Zuletzt mahnte #Lindner, dass sich die Zinsausgaben seit 2021 verzehnfacht hätten. Unterlegt wurde die Botschaft in den sozialen Medien mit einem furchteinflößenden Chart.
Gemeinsam mit @DezernatZ haben wir uns angeschaut, was wirklich dahinter steckt.
1/12
Durch die Zinserhöhungen der EZB erhöhen sich auch die Finanzierungskosten von Staatsschulden. Die Renditen auf deutsche 10-jährige Staatsanleihen sind bspw. von -0,31% in 2021 auf zuletzt 2,62% gestiegen. Für eine Verzehnfachung reicht das allerdings nicht aus. 2/12
Ein großer Teil der Steigerung der Zinskosten lässt sich auf höhere Disagio-Kosten und vorherige Agio-Gewinne und deren umstrittene Verbuchung zurückführen.
Aber was sind (Dis)agien überhaupt?🤔 3/12
Gibt der Staat eine Staatsanleihe zum Nennwert von 100 Euro aus, bekommt er in den seltensten Fällen vom Käufer genau 100 Euro dafür. Ist der Zins-Kupon bspw. höher als der Marktzins, zahlt der Käufer gerne mehr, um sich die verhältnismäßig hohe Verzinsung zu sichern. 4/12
In diesem Fall spricht man von Agien. Im umgekehrten Fall handelt es sich um Disagien. In den letzten Jahren konnte der Staat durch die teilweise negativen Zinsen der EZB hohe Agien-Gewinne erzielen. Dieses Bild hat sich mit den Leitzinserhöhungen drastisch geändert. 5/12
Das Problem dabei ist, dass Agien und Disagien vollständig im Jahr der Emission verbucht werden und nicht, wie das @BMF_Bund selbst 2021 vorschlug, verteilt über die Laufzeit der Anleihe. 6/12
Eine im August 2019 neuemittierte 30-jährige Anleihe mit einem Zins von Null wird beispielsweise aktuell zu einem Kurs von 50,4 gehandelt. Bei der Aufstockung am 15.03.2023 im Wert von einer Milliarde Euro, wird der Staat somit ca. 500 Millionen Disagio-Kosten haben. 7/12
Diese Kosten werden im Bundeshaushalt vollständig als Zinskosten des Jahres 2023 verbucht. Würde man die Zinskosten andererseits gleichmäßig über die Laufzeit der Anleihe verteilen, wären die Disagio-Kosten dieser Aufstockung in 2023 lediglich ca. 18 Millionen. 8/12
Die beeindruckende Verzehnfachung der Zinszahlungen ist also zu erheblichen Teilen ein Buchungsartefakt. Verbucht man die Disagio-Kosten periodengerecht, ergibt sich ein anderes Bild als das von Finanzminister Lindner Gezeichnete. 9/12
In der Europäischen Statistik werden die Zinskosten für den Gesamtstaat periodengerecht berechnet (alleine für den Bund leider nicht). Auch hier steigen die Zinskosten, allerdings nicht ansatzweise so stark, wie in der verzerrten deutschen Buchhaltung. 10/12
Spätestens jetzt wäre es also an der Zeit, die lange geforderte Änderung der Buchhaltungsregelungen durchzuführen. Der Staat sollte die Kosten seiner Verschuldung kennen und die eigenen Anreize nicht durch kurzsichtiges Accounting aus dem Mittelalter verzerren. 11/12
Alles also kein Problem?
Das wäre wohl zu kurz gesprungen. Welche Implikationen wir für die Finanzpolitik sehen und was das ganze mit Schneebällen zu tun hat, könnt ihr im Geldbrief von @maxkrahe@PhilippaSigl und @lmuehlen nachlesen. 12/12
In his comment for @fteconomics , Wolfgang Schäuble claims that we need to return to fiscal discipline in order to sustain social peace in #Europe. He couldn't be more mistaken. We are young German economists and we strongly disagree with several arguments he made. A thread:
He claims that “Most lenders to states are wealthy individuals and entities. Public borrowing increases their wealth, widening the gulf between rich and poor.” This is extremely oversimplified. The distributional effects of public borrowing are not that clear.
Even in a world with significant interest rates on govt debt, public borrowing may reduce inequality (there is a simple model by C.C. von Weizsäcker). Most important: Govt expenditure (education, social benefits) often reduces inequality. These effects need to be accounted for.