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Apr 27 15 tweets 3 min read Twitter logo Read on Twitter
Ein unsäglicher Titel und ein schwacher Artikel, der Essstörungen, ungesunde Ernährung (Junkfood) und vegane Ernährung einfach mal in einen Topf wirft und mit unsachlichen Argumenten Veganismus als eine modische Panne deklariert.

Ein Faktencheck 🧵

rtl.de/cms/dr-anne-fl…
Unter Berufung auf die Ernährungsmedizinerin Dr. Anne Fleck wird hier versucht, den Veganismus als eine Modeerscheinung darzustellen, die erstens ungesund sei und zweitens des "Frieden des gemeinsamen Familienessens" störe. Zudem reduziert die Autorin vegane Ernährung auf
"Jugendliche, die sich nur von veganen Ersatzprodukten mit zahlreichen Zusatzstoffen ernähren". Im gleichen Atemzug werden Teenager genannt, die sich ausschließlich Cola und Fastfood reinziehen. Warum ist diese Darstellung gleich in mehreren Punkte falsch?
1. Schauen wir erstmal
auf den ethischen Aspekt: Laut Artikel "stören" die Essgewohnheiten der Teenager den familiären Frieden. Schließlich möchten Mama und Papa ja nur zum gemeinsamen Abendessen das Brathähnchen oder die Salami-Pizza servieren. Der verzogene Nachwuchs aber scheut tierische Produkte
und zerstört somit die idyllische Atmospäre am Essenstisch. Nun, aus Sicht eines Großteils der Boomer-Generation mag dies plausibel klingen aber realistisch betrachtet ist genau das Gegenteil der Fall! Junge Menschen, die sich trotz anderer familiärer Prägung dazu entschließen,
vegan zu werden, beweisen zunächst einmal Mut und differenziertes moralisch basiertes Denken! Beim Essen hört schließlich die Freundschaft auf und wenn der Sohnemann oder die Tochter dem Vater die Bratwurst madig macht, dann kann dies schon erhebliches Konfliktpotential bieten.
Keinesfalls ist es jedoch so, dass man hierfür den Kindern den Vorwurf machen kann, denn schließlich sind es diejenigen, die bereit sind, sich mit den ethischen und ökologischen Problemen der Tierhaltungsindustrie auseinanderzusetzen und hieraus Konsequenzen zu ziehen.Den Frieden
stören da aus meiner Sicht viel eher die Eltern, die weiterhin stur an ihren Ernährungsgewohnheiten festhalten, ohne sich über die Folgen Gedanken zu machen.
2. Das immer wiederkehrende Argument: Vegan=Ernährung von ungesunden Ersatzprodukten. Diese undifferenzierte Sicht auf den
Veganismus zeugt davon, dass im Kern die wesentlichen Argumente gegen eine vegane Ernährung fehlen. Wer sich intensiv damit beschäftigt, weiß nämlich ganz genau, dass eine gut geplante vegane Ernährung mit Supplementation kritischer Nährstoffe eine überaus gesunde Ernährungsform
darstellt. Sicherlich gibt es Teenager und genauso gut aber auch Erwachsene, die sich überwiegend von Ersatzprodukten ernähren. Dies ist nicht gesund und darf gerne thematisiert werden, ist aber letztlich überhaupt kein Argument gegen den Veganismus. Umgekehrt müsste man dann ja
den Fleischjunkies vorschreiben, dass sie sich keinesfalls weiterhin omnivor ernähren dürfen, da die Ernährung ja nur aus Bratwurst und Schnitzel bestehe. Man sieht schnell,auf welch dünnem Eis diese Argumentation aufgebaut ist.
3. In einem weiteren Kontext wird von Essstörungen
gesprochen. Hierbei ist mir fast die Spucke weggeblieben. Denn erstens ist eine Essstörung wie Anorexie oder Bulimie eine schwere, potentiell lebensbedrohliche Erkrankung, die sicherlich nicht darauf reduziert werden kann, dass man damit den Frieden am Esstisch stört. Geradezu
fatal ist es, dass die Autorin unmittelbar nach dem Abschnitt über Junkfood und Veganismus den Übergang zur Essstörung sucht. Hier werden Begrifflichkeiten miteinander vermischt, die man strikt trennen sollte: Wer sich täglich mit Junkfood vollstopft, ernährt sich sicherlich
ungesund, hat aber noch lange keine Essstörung. Und vegane Ernährung hat nun erstmal mit einer Esstörung gar nichts zu tun. Zwar kann die vegane Ernährung bei einer schon bestehenden Essstörunge durchaus problematisch sein, sie wird aber im Umkehrschluss nicht dadurch ausgelöst.
Fazit: Ein insgesamt schwacher, polemisch anmutender und auf plumpen Verallgemeinerungen basierender Artikel. Eine differenzierte Ernährungsmedizinerin sollte sich für so einen Artikel nicht hergeben! #goVegan #Ernährung #Ernährungsmedizin

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