Thread by @EFDavies

Einordnung der Aussagen von @gregorgysi heute im Bundestag zum Holodomor aus geschichtswissenschaftlicher Sicht: Gysi behauptet, die Hungersnot zu Beginn der 1930er Jahre in der Sowjetunion habe sich gegen alle gerichtet, die sich Stalins „terroristischer Industrialisierung

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und Zwangskollektivierung unabhängig von ihrer Nationalität und Ethnie“ gerichtet habe, die Ukrainer:innen seien nicht auf Grund ihrer Nationalität ausgehungert worden. Das entspricht nicht dem Stand der Forschung. Die Hungersnöte begannen zwar im Zuge der Zwangs-

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Kollektivierung und der Requirierungen von Getreide und betrafen nicht nur die Ukraine, aber hier nutzte Stalin die Hungersnot, um die Ukraine als Nation in die Unterwerfung zu zwingen. Soziale und nationale Kategorien waren im Falle der Ukraine kaum voneinander zu trennen.

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Gewisse Parallelen (aber auch Unterschiede) gab es zuv
Kasachstan, dazu kann meine Kollege Robert Kindler aber mehr sagen als ich:

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https://twitter.com/ro_kind/status/1596500344506404866

Stalins Blick auf die Ukraine war von der Zeit aus dem Bürgerkrieg 1918-1921 geprägt, als es dort gegen die Bolschewiki und die gewaltsame Eingliederung in die Sowjetunion erheblichen Widerstand gab. Der Holodomor ging einher mit gezieltem Terror gegen die ukrainische

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Intelligenzija, die im Zuge dessen fast ausgelöscht wurde. Auch daran sieht man, dass die Gewalt in der Ukraine sich auch gegen die Nation richtete. Zwar stimmt es, dass Stalin nicht aus rassistisch-biologistischen Motiven handelte, aber den ukrainischen Nationalismus

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begriff er sehr wohl als potenzielle Bedrohung für die Sowjetunion. Gysi verweist darauf, dass der Bundestag 2017 die Anerkennung des Holodomor als Genozid ablehnte, allerdings zitiert er aus der Begründung, dass unklar sei, ob der Holodomor „im Sinne der späteren

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Völkermord-Konvention der Vereinten Nationen“ als Genozid bewertet kann. Der Antrag von @robinwagener bezieht sich aber – klugerweise – nicht auf diesen juristischen Begriff, der in einer ganz bestimmten Zeit (1948) entstanden ist, sondern legt einen breiteren Genozid-

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Begriff zu Grunde, was inzwischen auch viele Historiker:innen tun. Siehe die sehr gute Zusammenfassung dieses Ansatzes von Andrea Graziosi in den Screenshots, einer der besten Kenner:innen des Holodomor. Außerdem hier mein Thread zum Thema:

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https://twitter.com/EFDavies/status/1596620791306588160

Zuletzt: erschreckend sind Gysis Äußerungen zum Hitler-Stalin-Pakt: Stalin wollte mit dem kommenden Krieg „„möglichst wenig zu tun zu haben“. Die sowjetische Besatzung Ostpolens und der baltischen Staaten ab 1939/40 überzog die Bevölkerungen dort mit massivem Terror –

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Verschleppungen, Massenerschießungen, Zwangsarbeit. Der Hitler-Stalin Pakt war die imperiale Aufteilung Ostmitteleuropas. Der Krieg begann für Polen mit der deutschen Invasion im Westen, kurz darauf folgte die Invasion durch die Rote Armee im Osten. Es stimmt, dass es hier

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– anders als in den deutsch besetzen Gebieten – keine totale Vernichtung des Judentums gab, das ist der entscheidende Unterschied zwischen Stalinismus und Nationalsozialismus. Der genozidale Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion ab 1941 ist die alleinige Verantwortung

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Deutschlands. Das muss man immer wieder betonen. Daraus aber eine Verharmlosung stalinistischer Gewalt zu machen wie Gysi es tut, ist inakzeptabel und letztlich eine Verhöhnung der Opfer dieser Gewalt.

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