Oksana Sabuscho war immer eine scharfe Kritikerin Russlands. Hier kritisiert sie das Ideenrelikt, dass der Erhalt des russ. Imperiums nach 1921 & 1991 erneut besser sei, als die Anerkennung vieler Völker, deren Überleben ständig von Moskau bedroht sei.🧵
Sabuschko erinnert an die große Bedeutung des 18. Oktobers 2022 als die Werchowna Rada (Parlament) der Ukraine die Tschetschenische Republik #Itschkerien als vorübergehend von Russland besetztes Gebiet anerkannte und den Völkermord am tschetschenischen Volk verurteilte.
Den Hintergrund erklärt sie ironisch damit, dass die Staatschefs der Welt 1991 schon genervt waren, dass Länder wie Ukraine, Georgien, Kasachstan mit ihren schwierigen Namen tatsächlich existierten. Ein unabhängiges Itschkeria hatte so keine Chance auf Anerkennung.
Der Zerfall des sowjetischen Imperiums wurde an den Grenzen der Russ. Föderation aufgehalten. Der Preis dafür war „zwei verheerende Tschetschenien-Kriege, für die der Kreml sowohl innenpolitisch als auch international freie Hand bekam."
Somit wurde Tschetschenien-Itschkerien zu „einem Testgebiet für die russische Militärstrategie, die jetzt gegen die Ukraine angewandt wird: Staatlicher Terrorismus als Kriegsführung."
Sie kritisiert die späte Erkenntnis des Westens, dass der russ. Imperialismus in der Sowjetunion ein Problem war. Leider hätte man nur den "Kommunismus für alle Gräueltaten des Sowjetregimes verantwortlich gemacht. Der russ. Imperialismus wurde nie als Problem erkannt."
Warum, fragt Sabuschko, "klammerten sich im Westen so viele an den irrationalen Glauben, dass ein demokratische Wandel in Russland unmittelbar bevorstehe?" Sie wagt den Gedanken, dass dies ein Fall von europäischer "imperialistischer Solidarität" war.
Damit sieht sie #Europa und die EU - ähnlich wie Snyder - kritisch nicht nur als Friedensprojekt nach 1945, sondern als ein Projekt europäischer Staaten, die sich erst nach dem Verlust ihrer Imperien notgedrungen zu Europa zusammenschließen.
Sabuschko: "War es ein 'guilty pleasure', dass die Eliten der ehemaligen westlichen Imperien jahrzehntelang veranlasste nur nachsichtig zu lächeln und nicht zu erschaudern, als sie sahen wie Moskau seine nicht-russ. Untertanen mit kolonialer Überlegenheit behandelte?"
"Russland wird erst eine Demokratie werden, wenn es auseinanderfällt. Das liegt daran, dass Russland kein Nationalstaat ist, sondern dasselbe vormoderne multiethnische Imperium, das nach 300 Jahren immer noch von geograph. Expansion und Ressourcenausbeutung lebt."
"Deswegen ist #Russland dazu verdammt, unter einem wechselnden ideologischen Deckmantel immer dieselben gefängnisartigen politischen Struktur zu reproduzieren, die allein den Zusammenhalt garantieren."
#Sabuscho kritisiert das Ideenrelikt aus dem 19. Jahrhundert, dass es besser sei, das Imperium zu erhalten, als Dutzende Völker anzuerkennen. "Dieses Vorurteil hat dem Imperium im 20. Jhd zweimal das Überleben gesichert: 1921 und 1991. Es ist höchste Zeit, das zu überdenken."
Sie erinnert sich an das "Gespenst der Auslöschung" der Ukraine in den 1970er und frühen 1980er Jahren, bis Tschernobyl diese gesellschaftliche Lähmung durchbrach.
Sabuschko sagt, dass es in jenen Jahren passieren konnte, dass Personen, die es wagten, "in der Öffentlichkeit Ukrainisch zu sprechen, mit dem russ. kolonialistischen Satz "Goworitje po-tschelowetscheski!" (Russisch: Sprechen Sie auf menschlich) gedemütigt wurden."
"Jede Unzufriedenheit mit der Überlegenheit des Russischen wurde als ukrainischer Nationalismus bezeichnet, das schlimmste politische Verbrechen jener Zeit."
"Bei genauer Betrachtung ist dieser Krieg auf Moskauer Seite eine monströs vergrößerte Version der ukr. Säuberungen der 1970er Jahre (Operation Block wurde sie in den KGB-Akten genannt): dieselbe Sprache, dieselben Techniken. Der einzige Unterschied ist der Maßstab."
Sabuschko sagt dann zugespitzt, jede der tausend Raketen sage "Sprich auf menschlich!". "Die Ukrainer antworten mit dem glorreichen Spruch der Verteidiger der #Schlangeninsel. Wir werden die Russische Föderation überleben, so wie wir die Sowjetunion überlebt haben."
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Hier noch ein weiteres Beispiel für Militarisierung der Jugend in Russland: Diese Feier der "Jugendarmee" fand am 23.2.23 zum "Tag der Vaterlandsverteidiger" in Solnetschnogorsk 60km von Moskau statt. "Ich bin sehr stolz" sagt ein Junge und freut sich auf die Kalaschnikow-Stunde.
Die Bilder sind von der Zweigstelle der "Jugendarmee" oder "Jungen Garde" (russ. #Junarmija) in Solnetschnogorsk. Sie zählt 350 Mitglieder, an diesem Tag wurden fast 100 neue Kinder vereidigt. Die "Zeremonie" fand im Kulturhaus "Der Schuss" (Vystrel) statt./1
Der Kommentar sagt, dass es sich um eine "militär. Grundausbildung" & "patriotische Aktivitäten" handle. Die Jüngsten "malen & basteln" für Männer an der Front. Ältere nehmen an verschiedenen Wettbewerben teil. Man habe den "3. Platz in der Region" belegt, so stolz ein Leiter./2
S. Wagenknecht sagt, nicht „der Ruf nach Frieden, sondern die Unterstützung von Militarismus & Krieg“ sind Kennzeichen rechter Politik. Sie sollte russ. Fernsehen schauen: Am 22.2.23 war z.B die Offiziersvereinigung "Söhne des Vaterlandes" in einer Mittelschule in Tschuwaschien⬇️
Es handelt sich um die Bolschejuschskaja-Mittelschule des Bezirks Wurnarski und die Sendung berichtet hier über den sogenannten "Tapferkeits-Unterricht" und Wettbewerb zur "Überprüfung der Ausbildung und Lieder". Zu Beginn: Abfrage von Waffenbezeichnungen. /1
Der Veteran vom Kosmodrom Baikonur sagt hier: "Wir werden unsere Erziehung an künftige Generationen weitergeben" als "Mentoren, im Jahr der glücklichen Kindheit in Tschuwaschien, damit unsere Kinder in diesem Leben glücklich und unser geliebtes Russland gedeihen kann."/2
"Das vergangene Jahr war wie ein Wolkenbruch, wie ein riesiger Schneesturm aus Unglauben, Verwirrung, Fassungslosigkeit & Verstörung. Der grösste Schock war der Beginn des Krieges."
⬇️Wichtiger poetischer Text v. Sergei Gerasimow zum 24.2.22 bei @NZZ
"Natürlich wurden wir nicht zum Tode verurteilt, aber ein grosser Teil von uns, von unseren Persönlichkeiten und unseren Glaubenssystemen, der vor dem 23. Februar Bestand hatte, ist gestorben."
"Unser Leben wird immer im Licht dieses Krieges aufscheinen."
@AnshelPfeffer: "Dieses Kriegsjahr hat nicht nur die Russen & Ukrainer gezwungen, sich ihren Mythen zu stellen. Die meisten Juden auf der Welt - in Israel & der Diaspora - haben ihre Wurzeln in dem Teil der Welt, der einst der 'Ansiedlungsrayon' war." 1/ haaretz.com/jewish/2023-02…
Die Mythen haben ihre Wurzeln im Ansiedlungsrayon, deswegen wurden "Zwei Mythen in diesem Jahr erschüttert. Der erste ist der Mythos vom wohlwollenden Diktator Putin, der - im Gegensatz zu seinen sowjetischen und zaristischen Vorgängern - ein Freund der Juden und Israels war." /2
"Dieser Mythos wurde von einer ganzen Reihe jüdischer Oligarchen und Politiker wie Benjamin Netanjahu verbreitet, die Putin als "besonderen Freund" darstellten, der sich um unsere Interessen kümmere."/3
Andreas Kappeler sagt im Interview, dass die Geschichte der Ukraine eine ungeheure Gewalterfahrung im 20. Jhd prägte und so im kollektiven Gedächtnis der Ukrainer tief verankert sei. Sie werde durch den brutalen Angriffskrieg Russlands wiederbelebt.
Zu den Zweifeln von Helmut Schmidt, ob "überhaupt eine ukrainische Nation" existiere sagt Kappeler: "Helmut Schmidt hat sich gründlich geirrt. Aber diese Äußerung verdeutlicht, wie verbreitet die russische Sichtweise auf die Ukraine selbst im Westen gewesen ist."
Ukrainische Unabhängigkeit: "Für Putin ist das ein Fall von Verrat. Denn das russische national-imperiale Narrativ duldet keine Abweichungen: Wenn die Ukraine nach Unabhängigkeit strebt, stellt sie sich in Putins Weltsicht gegen Russland und die sogenannte russische Welt."
@marci_shore: "Wenn die Deutschen wirklich eine historische Schuld gegenüber den Russen empfinden, dann sollten sie den Ukrainern gerade jetzt die Waffen liefern, die sie brauchen. W. Putin wird sein eigenes Volk ausbluten lassen, bis er besiegt ist./1
"Wohin soll dieser Krieg führen? Die realpolitische Fantasie, Teile der ukrainischen Bevölkerung unter russischer Besatzung zu belassen, ist nicht tragbarer als die Vorstellung, man hätte Teile der jüdischen Bevölkerung unter Nazi-Besatzung belassen können." /2
"Dabei geht es nicht um den Status der Größe. Die Politstrategen denken an ein Opfern von Land. Die Ukrainer wissen, dass Land Menschen bedeutet. O. Matwijtschuk, die 2022 für das von ihr geleitete Zentrum für bürgerliche Freiheiten mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde../3