Dass die #Gaspreisbremse durch die gesunkenen Preise billiger wird, ist klar. Doch wie viel Geld der Staat sparen wird, ist bisher offen. Ich schätze, dass weniger als die Hälfte der 40 Mrd. Euro gebraucht werden, die 2023 im Haushalt eingeplant sind. Rechnung im Thread: [1/17]
Wie genau die 40 Mrd. Euro berechnet wurden, teilt das @BMWK auf Anfrage nicht mit. Aber dieses: "Zentrale Einflussgröße waren dabei die Terminmarktnotierungen für Strom und Erdgas aus dem Herbst 2022, konkret die der Handelstage von Mitte Oktober bis Mitte November 2022." [2/17]
Wenn man sich den Kurs der TTF-Gas-Futures für verschiedene Lieferzeitpunkte im Jahr 2023 ansieht, sieht man, dass die Preise in diesem Zeitraum (Mitte Oktober bis Mitte November) bei etwa 12 bis 15 Cent pro kWh lagen. Aktuell sind es dagegen unter 7 Cent/kWh. [3/17]
Damit ist absehbar, dass der Staat die Industrie beim Gaspreis kaum entlasten muss. Denn dort soll die Gaspreisbremse den Preis für 70 % des Vorjahresverbrauchs bei 7 Cent für den Netto-Gaspreis deckeln; dieser entspricht bei der Industrie ungefähr dem Börsenpreis. [4/17]
Und selbst wenn Unternehmen aufgrund ungünstiger Verträge doch mehr bezahlen müssen, ist fraglich, ob sie den staatlichen Zuschuss in Anspruch nehmen. Denn die Bedingungen, die dafür gelten, würden viele Unternehmen ausschließen, kritisierte BDI-Präsident Russwurm gestern. [5/17]
Hintergrund: Vielen Unternehmen dürfen die Gaspreisbremse laut Gesetz nur in Anspruch nehmen, wenn ihr Gewinn (EBITDA) im Jahr 2023 um mindestens 40 Prozent sinkt und sie auf Bonuszahlungen und Dividenden verzichten. [6/17]
Komplizierter ist die Sache bei den Privatkunden. Dort sind die Preise für neue Verträge zwar ebenfalls deutlich gesunken: Mitte Oktober bis Mitte November lagen sie, laut Verivox/Zeit.de im Schnitt bei 20 bis 24 Cent/kWh – aktuell sind es weniger als 14 Cent. [7/17]
Bei Privatkunden zahlt der Staat im Jahr 2023 für 80 % des Vorjahresverbrauchs den Kostenanteil oberhalb von 12 Cent/kWh. Bei einem Gaspreis von 22 Cent wären das also 10 Cent/kWh, bei einem Preis von 14 Cent sind es nur noch 2 Cent/kWh. [8/17]
Bei derzeit abgeschlossenen Neuverträgen fallen also kaum Kosten an. Allerdings kann man mit diesem Wert nicht rechnen. Denn auch zur Hochpreisphase im Herbst haben ja Menschen Verträge abgeschlossen, die jetzt noch laufen. [9/17]
Dass das sehr viele sind, glaubt @UdoSiev von der @vznrw allerdings nicht. Nach seiner Beobachtung sind viele von starken Preiserhöhungen betroffene Kunden in die Grundversorgung gewechselt, statt teure Laufzeitverträge abzuschließen. [10/17]
Und in der Grundversorgung liegt der Durchschnittspreis in NRW laut einer Erhebung der @vznrw derzeit bei 16,2 Cent – was zwar höher ist als die Neukundentarife, aber ebenfalls weitaus niedriger als der Preis, mit dem bei der Gaspreisbremse kalkuliert wurde. [11/17]
Wenn man mit diesem Grundversorgertarif rechnet, wird für die Entlastung der Privatkunden weniger als halb so viel Geld gebraucht, wie bei den Preisen vom Herbst zu erwarten war. Bei der Industrie dürfte die Ersparnis noch größer sein (s.o.). [12/17]
Größter Unsicherheitsfaktor ist dabei neben der Frage, wie viele teure Laufzeitverträge im letzten Jahr abgeschlossen wurden, die Frage, ob die Versorger in den nächsten Monaten höhere Endpreise verlangen werden, als durch die Marktpreise gerechtfertigt wäre. [13/17]
Denn durch die Gaspreisbremse tragen die Kunden davon ja nur einen kleinen Teil, so dass der Anreiz, bei einer Preiserhöhung den Anbieter zu wechseln, deutlich geringer ist als sonst. [14/17]
Zudem muss man wissen, dass ein (kleiner) Teil der 40 Milliarden Euro auch für Entlastungen bei der Fernwärme vorgesehen ist; diese habe ich in meiner Rechnung nicht berücksichtigt. [15/17]
Genau beziffern kann man die Höhe der Einsparungen derzeit also nicht. Aber dass "mit umfassenden Minderbedarfen gegenüber der bisherigen Planung" nicht zu rechnen sei, wie mir das @BMWK mitteilte, scheint mir extrem unwahrscheinlich. [16/17]
Zuerst zu lesen war diese Analyse gestern Abend im @Berlin_Table. Der kann hier kostenlos abonniert werden: [17/17] table.media/berlin/

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