Thread by @ZappMM

"Lebenslange Ruhegelder für RBB-Chefs kosten Beitragszahler Millionen" - unter dieser Schlagzeile fasste @WELTAMSONNTAG am Wochenende nochmal zusammen, was durch Recherchen anderer schon bekannt war. Bundesweit wurde der Text zitiert. 1/

Von "Verschwendung von Beitragsgeldern" war bei "Welt am Sonntag" (WAMS) die Rede. Doch bei genauer Betrachtung zeigt sich: Hier kommt so einiges durcheinander. 2/

Auch wir von ZAPP begleiten die Versorgung von ARD-Führungskräften schon seit längerem kritisch. Und haben uns gefragt: Haben wir da was übersehen? Ist wirklich überall "lebenslanges Ruhegeld" drin, wo WAMS das "nach Informationen dieser Zeitung" draufschreibt? 3/

Gehen wir also mal durch: Zuerst berichtet @investigativ_de über einen "Fernsehdirektor, dem der #rbb nun "bis zum Lebensende ein Ruhegeld von derzeit monatlich 7000 Euro" gewähre – obwohl der "nur 5 Jahre für den Sender gearbeitet hat". Was WAMS nicht schreibt: 4/

Der Direktor, um den es hier geht, war seit 1992 in Führungspositionen in der ARD tätig und kam 2003 zum rbb, wo er 2008 ausschied. In der ARD gilt für die Altersversorgung eine "Mobilitätsregelung": 5/

Wechselt jemand von einer Anstalt in eine andere, übernimmt die neue Anstalt i.d.R. die bis dahin erworbenen Versorgungsansprüche. Zu unterstellen, wie WAMS es tut, dass hier Ansprüche bestehen, weil jemand nur fünf Jahre gearbeitet habe, ist also bestenfalls ungenau. 6/

Hinzu kommt, dass es sich hierbei um einen der alten ARD-Verträge handelt. Die damals üblichen Betriebsrenten aber wurden schon in den 90ern abgeschafft - aus genau dem Grund, den die WAMS hier skandalisiert: Weil sie zu hoch waren. ard.de/die-ard/wie-wi… 7/

(Wer's genau wissen will: Auf die alten Betriebsrenten folgte Mitte der 90er ein Versorgungstarifvertrag, ähnlich der Versorgung der Angestellten im Öff. Dienst. Auch der ist seit 2017 abgeschafft: Heute zahlen ARD-Anstalt & Mitarbeitende 50/50 Beiträge in eine Pensionskasse) 8/

Weiter geht es im Text mit dem Produktionsdirektor des rbb: Auch der erhalte seit seinem Ausscheiden Ruhegeld. Nicht schön, aber nicht neu. Vor allem aber: Ein ganz anderes Thema. 9/

Denn hier geht es plötzlich um die "neuen" Ruhegelder, die den Verträgen der rbb-Geschäftsleitung 2018 hinzugefügt wurden.
Über die hatten u.a. vorher @NDRrecherche berichtet:
tagesschau.de/investigativ/n…
Oder auch der rbb selbst: rbb24.de/panorama/beitr… 10/

Anschließend geht es darum, dass man zum Ruhegeld auch hinzuverdienen darf und eine ehemalige Programmdirektorin das heute als Professorin auch tut.
Irritierend? Ja. Neu? Überhaupt nicht: volksstimme.de/sachsen-anhalt…
Quellenangabe bei der WAMS? Fehlanzeige. 11/

Als nächstes führt die WAMS an, dass auch Familienmitglieder "Versorgungsbezüge" erhielten, illustriert am Beispiel einer Witwe eines vor 34 Jahren verstorbenen Ex-Intendanten. 12/

Das aber ist nun wieder ein ganz anderes Thema und hat mit Ruhegeldern nicht so richtig etwas zu tun. Hier geht es um Versorgungszusagen an Hinterbliebene Witwen und Waisen. Die gibt es in vielen Tarifverträgen, Altersabsicherungen und Arbeitsverträgen. 13/

In alten ARD-Verträgen konnten das auch lebenslange Zahlungen sein, aber diese Zeiten sind, siehe oben, längst vorbei. Die WAMS stört sich dann noch daran, dass die Versorgungsansprüche mit der Zeit wachsen können. 14/

Auch das allerdings ist einfach erklärt: Sie sind, wie Renten auch, an Tarifabschlüsse gekoppelt. Vor allem aber ist auch das: Längst bekannt.
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Zum Schluss erfahren wir noch, worüber der rbb selbst vor mehr als einem Monat berichtet hatte: Dass auch die Mitarbeiter:innen im Haus die (neuen) Ruhegeld-Zahlungen kritisch sehen & Verzicht fordern. Auch hier war für eine Quellenangabe in der WAMS leider kein Platz mehr: 16/

rbb24.de/politik/beitra…
Wirklich neu sind am Text der WAMS-Kolleg:innen eigentlich nur zwei Sachen: Dass man das bislang schon bekannte einmal zusammengerechnet hat. Und dass man hier und da Namen nennt. 17/

Das reicht offenbar, um auf sämtliche Quellennennungen zu verzichten und stattdessen "nach Informationen dieser Zeitung" zu schreiben. Warum wir all das nun schreiben? 18/

Ganz sicher nicht, um die hohen Zahlungen an ARD-Führungskräfte oder lebenslange Versorgung ohne Arbeit zu rechtfertigen.
Wir haben selbst früh und viel über die Ruhegelder berichtet. 19/

Genau aus dieser Recherche aber wissen wir auch, wie wichtig es ist, vollständig und genau zu sein. Und dass man kaum eine:n Arbeitsrechtler:in findet, der/die sich hier festlegen will. Denn im deutschen Recht gilt ein Grundsatz: 20/

Einmal zugesagte Versorgungsansprüche müssen auch gezahlt werden. Wenn ein Sender wie der rbb also ehemaligen Führungskräften bis heute hohe Summen zahlen muss und das gern ändern möchte, kann er das in aller Regel gar nicht. 21/

Er kann bestenfalls mit seinen künftigen Mitarbeitenden andere Vereinbarungen treffen.
All diese Dinge hätte die WAMS klar auseinanderhalten können. Wir jedenfalls hätten uns darüber gefreut. Denn wenn wir eines lieben ist es: Saubere Medienkritik. Gern auch an der ARD. 22/