Letzten Mo. war ich auf einer Podiumsdiskussion zu Kapitalismus- u. Konsumkritik mit Niko Paech u. Michael Heidemann - als Liberaler unter Postwachstumsdenkern u. Sozialismustheoretikern.
Es war eine interessante, denkwürdige Veranstaltung, bei der ich 3️⃣ Sachen gelernt habe. 🧵
(1) 1️⃣ Das linke Lager war offener, diverser als gedacht.
Dass ich sprechen durfte, zeigt dies.
Einig waren sich die Linken im Antikapitalismus. Heftigen Steit gab es um die Frage, wie er "zur Rettung der Erde" abzuschaffen sei. Mit Postwachstum od. Planwirtschaft? (Hilfe!)
(2) 2️⃣ Fest steht: Antikapitalistische Glaubenssätze sind unzerrüttbar.
Im Einstiegsvortrag habe ich eine Menge von Daten/Grafiken gezeigt, die belegen, dass sich die Untergangsprognosen der 70er ("Grenzen des Wachstums") nicht nur als falsch herausgestellt haben, ...
(3) sondern, dass sogar das Gegenteil passiert ist: In der Zeit, in der die größte Öko-Katastrophe hereinbrechen sollte, wurden die größten Fortschritte der Menschheit in Sachen Armutsbekämpfung, Katastrophenschutz, Lebenserwartung etc. gemacht!
(4) Die Reaktion darauf? Keine.
Stattdessen verzettelte man sich in Marx-Exegese. Auf die genannten Trends wurde nicht eingegangen. Stattdessen wurden die Untergangsprognosen der 70er einfach...wiederholt! Primär von der Postwachstumsseite. Ich war baff.
(5) Einig waren sich beide Lager wieder darin, dass d. Kapitalismus ein gr. Unterdrückungsapparat sei, woraufhin ich entgegnete, dass er d. Befreiung aus Armut, Plackerei u. Naturgewalt erst ermöglicht habe - dass es aber gleichwohl starke Sozial- u. Umweltschutzgesetze brauche.
(6) Klar, der Kapitalismus muss an die Kandare genommen werden. Und es ist längst nicht alles gut. In vielen Ländern ist die soziale Ungleichheit skandalös und in zu vielen Regionen weltweit gerät immer noch zu viel Natur unter die Räder.
(7) Mein Hauptkritikpunkt an Konsumkritik war also nicht, dass sie soziale u. ökologische
Folgen d. Industrialisierung auf d. (Schul-)Agenda gesetzt hat, das betrachte ich sogar als ihr größtes
Verdienst. Sie hat auch Recht, dass es sich bei Umwelt- u. Klimaproblemen um...
(8) Marktversagen
handelt, weshalb es den Staat braucht – aber doch bitte nicht, um das Rad der Geschichte
zurückzudrehen, Wachstum zu unterbinden und freie Märkte abzuschaffen, sondern gerade, damit
sie funktionieren! Die größten Umweltprobleme entstehen doch dort, wo...
(9) Kosten sozialisiert statt
privatisiert werden – wie die Überfischung der Meere oder die Umweltbilanz des Ostblocks zeigt.
Sind Kosten durch den Staat unter Berufung auf Eigentums- und
Haftungsprinzipien internalisiert, setzt dies Anreize dafür, ...
(10) Umweltschäden möglichst gering zu halten, weil Ressourcensparen Kosten senkt und Gewinne erhöht.
So viel zu den Marxisten.
Und zu Postwachstumstheoretikern: Wer Natur und Klima schützen will, indem er Wachstum Wohlstand verhindert, wird am Ende beides verlieren.
(11) Ein humanistischer Umweltschutz bejaht den Wohlstandswillen der Menschen, sieht sie nicht als Plage der Erde. Ja, Wachstum und ein besseres Leben gehen zunächst oft auf Kosten der Natur. Er befreit aber auch aus ihren Zwängen und legt somit die Grundlagen für ihre Erholung.
(12) Denn wirt. Fortschritt ermöglicht Menschen nicht nur ein längeres besseres Leben, sondern auch, dass der Wald zurückkommt, Gewässer und Luft sauberer werden und Emissionen wieder sinken – weil die Menschen Zeit haben, sich um die Natur zu sorgen und Kapital in die..
(13) Entwicklung einer effizienten Land- und Energiewirtschaft zu investieren, in klimaschonende Innovationen, Klär- und Filteranlagen, in Bekämpfung von Brandrodung, in Aufforstung oder die Anpassung an den Klimawandel.
(14) Durch eine kluge Kombination aus...
- strengem staatl. Naturschutz, Emissionsgrenzwerten, Investitionen in F&E
plus
- hochproduktiver Wirtschaft und marktw. Entdeckungswettbewerb
= ist eine Entkopplung von Wohlstand u. Naturzerstörung möglich!
(15) Als ich all dies darlegte, hielt man mir entgegen, dass diese Entkopplungsthese längst widerlegt worden sei. Kapitalismus und Umweltschutz schlössen sich einfach aus. Basta.
Und das, obwohl ich im Einstiegsvortrag viele Entkopplungstrends gezeigt hatte und...
(16) es laut dem Environmental Performance Index der @Yale umgekehrt ist: Je wohlhabender ein Land, desto besser geht es der Umwelt.
(17) Hier kamen dann 2 Gegenargumente: 1. Es sei nur relative Entkopplung. 2. Wir hätten unsere Umweltprobleme mit den Industrien ins Ausland verlagert. Beides ist falsch.
(18) 1. Entkopplung von Wohlstand u. Ressourcen, Landverbrauch u. sogar CO2 ist absolut.
2. Umweltprobleme haben sich bei uns *vor* Liberalisierung des intern. Handels, d. Aufstieg Chinas u. Auslagerungen gebessert.
Außerdem ist die CO2-intensive Industrieproduktion...
(19) z.B in den USA (auch Dtl.) sogar *gestiegen*. Beide Länder haben einen hochprod. Agrarsektor u. dennoch/gerade deshalb *Entkopplung* erreicht. Andere Länder folgen.
V.a. aber wunderte mich, das beide Lager nicht sahen, dass ihre Ansätze NIRGENDS Erfolge gezeitigt hatten.
(20) Kein Wort, dass sowohl Grundannahmen d. Marxismus als auch d. Postwachstumsökonomie KOMPLETT falsifiziert wurden: Weder verelendete Umwelt u. Arbeiter in kapit. Demokratien noch starben Milliarden Menschen wg. Grenzen des Wachstums, Ernteausfällen o. Dürren - im Gegenteil!
(21) Das genaue Gegenteil passierte!
Ich fordere nicht, dass nun alle ökomoderne Positionen als neue "Wahrheit" übernehmen müssen - auch der Ökomodernismus hat Schwachstellen. Es gibt viel zu tun.
Aber das Nichtloslassenkönnen von überholten Theorien verwundert.
(22) Die Debatte hat auch gezeigt, dass alle Seiten offen, keine dogmatisch war. Gerade die Marxisten waren selbstkritisch, Antworten suchend. Es ging (hart) um die Sache - keine Spur von Cancel Culture.
(23) 3️⃣ Es zeigte mir aber auch, wie schwach meine ökomoderne, liberale Seite gewirkt hatte. Statt nur auf Daten u. pragmatische Lösungen zu setzen, müssten Liberale viel stärker Theorien, Bücher, Emotionen, Visionen bieten, die fesseln u. eine Geschichte erzählen - wie diese:
(24) Und nicht zuletzt das Buch von Vince, zu dem ich auch ein Kapitel über Bildung in d. (Klima-)Krise schreiben durfte.
Fazit: Der Mensch ist ein Homo Narrans. Das habe ich an diesem Abend eindrücklich erlebt.
Der akt. IPCC-Bericht wird nicht nur zum Anlass genommen, auf Klimaschutz zu drängen, sondern auch für apokalyptische Rhetorik. Seit ü30J kurz vor 12 - siehe Zitate. ⤵️
Prüfen wir also, wie sich die Welt seit dem ersten IPCC-Bericht entwickelt hat. 🧵
(1/14) @derspiegel warnte übrigens schon 1986: Nur noch zwei Jahrzehnte bis zur Klimakatastrophe - sagen Experten!
Statt diese Prognose heute zu überprüfen, legte er den Weltuntergang 2022 einfach nochmal auf.
Nun, schauen wir in die Daten.
(2/14) Anteil der Weltbevölkerung, die in extremer Armut lebt: Deutlich gesunken. ⬇️
In nur 36 Jahren von 35 auf unter zehn Prozent (!) - obwohl heute fast drei Milliarden Menschen mehr auf der Welt leben als damals!
Warum guckt d. Generation, d. in einer Zeit großgeworden ist, in der d. größten Fortschritte bei Armuts- & Krankheitsbekämpfung, Lebenserwartung & Katastrophenschutz gemacht wurden, am pessimistischsten in d. Zukunft?
Bei @thinkBTO habe ich versucht, Antworten zu finden. 🧵
(1) Tatsache ist, dass sich Wissenschaft/IPCC im akt. Klimabericht vom Worst-Case-Szenario RCP8.5, das bis dahin als "Business-as-usual" bezeichnet u. am meisten zitiert wurde, verabschiedet hat, weil dieses deutlich zu pessimistisch modelliert war u. Fortschritte ausblendete.
(2) Dem Forscher @jritch waren die überholten Annahmen, auf denen diese Worst-Case-Szenarien fußten, aufgefallen.
Diese nicht haltbaren Worst-Cases waren übrigens Hauptreferenz medialer Prognosen zu Ausmaß und Existenzgefährdung durch den Klimawandel. sciencedirect.com/science/articl…
Weil sich @Markus__Lanz ggü. @rochel_carla etwas stümperhaft verhielt, wird er nun dafür verlacht, auf Klimaanpassung hingewiesen zu haben. Kaum einer hinterfragt hingegen die apokalyptischen Aussagen von @AufstandLastGen. Das kann so nicht stehen bleiben. Ein 🧵
(1) Zunächst: Wenn man auf die Bedeutung von Anpassung hinweist, heißt das NICHT(!), dass wir das als Ausrede fürs Nichtstun beim Klimaschutz nehmen sollten.
(2) Die Geschichte der Anpassung ist wohl eine der größten Erfolgsstories der Menschheit überhaupt: Obwohl sich die Weltbevölkerung vervielfachte, ist die Zahl der Opfer von Natur- und Hungerkatastrophen *drastisch* gesunken!
Was mich wirklich ärgert, ist die einseitige, tendenziöse Berichterstattung zur Hitze in (Süd-)Europa auf allen Kanälen.
Ja, die globalen Durchschnittstemperaturen steigen, der Klimawandel ist ein Problem, Hitzetage und Waldbrandgefahr nehmen (auch bei uns) zu. ⤵️ (1/6)
Richtig ist aber auch, dass mit steigendem Wohlstand, besserer Technik und Überwachung immer *weniger* Menschen an Naturkatastrophen (u.a. Hitze und Dürre) sterben, dass die von Waldbränden betroffene Fläche *sinkt*, ... (2/6) ⤵️
obwohl die Wälder *wachsen*, die Weizenernten *wachsen* und die Verwundbarkeit ggü. Naturkatastrophen sogar global gesehen gering ist, obwohl die Weltbevölkerung gewachsen ist. (3/6) ⤵️
Zeit für ein Fazit zu meinem Essay in @zeitonline. Ich habe viel pos. Feedback bekommen, durfte interess. Kontakte knüpfen, neue Projekte und Ideen haben sich ergeben. Aber ich möchten gern noch auf die häufigsten Kri ihnentikpunkte eingehen. Ein Thread 🧵 zeit.de/2022/17/klimak…
(1) Viele Kritiker warfen mir Verharmlosung d. Klimawandels oder Zweckoptimismus im Angesicht der Klimakatastrophe vor. Ein Missverständnis: Die Klimakrise lässt sich nicht durch ein blindes "Weiter so" lösen - noch weniger aber durch Postwachstumsdenken & Katastrophismus.
(2) Im Text zitiere ich Fakten u. IPCC-Autoren, führende Klimaexperten wie @oneill_bc, @hausfath, @FrediOtto, die alle explizit vor Klimarisiken warnen, aber auch Unsicherheiten benennen, die entscheidende Bedeutung u. Erfolge von Anpassung betonen und Übertreibungen meiden. ⤵️