Über falsche Hoffnungen bezogen auf Entwicklungen der russischen Invasion in der Ukraine und warum die Implikationen solcher riskant für den Erfolgt der Ukraine sind:
1/ 🧵⬇️
Einleitend meine Gedankenwelt und den Hintergrund dieses Threads. Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass es bei den Verbündeten (pauschalisiert) der Ukraine die Erwartung gab Russland würde an einem Punkt von einer militärischen Lösung ablassen und verhandeln wollen.2/
Es geht nicht um die gesamt-militärische Niederlage der Russen in der Ukraine, man will dass Russland selbst den Fehler einsieht und zum Verhandlungstisch kommt. Hier Olaf Scholz in einem Interview für den RND.3/ rnd.de/politik/olaf-s…
mMn. hat man sich mit dieser Haltung verzockt. Russland eskaliert immer weiter und stellt sich auf einen langen Krieg ein. Dafür sprechen z.B. die in Russland politisch riskante Mobilisierung, Kriegswirtschaft, weitere Entwicklung von Autoritarismus zur Diktatur, Rhetorik.4/
Im Herbst letzten Jahres hat es eine militärische Möglichkeit gegeben einen wichtigen Vorentscheid zu erzwingen. Ca. 30.000 russische Soldaten waren am Westufer des Dnipro in einer nahezu ausweglosen Lage. Wie auch immer konnte Russland die Katastrophe abwenden.5/
Auch die Befreiung von Kherson als einzige von den Russen eroberte Provinzhauptstadt führte nicht zum Einlenken Russlands, im Gegenteil. Ein Jahr später sehen wir weder auf Seiten Russlands noch auf Seiten der Verbündeten ein Wechsel der Strategie.6/
Russland sollte mittlerweile zigfach die Munition ausgehen, zehntausende Russen sollten im Winter erfrieren, die Ukrainer hätten im Winter eine Offensive führen sollen und die russische Logistik hätte aufgrund fehlender Kugellager auch zusammenbrechen müssen.7/
Passiert ist davon nichts. Wir müssen dringend umdenken. Warten wir nicht länger auf Einlenken Russlands, ein Zusammenbrechen der russischen Truppen oder der Wirtschaft. Wir sollten aus dem Blickwinkel von Worst-Case-Szenarien aus Sicht der Ukraine denken.8/
Wenn wir das nicht tun und uns stattdessen die Informationslage besser interpretieren als die Wahrscheinlichkeiten es zulassen, dann ist das Resultat ein Lagebild bei dem weniger militärische, finanzielle, politische und humanitäre Hilfe notwendig scheint als dies der Fall ist.9/
Im Zweifel haben wir von allem zu viel geliefert und uns mittel- bis langfristig zu gut aufgestellt. Aber zur viel beschworenen Besonnenheit gehört eine Vorsorge und Nachhaltigkeit genauso dazu wie das genaue Abwägen von Risiken.10/
Weil man scheinbar nicht an einen langen Krieg glauben wollte oder es am langfristigen Unterstützungswillen mangelt sind nun nach einem Jahr noch immer keine Munitionsbestellungen für Artilleriegranaten und Co. im notwendigen Milliardenwert an die Industrie gegangen.11/
Ein notwendiger Ausbau der Produktionskapazitäten, die die Versorgung der Ukraine und im Idealfall das Wiederauffüllen sowie das nötige Aufstocken unserer eigenen Bestände hat daher bis heute nicht statt gefunden. Neben den militärischen Implikationen auf dem Schlachtfeld 12/
lässt u.a. auch dieses Signal des Nichts-Tuns den Kreml weiterhin denken, dass die Zeit mittel- bis langfristig (d.h. für eine Zeit nach der ukrainischen Offensive) für Russland spielt. Eben jene fehlende Signale haben sicherlich auch die Kosten-Nutzen-Kalkulation 13/
des Kremls für die Entscheidung über den Einmarsch am 24. Februar zusätzlich begünstigt. Statt nun sehnsüchtig auf das Eintreffen von Kampf- und Schützenpanzern und die ukrainische Offensive zu warten, gilt es jetzt darum dringend die Schalter für die Zeit danach umzulegen.14/
Die ukr. Offensive wird schwierig und ist voller Risiken auch hier würde das starke Signal eines "All-In" der Verbündeten helfen bis zu dem Punkt an dem es sich nicht mehr nur noch um ein Signal handelt, sondern hunderttausende Artilleriegranaten monatlich geliefert würden.15/
Die Unterstützung der Ukraine ist der beste Hebel den wir haben um auf Russland Druck auszuüben, alles andere ist lediglich Hoffnung und Zockerei auf dem Rücken der Ukraine. Mir ist sehr gut bewusst, dass dieser Thread verkürzt und unvollständig ist. 16/
Er entstand aus einer Laune heraus die Beobachtungen der letzten Monate zustande kam. Ich bin sowohl willens als auch fähig meine Gedanken und Meinung dazu in in Spaces als auch schriftlich weiter zu vertiefen und zu erklären.17/
Für etwaige Diskussionen möchte ich allerdings anmerken, dass ich hier den Zeitraum nach einer ukrainischen Offensive betrachte. Eventuelle Befreiungen im Rahmen der Offensive ändern also an meiner Einstellung nichts. Ich bin optimistisch für den Erfolg der Offensive.18/
Ich befürchte aber auch das Verhalten und die Durchhaltefähigkeit der Verbündeten danach. Und würde ungern zusehen wie Russland noch einmal durch unser Zögern in die Lage kommt die Front erneut stabilisieren zu können.19/
Wenn überhaupt etwas an dieser Situation als positiv beschrieben werden kann, dann dass wir alle Möglichkeiten haben die Ukraine bis zu ihrem Sieg zu unterstützen und das Maß unserer Unterstützung bestimmt auch wesentlich den Zeitpunkt des Sieges. Es braucht nur den Willen! 20/
@ulenrich Okay, ich sag jetzt mal was als Nicht-Militär, ich versteh diese Spielfeld-Floskel nämlich auch nicht so richtig. Du sagst das seit Tagen mit den "Spielfelder aufmachen", ohne das mal zu erläutern und zu belegen. Deswegen kann man dazu auch nicht argumentieren, weil unklar 1/X
@ulenrich Das hört sich so ein bisschen nach einer aufgeschnappten Floskel an. Als ob ich jetzt sagen würde, die Ukraine gewinnt und begründen tu ich das geheimnisvoll mit "weniger ist mehr". Also führe das doch mal genauer aus, mit Zahlen, Fakten, Daten. 2/X
@ulenrich Wenn du z.B. militärische Fronten mit Spielfeldern meintest, dann könnte man sagen, dass Putin ja bereits Truppen aus dem Donbass in den Süden verlegen lassen musste, weil er gar nicht mehr die Kapazitäten hat um "neue Spielfelder aufzumachen" 3/X