Jürg Altwegg rezensiert in @FAZ_NET das eben in Frankreich erschienene "Le Livre noir de Vladimir Poutine" (Schwarzbuch Putin) von Galia Ackerman & Stéphane Courtois.
Vorab: Das Genre Schwarzbuch wurde v.a. in der Zwischenkriegszeit im Umfeld von Leo Motzkin bekannt. In der Sowjetunion entstand das Schwarzbuch über den Genozid der Sowjetischen Juden von Wassili Grossman und Ilja Ehrenburg, das nicht erscheinen durfte. 1
Altwegg: "Courtois geißelt die zeitgenössischen Eliten und Politiker: 'Ihnen fehlt die Erfahrung des Kriegs, Machtproben gehen sie aus dem Weg.' Ihre Bereitschaft zu Verhandlungen ist ihm unheimlich." 2
Courtois:"'Deutschland und Frankreich waren unfähig, Putins Intentionen rechtzeitig zu erkennen, sie sind nicht mehr in der Lage, gegen ihn irgendeine Auflage durchzusetzen.'" 3
"Die 'Demütigung Russlands nach dem Kalten Krieg' bezeichnet Galia Ackerman als 'Mär'. Jetzt aber könne sie dem Land, so wie Deutschland 1945, nicht mehr erspart werden." 4
Ackerman:"'Ohne die Nürnberger Prozesse, die Umerziehung, die Läuterung hätten wir es heute nicht mit einem friedlichen, wiedervereinigten Deutschland zu tun.“ Putins Russland hingegen 'verkörpert den Sieg der sowjetischen Vergangenheit über die Gegenwart'." 5
Altwegg: "Das „Schwarzbuch Putin“ wird im kommenden Januar auf Deutsch erscheinen, erweitert um zwei Beiträge von Katja Gloger und Karl #Schlögel." 6
Hier noch von mir übersetzte Zitate aus der Einleitung des Buches:
"Warum also steht Wladimir Putin seit gut zehn Jahren im Vordergrund der internationalen Bühne? Sicherlich, weil sein Regime perverse Taktiken anwendet, gegen die die Demokratien manchmal machtlos sind." 7
"Allein in den 22 Jahren unter Putins Führung hat sich das sogenannte "postkommunistische" Russland in eine Macht des Übergriffs und Schädigens (nuisance) verwandelt, und das wichtigste Produkt, das es exportiert, ist schlicht und einfach Angst." 8
"Durch den Einsatz von Propaganda- und Desinformationsnetzwerken in der ganzen Welt und insbesondere bei uns versucht es, die westliche Einheit von innen heraus zu untergraben und sogar einen Bürgerkrieg zu entfachen." 9
"Diese Politik des Übergriffs und Schädigens wurde im KGB entwickelt, der Alma Mater von Wladimir Putin, seiner eigentlichen Universität, dem Ort seiner wahren theoretischen und praktischen Ausbildung." 10
"Der Weg Putins, den wir hier untersuchen, ist der eines Geheimagenten, der zum Zaren wurde, während er seinen Wurzeln als Homo sovieticus und seiner Vision von der Welt unverbrüchlich treu blieb." 11
"Wir nannten bereits das 'angeblich postkommunistische Russland'. Wir bestreiten die These des #Postkommunismus, da wir bitter feststellen, dass der Kommunismus zwar eine Ideologie ist, diese aber sehr flexibel war, was Stalin die Freundschaft mit dem Naziregime ermöglichte." 12
"Putin ging einen Schritt weiter. Zwar wurde die kommunistische Idee abgeschafft, die Partei verlor die Macht, aber er bewahrte das komm. Regierungssystem mit den wichtigsten Attributen: Vertikalität und die Nicht-Alternierung von Macht." 13
"Somit kann man von einem "Sowjetismus ohne die kommunistische Idee" sprechen. Das Neue an seinem System ist die Verschmelzung des Regimes mit mafiösen Gruppen und deren grausamen Praktiken sowie die endemische Korruption, insbesondere in den oberen Etagen." 14
Für mich schließt das Buch bisher v.a. an das Buch "Putinismus" von Walter #Laqueur an, aber ist viel umfangreicher, detailreicher und von vielen ausgewiesenen AutorInnen gemeinsam verfasst! 15
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Jan Gerber @nzz: Vor 70 Jahren wurden in Prag Parteifunktionäre gehenkt. Der Rückblick auf die Schauprozesse zeigt, dass Verschwörungstheorien das kommunistische Herrschaftssystem prägten & Juden im Kalten Kriegs zu kosmopol. Agenten erklärt wurden. 1/6
Rudolf #Slánský & 13 "Funktionäre des Staats- & Parteiapparats der Tschechoslowakei wurden beschuldigt, westliche Spione & Agenten zu sein. Die Angeklagten gestanden ausnahmslos. Sie bekannten sich zu den absurdesten Anschuldigungen – zu Morden, Sabotageakten & Umsturzplänen." 1
Das Slánský-Tribunal war der grösste Schauprozess nach dem 2. WK. Er hatte "offen antisemitischen Charakters. 11 der 14 Hauptangeklagten kamen aus jüd. Familien. Diese Herkunft, so wurde in der Anklageschrift suggeriert, mache sie zu national unzuverlässigen «Kosmopoliten»." 2
"Die Russen haben hier in #Cherson ein Verhaftungssystem betrieben haben, das in dieser Größenordnung in keiner der Dutzenden von anderen Städten und Dörfern, die in den letzten Wochen von den ukrainischen Streitkräften befreit wurden, zu finden ist.
"Schon am Wochenende zeichneten sich Masseninhaftierung ab, als ein Dutzend Menschen gegenüber The Post erklärten, sie seien entweder selbst inhaftiert worden oder suchten nach jemandem. Viele sprachen Reporter auf der Straße an &d baten um Hilfe bei der Suche nach Angehörigen."1
"Wir sprechen hier von Tausenden von Menschen", sagte Oleksandr Samojlenko, Leiter des Regionalrats von #Cherson. "An einem beliebigen Tag hatten die Russen 600 Menschen in ihren Folterkammern." 2
Sergei Gerasimow schrieb letzte Woche in der @NZZ am Ende über das damalige Unverständnis für die Kritik Sacharows am Afghanistankrieg in der 1. Sitzung im "Kongress der Volksdeputierten" 1989. Ein Rückblick 1/7
#Sacharow wurde angegriffen & verteidigt hier seine Haltung zu Afghanistan:"Das Letzte, was ich tun wollte, ist die sowjetische Armee, die sowjetischen Soldaten beleidigen, die unser Heimatland im großen Vaterländischen Krieg verteidigt habe. Ihnen zolle ich Respekt..1
"..Auch bei Afghanistan geht es mir nicht um den Auftrag der Soldaten, sondern darum, dass dieser Krieg an sich ein Verbrechen war, ein "verbrecherisches Abenteuer". Noch ist unbekannt, wer für dieses großes Verbrechen unseres Vaterlands die Verantwortung hat.." 2
Dugin veröffentlichte vorgestern auf Telegram einen Post & löscht ihn wieder. Kernaussage: „Autokratie hat eine Kehrseite. Die ganze Macht bei Erfolg, aber die ganze Verantwortung bei Misserfolg.“⬇️
Fazit: Kampfansage an Putin & Plädoyer für mehr Ideologisierung in Russland.
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Dugin bezieht sich bei Drohung auf Nachfolgeregeln wie bei Regenkönigen auf den Ethnologen James G. Frazer, der um 1900 "The Golden Bough" schrieb. Viele Philosophen haben Frazer zitiert. Dugin kennt v.a. Wittgensteins "Bemerkungen über Frazers Golden Bough" & Georges Bataille. 1
Wittgenstein geht zwar auf 'Regenmacher' ein, aber ich glaube, Dugin zielt eigentlich auf eine andere Stelle, die Wittgenstein und Georges Bataille von #Frazer zitieren. Es geht hier um den "König des Waldes" von Nemi, eine römische 'Legende' am Anfang von Frazers Buch. 2
Wolf #Biermann in @sz: "Die Mauer war kein antifaschistischer Schutzwall, das war sie genauso wenig wie der Krieg von Putin ein antifaschistischer Krieg gegen irgendwelche Faschisten in der Ukraine ist. Das sind ideologische Lügen."
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"Wissen Sie, wen Stalin beneidet hat? Seinen Kollegen Hitler. Stalin wollte von seinem Volk auch so blind geliebt werden wie Hitler von seinem Volk. Deshalb hat er systematisch die Medien erobert und andersdenkende Leute getötet, vertrieben, liquidiert...2a
...Das ist eben die Pest der Diktatur. Und die kann links sein oder rechts. Am Ende ist das propagandistische Selbstporträt einer Diktatur immer nur blutiger Kitsch." 2b
Der Bürgermeister von #Mariupol, Wadym Bojtschenko, schreibt auf Telegram, dass die Kollaborateure das Kriegsrecht für Raubüberfälle, Arbeitsdienst & Mobilmachung nutzen.
Ihm zufolge nutzen die "Gauleiter" (гауляйтери ist mittlerweile übliches ukr. Wort für Kollaborateure) das Kriegsrecht für Raubüberfälle (Geräte & ukr. Metallprodukte), ziehen die Einwohner zu jeglicher Arbeit ohne Lohn heran & planen Mobilmachung von 10000 Mann. 2
Er schreibt auf Telegram: "Die russ. Besatzer stellen ein rotes Stück Papier aus, das sie Pass nennen. Es ist fast unmöglich, die Stadt zu verlassen. Man beschoß den Kontrollpunkt nach Zaporizhzhia & schloss ihn, um die Einwohner daran zu hindern, #Mariupol zu verlassen.. 3