Es gab zwei Vorhersagen:

1. Elon Musk wird Kraft seines Genies, seines Geschäftssinns und mithilfe des freien Marktes Twitter entfesseln.

2. Elon Musk treibt Twitter an den Rand der Pleite, Mitarbeiter und Werbepartner werden scharenweise kündigen.

Nun…
Und es gab zu jeder Vorhersage sehr fest umrissene Gruppe, die „ihre“ Vorhersage unterstützen. Die Konfliktlinie verläuft entgegen aller sozialwissenschaftlichen Theorien zu Schicht, Milieu und Gruppen streng entlang von „links“ und „rechts“. Alles sehr interessant.
Und beinahe alles, was „links“ prophezeit hat, ist eingetreten. Fast alles, was „rechts“ vorgetragen hat, entspricht demselben magischen Denken („Technologie-Offenheit“, „Innovation“, „Disruption“, „Zensur“, „Meinungsfreiheit“) wie in allen anderen politischen Debatten auch.
„Der Markt“ als spieltheoretisches Feld, menschliches Verhalten, werbewirtschaftliche Prinzipien („Brand Safety“, „Retention“), die Natur der Technologie-Entwicklung und vieles andere lassen sich kurzfristig umkrempeln. Auch nicht mittelfristig.
Musk ist mit denselben Mitteln erfolgreich geworden wie Trump auch. Es sind dieselben Mittel, mit denen Investment-Boys, MLM, Bitcoin-Bros operieren. Mit massivem Ressourceneinsatz Infrastruktur aufkaufen, Mitarbeiter verbrennen, Anleger täuschen, Dienstleister prellen.
Musk und Trump sind quasi menschgewordene Plattformen. Auch Plattformen leben von schierer Größe, von der Macht die Regeln zu bestimmen und den vielen Debatten über „Systemrelevanz“. Auch Plattformen leben von den Inhalten ohne Verantwortung für deren Folgen zu übernehmen.
(In der Zeit, in der ich diese Zeilen eintippe, habe ich 3 Spam-Mails in meine Twitter DM bekommen.)
Alles das ist auf drei Ebenen politisch.

1. Musk steht ganz offen und entgegen aller Beteuerungen den Republikanern nahe. Und damit einer Partei die zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus agiert. Einer Partei, die Umsturz und Terror für sich zu nutzen versucht.
Die Verbindungen zu seinen offen rassistischen und antisemitischen Kumpels sprechen übrigens für sich. Wer alles das ignoriert und Musk unterstützt, weil er so schön gegen Linke austeilt, kann sich sein „Nie wieder“ übrigens sonst-wo-hin schieben.
2. Musk hat nahezu alle Kommission und Institutionen innerhalb von Twitter aufgelöst. Die Idee der „Checks and Balances“ ist nun Geschichte. Nun gibt es das, was „Rechte“ immer gerne machen: Konzentration von Macht. Alleinherrschaft.
Mit demokratischen Entscheidungen, mit einer Vielfalt von Ideen, Gedanken, die für Innovation und Entwicklung wichtig sind, hat nichts von alledem zu tun. Auch das entspricht den inneren „Leitkultur“ anstelle von „Multikulti“. Kommt auch hierzulande bekannt vor.
(Die einzig sinnvolle Funktion, Tweets zu bearbeiten, damit Rechtschreibfehler und schiefe Wortungetüme, die ins Nirgendwo führen, weil man auf der scheiß Telefontastatur einen Satz umgestellt hat, gibt es immer noch nicht. Ich bitte für die Orthographie um Entschuldigung.)
3. Twitter als ein Ort der freien Rede ist nun Geschichte. Ironischerweise zerstört von einem Mann, der den Kauf von Twitter mit dem hohlbirnigen rechtsradikalen Gerede einer fehlenden „Meinungsfreiheit“ begleitet hat.
Die vielen Menschen in autoritären Regimes, die bspw. in Belarus, Afghanistan, Syrien, Iran Informationen sammeln, Menschenrechtsverletzungen dokumentieren und sich vernetzen, werden eines wichtigen Ortes beraubt. Sie werden am meisten unter alledem leiden.
Alles das ist den rückgratlosen weinerlichen rechtsradikalen Arschlöchern, die allen ernstes über „Identitätspolitik“, „Wokeness“ und „Cancel Culture“ herumheulen, natürlich scheißegal.
Während hierzulande „Merkel-Diktatur“ und „Meinungs-Terror“ beklagt werden, halten ganz unironisch Menschen ihren Kopf für ihre Freiheit hin. Während ein rechter Milliardär Freiheitsinfrastruktur pulverisiert, jubeln seine Fanboys und Fangirls, schamlos „Freiheit“.
So ist das. Spalten statt versöhnen. Möglicherweise wird doch nicht alles so schlimm wie gedacht. Vielleicht aber doch. Dann war es das mit diesem Twitter, das alle gehasst haben, von dessen Möglichkeiten aber dennoch alle profitiert haben. Aber nun ja. C’est la vie.

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