstote zu verursachen.
Die zweite traurige Ironie ist, dass eine Bewegung für das Blockieren von Verkehr kritisiert wird, weil sie auf Politik einwirken will, die die existenziell dringende Reformierung des Verkehrs seit Jahrzehnten blockiert.
Die dritte traurige Ironie ist, dass eine Medienlandschaft daran scheitert, diese Proteste faktisch korrekt abzubilden und analytisch einzuordnen, die seit Jahrzehnten daran scheitert, die Klimakrise in Faktizität und Wirkmacht angemessen zu vermitteln.
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Nov 3
Wenn es besonders bedrückend wird, besonders heftig gestritten wird, hilft manchmal auch guter Journalismus. So wie dieser hier.
Klarer ist: es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Bewertung in einem konkreten Fall anders ausfällt. Irgendwann wird ein Protest gravierende Folgen haben. Die Frage ist doch: darf man das riskieren? Und vor allem: wie groß ist dieses Risiko relativ zur Restrealität?
Read 4 tweets
Sep 30
Alles, was Putin heute gesagt hat, kann man als Befreiungsschlag einordnen, um innenpolitisch zu überleben. Seine Rede richtet sich nicht an die Welt, sondern seine eigenen Hardliner. Ihm Lügen und Hass vorzuwerfen ist wie einem Kindergärtner infantile Sprache anzukreiden.
Wie viele Putins braucht es noch, damit so eine Rede nicht mit einem empörten Faktencheck von „Experten“ im Westen begegnet wird?
Und dass er eine andere Realität konstruiert, in der einiges verdreht ist, macht ihn auch nicht „verrückt“ oder „durchgedreht“. Die Pathologisierung von faschistoider Rhetorik mag trösten, erschwert aber nur ihre Analyse.
Read 7 tweets
Jul 27
Man muss irgendwie damit umgehen, dass der Chef der umfragenstärksten Partei Deutschlands eine unbelegbare „Zensurkultur“ problematischer sieht als die von „Öko-Lobbyisten“ bekämpfte, final bewiesene, heute schon täglich Menschen tötende Selbstzerstörung unserer Spezies.
Man muss vor allem damit umgehen, dass ihn Millionen Menschen in diesem Land genau dafür wählen. Kontrafaktische Trotzpolitik hat auch hier Konjunktur, die sieht nur anders aus als anderswo.
Was mir angesichts der ärgsten Realitätskündigungen aus der sog. Mitte heraus hilft: sie drehen so hohl, weil sie genau wissen, dass sie langfristig verlieren. Es sind Rückzugsgefechte: Hässlich, ermüdend, destruktiv. Aber die Richtung ist eindeutig.
Read 4 tweets
Jul 27
1: Wenn morgen Aliens landen um die Menschheit zu versklaven, gibt es übermorgen offene Briefe zu ihren Gunsten. Danach Interviews, Gastbeiträge, TV-Auftritte: "Debatte". Enorme diskursive Energie verschwindet im schwarzen Loch eines Vulgärpluralismus, der erlaubt, was erregt.
2: Das akute Problem unserer Aufmerksamkeitsökonomie: sie belohnt Amplituden in alle Richtungen. Zum guten&schlechten, redlichen&unredlichen, kompetenten&inkompetenten. Es gibt kaum negatives Kapital/Sanktionen, es gibt nur Gewinn&Rendite für teilnehmende Akteure&Medien.
3: Selbst wer in einem Medienmilieu nicht mehr satisfaktionsfähig ist, bekommt zur Not eine Kolumne bei der WELT. Wer nicht in Talkshows eingeladen wird, verschärft den Ton, bis wenigstens Servustv oder Hartaberfair. Ein Satz/Clip wird es schon zurück in den Mainstream schaffen.
Read 8 tweets
May 30
1: Es ist einer dieser „Aufreger“, den man erst ignorieren, dann durch genaue Betrachtung entschärfen will – der aber leider immer großer und hässlicher wird, je näher man hinschaut: Kanzler Scholz und der mögliche NS-Vergleich.
2: "Zeit, die lange zurück liegt, und Gott sei Dank" – ein Vergleich mit Hitlers SA? Trug braune Hemden. Die SS? Trug schwarz, war aber eher im Geschäftsbereich Terror tätig. Der schwarze Block? Noch nicht vorbei. Die RAF? Hat gebombt, nicht gestört. Alles nicht so optimal.
3: Scholz` Sprecherin lässt die Gelegenheit, die Sache zu klären, wortreich verstreichen. Welche andere Zeit war gemeint? Kein Kommentar, doch: "abstrus" sei die Möglichkeit des NS-Vergleiches.
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