Es ist nun abzusehen, dass der Leopard 2 in die Ukraine geliefert wird. In diesem Thread will ich wie immer keine Quartettkarte vorlesen, sondern besonders auf „weichere“ Faktoren und das Gesamtsystem Leopard 2 eingehen. 1/x
Ja das Napoleon Zitat ist ein Klischee, stimmt aber immernoch. In einem langandauernden Krieg spielen Versorgbarkeit und Logistik eine viel größere Rolle als einzelne technische Vor- oder Nachteile. Deswegen zunächst das Big Picture zum System Leo 2. 2/x
Als erstes einmal wer hat wieviele und was. Dies ist der größte Vorteil des Leopard 2 im Gegensatz zum Leclerc und Challenger 2. Ich habe eine breite Nutzergemeinschaft, welche funktionierende Ausbildungs- und Logistikketten besitzt. 3/x
Zwar gibt es unterschiedliche Varianten und teils kleine Stückzahlen, aber diese Länder haben immernoch Ersatzteile, welche teils über Versionen hinweg genutzt werden wie Motoren und Personal, welches Fahrzeuge reparieren und Besatzungen ausbilden kann. 4/x
Die Variantenvielzahl ist aber auch die größte Schwäche des Leopard 2. Ein deutscher Leopard 2A6 ist nicht identisch mit einem griechischen Leopard 2A6HEL und beide sind nicht identlisch mit einem spanischen 2A6E. Dies zieht sich durch fast alle Länder und Varianten. 5/x
Dabei existieren größere und kleinere Unterschiede die jedoch die Logistik stark erschweren. Man sollte deswegen beispielsweise Umbau-Maßnahmen der jeweiligen Versionen zu einem Ukraine-Standard durchführen. Bzw. von einer Version genug für ein Bataillon (>40 Stk.) liefern. 6/x
Die mMn für die Ukraine relevantesten Versionen sind die A4, A5 und teilweise A6 Versionen. Da es dort noch die größten Stückzahlen gibt und weniger Unterschiede zwischen den jeweiligen Versionen der Nutzerländer, da viele einfach nur von 🇩🇪 und 🇳🇱 gekauft wurden. 7/x
Die A4 Version ist dabei die älteste und hat (noch) die wenigstens länderspezifischen Unterschiede (Ausnahmen bestätigen die Regel). Diese ist aber auch die schwächste durch u.a. ältere Panzerung, schlechtere Optroniken und kürzere Kanone. 8/x
Durch sein Alter ist die A4 Variante auch prädestiniert für die Abgabe, da eine Verbesserung auf den A7 Standard sich wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Die Maßnahmen an u.a der Wanne sind zu umfangreich und das Alter des Stahls sind den Aufwand nicht mehr Wert. 9/x
Die A5 und A6 Varianten beheben die entstandenen Defizite an Schutz, Optroniken und Feuerkraft in unterschiedlichen Maße. Diese haben aber wieder größere Unterschiede zwischen den Länder-Versionen, wodurch Umrüstungen oder Abgaben in größeren Menge notwendig werden würden. 10/x
Eine Verbesserung aller 2A5 auf A6 wäre zweckmäßig, da es relativ kleine Verbesserungen sind im Gegensatz zu A4 auf A5 oder A6 auf A7. Hier steht jedoch Zeit, Kapazitäten und Aufwand sich gegenüber. Dies könnte aber die Ausbildung vereinfachen und die Kampfkraft steigern. 11/x
Allgemein lässt sich festhalten, dass es jetzt sehr viel (europäische/globale) Kooperation braucht, um eine zweckmäßige Anzahl an gleichen/ähnlichen Leopard 2 zu organisieren und diese langfristig zu versorgen. PS: Chile ist ein relativ großer 2A4 Nutzer 12/x
„Wer hat, der kriegt.“. Ohne Perspektive auf einen Ersatz (am besten besser als was man abgibt), wird man nur langsam und wenige Leos von anderen Ländern bekommen. Keine Armee will alle ihre Panzer aufeinmal abgeben und somit eine Fähigkeit über Jahre verlieren. 13/x
Deswegen müssen jetzt die Weichen gestellt werden (BESTELLEN!), um eine langfristige Versorgung der Ukraine durch Leopard 2 sicherzustellen und anderen Staaten guten Gewissens eine Abgabe zu ermöglichen. 14/x
Die Einführung des Leopard 2 in das Ökosystem der ukrainischen Logistik und Einsatzgrundsätze wird zunächst zu einem kleinen Schock führen, da es sich um ein komplett anderes Konzept handelt als bei den T-Panzern. Erfahrung mit dem Umgang muss erst wieder gesammelt werden. 15/x
Gleichzeitig sichert man die Fähigkeit der Ukraine zur mechanisierten Kriegsführung über das nächste Jahr, weil die Vorräte an T-Panzern, ihren Ersatzteilen und Munition innerhalb Europas zu Neige gehen. Während die Produktion von Leo 2 Baugruppen und Mun läuft. 16/x
Auch ist der Leopard 2 einfacher zu warten (wenn man ausgebildet ist und die Ersatzteile hat). Ein Triebwerkswechsel dauert Stunden und keine Tage genauso der Wechsel des Rohrs und anderen Baugruppen. 16/x
Gleichzeitig muss man sich auf ein 20t schwereres Fahrzeug einstellen, was Herausforderungen in der Beurteilung von Brücken und Transport sowie Bergung mit sich bringt. Siehe Challenger 2 Thread: 17/x
Schutz und Feuerkraft ist wie immer stark abhängig von der Situation und folgt dem Einbrecher-Schloss-Prinzip. Jemand entwickelt ein größeres Brecheisen, weswegen jemand ein größeres Schloss entwickelt und so weiter und so fort. 18/x
Es wird je nach Leo Version und Situation Bilder geben wie Leoparden mehrere Schüsse „aushalten“, andere bei denen die Besatzung ausbootet und sich in Sicherheit bringen kann und wieder andere wo der Panzer einfach platzen wird. 19/x
Bessere Optroniken sind dabei ein großer Vorteil. „Wer schneller schießt und besser trifft, gewinnt den Feuerkampf“. Genauso der Ladeschütze der die Umgebung und auch den Luftraum (Drohnen) beobachten kann. 20/x
Der Vorteil bei der Mobilität kommt wieder durch u.a. die schnellere Rückwärtsgeschwindgkeit, wodurch man schnell ausweichen kann, während Kanone und Front Richtung Feind zeigen. 21/x
Zum Nachteil ist wieder das höhere Gewicht und Bodendruck. Die Ukrainer werden sich an dieses gewöhnen müssen und Geländeabschnitte neu bewerten müssen. Genauso braucht es mehr Ausbildung und Material für die Bergung. 22/x
Bezüglich Vor- und Nachteile durch das andere Munitionskonzept im Leopard 2 siehe hier: 23/x
Als Letztes die Ausbildung. Ein Panzer ist nur so gut wie seine Besatzung und eine Kompanie/Bataillon ist nur so gut wie ihre Führer, Ausbildung und die Unterstützungskräfte. Eine massive Ausbildungsoffensive muss miteinhergehen, um mit den Lieferungen Wirkung zu erzielen. 27/x
Fazit: Der Leopard 2 stellt eine (langfristige) qualitative Verbesserung der ukrainischen Panzerwaffe da, aber dient vorallem dazu die Ukraine für das laufende Kriegsjahr und die kommenden Offensiven/Defensiven vorzubereiten. 27/x
Es bietet sich die Möglichkeit die ukrainische Logistik auf ein Waffensystem zu konsolidieren, wenn gleichzeitig eine Massive Bestellung an Leopard 2 und allen nötigen Versorgungsgütern miteinhergeht. 28/x
Ein Panzer ist kein Gamechanger, aber wenn Stückzahl, Versorgung, Ausbildung und Unterstützung stimmt, dann schützt dies Menschenleben und gibt der Ukraine die Chance weiter erfolgreich zu kämpfen. 29/x
Gleichzeitig wird es, wenn man es richtig macht, der Bundeswehr und anderen NATO-Staaten kurzfristig weh tun, da die eigene Einsatzbereitschaft und Ausbildung Einbußen in Kauf nehmen muss. Im Zweifel müssen NATO-Aufträge abgegeben werden. 30/30
Streiche "ein" setze "weniger". "Ein" ist ne langfristige Perspektive von 5-10 Jahren und post bellum.
Wie immer: Trust but verify. Falls Zweifel bei einigen Aussagen bestehen oder man etwas genauer nachlesen will, kann ich gerne auf die genutzten öffentlichen Quellen verweisen. Für manche muss man sich aber ein Buch kaufen oder in eine Bibliothek gehen.
• • •
Missing some Tweet in this thread? You can try to
force a refresh
Nur mal so: Man ist als Verteidigungsministerin die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt und die geht entweder im V-Fall zum Kanzler über oder an den neuen Minister durch die Ernennung (oder bei Verhinderung an einen Staatssekretär).
Anmerkung zum Challenger 2: Dieser hat ein Gewicht von 63t bis 75t je nach Ausrüstung. Das schwerste Fahrzeug war bisher die PzH mit 57t. Zum Einsatz von solchen Systemen braucht man Bergepanzer und Schwerlasttransporter, um havarierte Böcke zu bergen und abzutransportieren 1/x
Deutschland hat u.a. zwar Schwerlasttransporter geliefert, nur kommt es auch auf den Anhänger an wieviel Gewicht man aufladen kann. Hier ist es fraglich ob diese auch schon in der Ukraine sind oder ob diese von GB mitgeliefert werden. 2/x
Das zweite Element sind Bergepanzer. Die sowjetischen BREM-1 sind dabei auf die leichteren sowjetischen Modelle ausgelegt die maximal 48t wiegen. Der Bergepanzer 2 kann zwar auch Leopard 2 bergen aber kommt bei den neusten Varianten (~65t) an seine Grenzen. 3/x
Der nächste Schritt müsste jetzt sein besonders für Deutschland weitere Spz Pumas oder andere Fahrzeuge nachzubestellen, um die Abgabe von mehr Mardern zu ermöglichen. Auch könnte man mit beispielsweise Spz Lynx die Marder der Griechen nochmal ringtauschen.
Marder und Bradley werden Verluste erleiden, da diese direkt im Kampf genutzt werden im Gegensatz zu HIMARS, PzH, AHS Krab etc. Genauso ist die Materialbelastung höher wodurch man eigentlich noch mehr Panzer als Reserve bräuchte um eine Einheit länger im Feld zu halten.
Ein weiterer Punkt ist die Versorgung mit Ersatzteilen, Munition und Ausbildung von Bedienern und Instandsetzern. Diese muss aufgrund der Verluste an Mensch und Material konstant aufrechterhalten werden. Genauso muss geplant werden wie weitere Panzer geliefert werden können.
Neben dem Marder wurde auch die Lieferung des Bradley angekündigt. Dieser ist wie der Marder ein Schützenpanzer des Kalten Krieges. Dieser ist dabei aber rund 10 Jahre jünger und hat deswegen deutliche Verbesserungen im Vergleich zum Marder erhalten. (Noch) ein Thread: 1/x
Zunächst einmal existieren hier wieder verschiedene Varianten die sich in der Nutzung befinden. Auch hier erwarte ich nicht die Lieferung der modernsten A4 oder auch A3 Variante, da diese sich zum Teil noch selbst für die US-Army im Zulauf befinden. (links A3; rechts A4) 2/x
Vermutlich wird man die A2 ODS (Operation Desert Storm) Variante liefern. Diese wurde 2020 erst an Kroatien verkauft, es existiert immernoch eine größere Anzahl und die US-Army nutzt vermutlich selber noch diese bei Reserve- und vermutlich Aktiven-Einheiten. 3/x
Die für die Ukraine relevanteste Version ist mit großer Sicherheit das A3 Modell. Es gibt, um den Marder bis 2030 in Nutzung zu halten, eine Kampfwertsteigerung die aber gerade erst für die Bundeswehr im Zulauf ist mit u.a neuen Optroniken und Motor. 2/x esut.de/2021/10/meldun…
Der Marder wurde entwickelt um den fehlgeschlagenen HS 30 zu ersetzen und mit den damals neuen Leopard 1 im Gelände mitzuhalten. Seine Mobilität ist zwar durch den Anstieg an Gewicht über die Jahre abgefallen aber immernoch sehr gut. 3/x