Mit der AfD hat sich erstmals seit Gründung der Bundesrepublik eine neue Partei rechts der Union im Parteiensystem etabliert. Wo stand, wo steht die Partei? Eine empirische Bilanz anlässlich #10JahreAfD. 1/🧵
1. Demokratie und Protest
Die AfD war immer eine Partei derjenigen, die mit der Demokratie unzufriedenen waren. Im Lauf der Zeit wurde dieses Bild immer schärfer. Hier der Vergleich 2014/2018 (Daten: ALLBUS). 2/
Daten von 2022 komplettieren das Bild: die Wähler der AfD sind wesentlich unzufriedener mit der Demokratie als die Wähler aller anderen Parteien. Allgemein ist man mit der Demokratie zufrieden--die AfD erreicht die Unzufriedenen. 3/
Für 2018 können wir mit ALLBUS-Daten auch ermitteln, ob die Bürger die Demokratie überhaupt für das beste System halten. Hier die Daten für die AfD-Wähler im Vergleich. 4/
Befund: AfD-Wähler halten die Demokratie ebenfalls für das beste System, befürworten sie aber weniger stark als alle anderen Wähler. Auch in der AfD-Wählerschaft finden wir wenige vor, die die Demokratie als System rundheraus ablehnen. 5/
Was wir allerdings sehen, ist, dass AfD-Wähler eine bestimmte, plebiszitäre Vorstellung davon haben, was Demokratie ist und wie sie funktionieren soll. Das äußert sich etwa in der vglw. starken Befürwortung der direkten Demokratie (2018). 6/
Hierbei geht es vor allem um Referenden, weniger um Volksinitiativen--also um direkte Demokratie als Kontrolle der politischen Eliten. 7/ tandfonline.com/eprint/KD6BIQD…
2013-15 debattierte man auch in der Forschung über das Profil der AfD. Einschätzungen reichten dabei von frühen Vermutungen, die Partei sei extremistisch bis zu solchen, sie trete nicht explizit rechtsradikal auf. Siehe den Beitrag von @kai_arzheimer: tandfonline.com/doi/abs/10.108… 8/
@heikogiebler, @Aiko__Wagner & ich untersuchten die Einstellungen der AfD-Kandidaten 2013. Ergebnis: Die AfD-Kanddiaten standen schon 2013 relativ weit rechts, hatten aber v.a. ein stark populistisches Profil, obwohl die AfD offiziell gemäßigt auftrat. 9/ econstor.eu/handle/10419/2…
Mit Blick auf die Positionierung ihrer Wähler kann man feststellen, dass diese immer weiter rechts standen als die Wähler anderer Parteien, dieser Unterschied aber im Laufe der Zeit immer prononcierter wurde. Hier (0=links; 10=rechts) 2014 und 2018... (Daten: ALLBUS) 10/
... und hier die Wählerschaft der AfD 2022 im Vergleich. 11/
Gesellschaftspolitisch hat sich die AfD auch in ihrem Programm stark nach rechts entwickelt (linker Plot; positive Werte = rechts); wirtschaftspolitisch ist die Partei nach wie vor nicht eindeutig positioniert--es ist aber auch nicht ihr Gewinnerthema (Daten: MARPOR). 12/
Aber was ist das "Gewinnerthema" der AfD, warum wurde und wird sie gewählt und von wem? Dazu im Folgenden die Ergebnisse einiger logistischer Regressionsanalysen mit dem ALLBUS für 2022. 13/
Aus Transparenzgründen hier die Stata-Syntax. manich=transformierte Variable lp05 ("Politiker uninteressiert an einfachen Leuten"), Variablen für Einkommen und Bildung transformiert (= Kategorien gebildet). Weitere Berechnungen auf Basis derselben Variablen mit Interaktionen. 14/
Wovon hängt die Wahrscheinlichkeit ab, dass jmd AfD wählt? Zunächst zum soziodemografischen Profil. Weder für Geschlecht, Einkommen (außer >4000 Euro) noch Bildung finden sich signifikante Effekte. Es sind also nicht einfach bestimmte soziale Gruppen, die für die AfD stimmen. 15/
Vielmehr kommt es auf die Einstellungen an. Ich schaue mit den ALLBUS-Daten auf die folgenden Variablen: Links-Rechts, Anti-Establishment-Haltung ("Politiker vs. Bürger"), Demokratiezufriedenheit, Vertrauen in Parteien. 16/
Bildung: Insbesondere bei Personen mit mittlerer Reife und Abitur hängt die Wahl der AfD besonders stark von der politischen Einstellung ab. Bei jenen mit Hauptschulabschluss ist der Einstellungseffekt etwas geringer. 17/
Interessant wird es beim politischen Vertrauen (hier: in Parteien). Bei jenen mit geringem Vertrauen macht die politische Einstellung kaum einen Unterschied. Bei jenem mit großem hängt die Wahl der AfD deutlich davon ab, wie weit rechts die Person insgesamt steht. 18/
Anti-Establishment-Haltung allein macht keinen signifikanten Unterschied. Wer weit rechts steht, wählt AfD. 19/
Hier nun noch der Blick auf die Demokratiezufriedenheit. Wer zufrieden ist, muss schon weit rechts stehen, um AfD zu wählen. Für die Unzufriedenen ist die Wahl der AfD auch dann wahrscheinlicher, wenn sie ideologisch eher mittig positioniert sind. 20/
Was lässt sich daraus schlussfolgern? Vor allem: Die AfD ist keine (reine) Protestpartei, sondern besetzt eine Lücke im Parteiensystem und hat sich "eingemauert"; ihre Wähler sind also kaum erreichbar. Das zeigen die Daten von @Aiko__Wagner für 2017. democracy.blog.wzb.eu/author/wagner/ 21/
In einem 2022 erschienenen Aufsatz befassen @awagner und ich uns mit der Frage, ob und wie Wähler der AfD durch Mainstream-Parteien zurückgewonnen werden können. Die Ergebnisse sind aus Sicht der anderen Parteien ernüchternd. tandfonline.com/eprint/FFDTAXT… 22/
Ginge es allein um die thematische Positionierung, wären AfD-Wähler bspw. durch Anpassung der Mainstream-Parteien in der Migrationspolitik "holbar". Aber die Themen bzw. Ideologie ist nicht der alleinige Faktor, und das stellt für die Mainstream-Parteien ein Problem dar. 23/
Wähler der AfD sind oft rechts *und* populistisch eingestellt. Sie misstrauen den "Eliten" und sehen in der AfD die einzige Partei, die sowohl Themen als auch ihre demokratiepolitische Positionierung bedient. Die Mainstream-Parteien können aber nicht beides zugleich leisten. /24
Siehe dazu auch den Beitrag von @wahlforschung und @LoewNic tandfonline.com/doi/abs/10.108… /25
Long story short: Die AfD war und ist eine rechtspopulistische Partei, die sich programmatisch radikalisiert hat. Das trifft auch auf ihre Wählerschaft zu. 10 Jahre nach ihrer Gründung besetzt die AfD eine Lücke im Parteiensystem, und ihre Wähler sind kaum erreichbar. /26
Das bedeutet nicht, dass eine AfD-Wähler nie andere Parteien wählten. Sondern dass 1. thematische Strategien nicht erfolgversprechend sind & 2. solche Strategien immer von Bestandswählern her betrachtet werden müssen. Risiko großer Verluste bei Unsicherheit über Gewinne. /end
Übrigens, zum Umgang mit der AfD in den Parlamenten empfehle ich die Arbeiten von @as_heinze, die zu diesen Fragen intensiv geforscht hat.

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Jan 10
Populismus, Demokratie und Krise: Was der Sturm auf Capitol, das Brasilianische Parlament und die Corona-Proteste gemeinsam haben. Ein Thread. 1/
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Dec 7, 2022
Die permanente erfolglose Bewerbung auf Professuren—de facto die einzige Form der Entfristung in der Wissenschaft—bedeutet vor allem diese zermürbende Erfahrung zu machen: es fehlt immer noch etwas am eigenen Profil. Und man wird nie wissen, was es ist.
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Nov 24, 2022
⬅️ This person is on the job market.
Alles hat ein Ende, auch Jobs in der Wissenschaft, denn die sind selten entfristet.
Also suche ich nach einer neuen Aufgabe, in der ich meine Fähigkeiten einbringen darf. Hier ein Thread über meine Expertise und Erfahrungen. 1/
👨🏻‍🎓Wer bin ich?
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Nov 2, 2022
Habe heute gelernt, dass man auch ohne jede nachgewiesene wissenschaftliche Expertise einen Ruf als Professor erhalten kann. Das ist beruhigend; dann kann ich das Publizieren ja einstellen.
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Idioten wie mich.
Ich empfehle allen Studierenden, die mich fragen, ob sie in der Wissenschaft bleiben sollen: lassen Sie es, wenn Sie nicht bereit sind, alles andere aufzugeben: Familie, Privatleben, berufliche Sicherheit. Sie werden im Zweifel alles davon verlieren und nichts gewinnen.
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Sep 30, 2022
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Aug 29, 2022
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