Sergei Karaganow, Hochschul-Dekan in Moskau und enger Berater Putins, veröffentlichte am Dienstag in „Russia in Global Affairs“ einen Artikel,
in dem er für bedingungslose nukleare Erstschläge Russlands gegen europäische Städte argumentiert🧵
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Karaganow begründet die Notwendigkeit des baldigen Einsatzes taktischer russischer Nuklearwaffen gegen europäische Städte
- unabhängig vom Ausgang des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.
Für den Ausgang des Krieges bewertet er verschiedene Szenarien:
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Als ungünstiges Szenario sieht er eine vollständige russische Eroberung der Ukraine.
Da dann die ukr. Bevölkerung -die Russland größtenteils hasst- zu „erlösen“ sei.
Die „Erlösung“ [=Maßnahmen, wie die des orwellschen ‚Ministy of Love‘]
würde mehr als ein Jahrzehnt dauern.
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Das sieht Karaganow negativ.
Da Russland dadurch „im Westen feststecke“.
Und die Unterdrückung der Ukraine mit einer vom Westen unterstütze Guerilla, russische Militär- und Finanz-Ressourcen abziehen würde.
Man habe die Ukraine schon zu Sowjetzeiten zu stark subventioniert.
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Karaganow hält es für wichtiger, den Schwerpunkt russischer Politik auf den Osten Eurasiens zu verlagern.
Eine Optimale Lösung für die Ukraine wäre daher seiner Meinung nach:
Annexion des Südens und Ostens der Ukraine und eine Erzwingung der Kapitulation der Restukraine.
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Die Restukraine solle dann vollständig entmilitarisiert werden und ein befreundeter Pufferstaat werden.
Dazu müsse aber „der Wille des Westens gebrochen werden, die 'Kiewer Junta' zu unterstützen“.
Um diese zu Kapitulation und Rückzug zu zwingen.
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Karaganow sieht -in lupenreinem Putinismus- die Ursachen des Konflikts in einem „Versagen der westlichen Eliten“
die als Kolonialisten den Globalisierungskurs der letzten Jahrzehnte hervorgebracht hätten.
Er wähnt einen moralischen und ökonomischen Zusammenbruch des Westens
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In seiner Wahnwelt sieht er China und Indien als Triebkräfte eines Wandels des globalen Machtgefüges,
als „dessen militärisch-strategische Stütze Russland von der Geschichte auserkoren wurde“.
[ fühlte Hitler sich nicht auch von ‚der Vorsehung‘ berufen? ]
8/35
In putinistischer Paranoia behauptet Karaganow, die USA habe die Ukraine in eine „schlagende Faust“ verwandelt, um Russland als „militärisch-politischem Kern der nicht-westlichen Welt“ die Hände zu binden.
Und die aufstrebende Supermacht China radikal zu schwächen.
9/35
[Hier ein absurder logischer Widerspruch:
Wenn Russland doch der militärische Kern der nicht-westlichen Welt wäre, wie ist dann China Supermacht?
Wer hat den Hut auf?
Und wieso macht Russlands Schwäche China schwach?
Die haben -aus Gründen- nicht mal eine Militärallianz]
10/35
Nicht fehlen darf natürlich der Hinweis auf moralische Verkommenheit des Westens durch 70 Jahre Wohlstand und Frieden.
Durch den „Unkraut“ genährt würde:
„..menschenfeindlichen Ideologien, die die Familie, die Heimat, die Liebe zwischen Mann und Frau, den Glauben ablehnen“.
11/35
[„Wokeness“ als Zeichen für moralische Verkommenheit westlicher Eliten ist ja das Feindbild, auf das sich rechtsextreme im Westen einigen können.
Das wird hier von Karaganow im Weiteren auch als ein Argument für die Legitimität von Atomschlägen gegen den Westen genutzt]
12/35
Kernaussage Karaganows:
„Ein Waffenstillstand ist möglich, aber Frieden ist es nicht.“
Er sieht den Westen in einem „liberalen Faschismus“, seine verirrte Eliten hätten in 75 Jahren Frieden
„die Schrecken des Krieges vergessen und aufgehört, sich vor Atomwaffen zu fürchten“
13/35
Karaganow überhöht Atomwaffen in religiösem Wahn:
„Die Entwicklung von Atomwaffen war das Ergebnis einer göttlichen Intervention.
Gott übergab der Menschheit eine Waffe des Armageddon
um diejenigen, die die Angst vor der Hölle verloren hatten, an deren Existenz zu erinnern“
14/35
„Es war diese Angst [vor Atomwaffen], die den relativen Frieden während des letzten Dreivierteljahrhunderts sicherte. Diese Angst ist nun verschwunden.
Diese Angst muss wiederbelebt werden. Sonst ist die Menschheit dem Untergang geweiht"
15/35
„Indem wir den Willen des Westens brechen, die Aggression [der Ukraine] fortzusetzen, werden wir nicht nur uns selbst retten und die Welt endlich von dem westlichen Joch befreien,
sondern wir werden auch die Menschheit retten
Indem wir den Westen zu einer Katharsis zwingen“
16/35
„ Wir können noch ein oder zwei oder drei Jahre weiterkämpfen und dabei Tausende und Abertausende unserer besten Männer opfern und Zehn- und Hunderttausende von Menschen, die in den Gebieten leben, die sich jetzt Ukraine nennen, niedermahlen...“
17/35
"aber die Militäroperation kann nicht mit Sieg enden, ohne den Westen zur Kapitulation zu zwingen und ihn zu zwingen, die Versuche globale Vorherrschaft zu bewahren, aufzugeben.
Grob gesagt, muss er ‚abschwirren’, damit Russland und die Welt ungehindert vorankommen können.“
18/35
„Wir müssen nukleare Abschreckung wieder zu einem überzeugenden Argument machen.
Indem wir die Schwelle für Einsatz von Nuklearwaffen senken -die unannehmbar hoch angesetzt ist- und indem wir schnell, aber umsichtig auf der Abschreckungs-Eskalations-Leiter nach oben gehen“
19/35
Es kann auch der Punkt kommen, an dem wir unsere Landsleute und alle Menschen guten Willens auffordern, ihre Wohnorte in der Nähe von Einrichtungen zu verlassen, die zu Zielen von unseren Angriffen in Ländern werden, die das Marionettenregime in Kiew direkt unterstützen“
20/35
Karaganow schreibt dann diesen Satz:
„Der Feind muss wissen, dass wir bereit sind, einen [nuklearen] Präventivschlag als Vergeltung für alle seine gegenwärtigen und früheren Aggressionsakte zu führen,
um ein Abgleiten in einen globalen thermonuklearen Krieg zu verhindern.“
21/35
So ein Irrsinn ist eine weitere Stufe der verbalen Eskalation des russischen Regimes.
Wo ist der internationale Aufschrei gegen dieses brandgefährliche Gedankenspiel?
Karaganov versucht dann zu argumentieren, warum ein Erstschlag keine Konsequenzen für Russland habe:
22/35
Zitat Karaganow:
„Ich habe schon oft gesagt und geschrieben, dass das Risiko eines nuklearen oder sonstigen "Vergeltungsschlags" [des Westens] auf unser [russisches] Territorium auf ein absolutes Minimum reduziert werden kann.“
[Solche Sätze galten bisher als böse Satire]
23/35
Zitat:
"Nur ein Verrückter [im Weißen Haus], der vor allem Amerika hasst, würde den Mut haben, zur 'Verteidigung' der Europäer zurückzuschlagen.
Und damit sein eigenes Land aufs Spiel zu setzen und Boston für [einen russischen Nuklearschlag auf] Posen zu opfern.“
24/35
Karaganow versucht also, die Glaubwürdigkeit der NATO- Beistandsverpflichtung in Frage zu stellen.
Trumps Dummschwätzerei hat dieser Propaganda durchaus Wasser auf die Mühlen gegeben.
Aber wer glaubt, die USA würden ihre zentralen Verbündeten unter den Bus schubsen?
25/35
Karaganow:
„Was ist, wenn sie [die westlichen Staaten]den Selbsterhaltungstrieb völlig verloren haben?
In diesem Fall müssen wir eine Reihe von Zielen in einer Reihe von Ländern [nuklear] angreifen, um diejenigen, die den Verstand verloren haben, zur Vernunft zu bringen“
26/35
„Moralisch gesehen ist dies eine schreckliche Entscheidung, da wir Gottes Waffe einsetzen und uns damit selbst zu geistigen Verlusten verdammen.
Aber wenn wir dies nicht tun, kann nicht nur Russland sterben, sondern die menschliche Zivilisation wird aufhören zu existieren.“
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„Selbst Freunde & Sympathisanten werden uns anfangs nicht unterstützen.
Wäre ich Chinese, würde ich nicht wollen, dass der gegenwärtige Konflikt zu früh endet.
Denn er lenkt US-Streitkräfte ab und gibt China die Möglichkeit, Kräfte für eine Entscheidungsschlacht zu sammeln“
28/35
„Wenn Russland einen Nuklearschlag durchführen würde, würden die Chinesen dies verurteilen, aber sie würden sich auch im Herzen freuen, dass dem Ansehen und der Stellung der Vereinigten Staaten ein schwerer Schlag versetzt wurde.“
29/35
„Wir können kaum mit einer schnellen Unterstützung rechnen.
Auch wenn viele Länder des globalen Südens Genugtuung über die Niederlage ihrer ehemaligen Unterdrücker empfinden würden, die sie ausgeraubt, Völkermorde verübt und ihnen eine fremde Kultur aufgezwungen haben.“
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„Aber am Ende werden Gewinner nicht verurteilt.
Und Rettern wird gedankt.
Der Rest der Welt erinnert sich mit Dankbarkeit daran, wie wir China vor japanischer Besatzung befreit haben. Und wie wir Kolonien geholfen haben, sich vom kolonialen Joch zu befreien.“
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Zum Kontext der Publikation, in dem dieser Text veröffentlicht wurde:
Sie möchte eine wissenschaftlich zitierfähige Fachzeitschrift mit Scopus Indexierung sein.
Russland,
dessen innere Ordnung zusammenbricht,
dessen Eliten ohne öffentlichen Widerspruch so skrupellosen den Einsatz nuklearer Gewalt zur Durchsetzung von Machtpolitik propagieren,
hat sich ins finsterste Mittelalter verloren.
Damit kann es keine Verhandlungen geben.
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Der rechte US Vordenker Sumantra Maitra glaubt, die AfD könne niemals gewinnen:
Sie habe ihr Plateau erreicht. Die Strategie der Zusammenarbeit mit der AfD sei eine "Totgeburt".
Interessant auch, was Maitra zu einem souveränen Europa schreibt:
Das müssten die USA verhindern. 1/7
Maitra behauptet "die USA" (wer auch immer damit gemeint ist) wollten nicht, dass die EU eine "hegemoniale Identität" entwickelt.
Hegemonie worüber? Über Europa?
In Maitras Denkmustern ist also europäische Selbstbestimmung eine "Hegemonie".
Weil sie andere Mächte einschränkt? 2/7
Nach Maitras Ansicht sei die Strategie der USA,
ein geeintes Europa
-mit einer gefestigten Identität
-unter einer Flagge
-mit einer gemeinsamen Regierung und
-mit einer gemeinsamen Armee
zu verhindern.
Trumps Politik folge dem US-Prinzip "Teile und Herrsche". 3/7
Eine Reihe an Beispielen der letzten 100 Jahre zeigt, wie unscharfe "Sicherheitsgarantien" in internationalen Verträgen nur Lippenbekenntnisse waren, die bei der Eskalation des Konfliktes das Papier nicht wert waren, auf dem sie standen.
1/13
Beim Münchener Abkommen vom 30. 11. 1938 wurde der Tschechoslowakei nach Abtretung des Sudetenlandes eine Sicherheitsgarantie Frankreichs und Großbritanniens in Aussicht gestellt.
Dazu kam es dann nicht mehr, da Deutschland die “Rest-Tschechei” am 15. 3. 1939 annektierte.
2/13
Sicherheitsgarantie für Polen
In der Britisch-Französischen Garantieerklärung vom März 1939 wurde Polen “Beistand in jeglicher Form” versichert, sollte die Unabhängigkeit Polens bedroht werden.
Wenige Monate später wurde Polen dann zwischen Deutschland und UDSSR aufgeteilt.
3/13
Welche Zukunftsvisionen verfolgen superreiche Tech-Bros, die mit immer mehr Kontrolle über die Politik einen Umsturz der Demokratie planen?
Astrophysiker @neiltyson zerlegt Elon Musks Fieberträume als irren Blödsinn.
Was können wir daraus lernen?
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Musk sammelte Millionen von gläubigen Fans, u.a. mit der Vision einer interplanetaren Gesellschaft:
Die Menschheit solle sich ins All ausdehnen.
Bis 2050 will er 1 Mio. Menschen auf den Mars schießen, in eine dort selbstversorgende Gesellschaft.
Geht das und ist es sinnvoll?
2/12
Adam Becker @FreelanceAstro hinterfragt die Machbarkeit an 2 Punkten:
-Strahlung
Raumstationen in der Erdumlaufbahn sind noch vom starken Erdmagnetfeld vor der tödlichen Weltraumstrahlung geschützt, die von der Sonne ausgeht.
Auf dem Mars wäre man ihr permanent ausgesetzt.
3/12
Die jahrelangen “Friedensverhandlungen” zur Beendigung des Vietnamkriegs und deren fatale Folgen
-verursacht durch parteipolitisches Geschacher in den USA-
zeigen Fallstricke der US Politik.
Folge: Zynismus wie beim Umgang mit der Ukraine heute.
1/14
US-Parteipolitik und Wahlkämpfe prägten die Entscheidungen in Bezug auf den Vietnamkrieg:
Für den Kriegseintritt der USA ab 1965 gab es zuerst hohe Zustimmung. Als diese kippte, versuchte Präsident Johnson vor der Wahl 1968 einen Ausstieg durch Friedensverhandlungen.
2/14
Auch Oppositionskandidat Nixon versprach Frieden.
Verhandlungserfolge Johnsons hätten aber dessen Vize Humphrey genutzt.
Also torpedierte Nixon die Verhandlungen, indem er Nord- und Südvietnam bessere Konditionen versprach.
Südvietnam brach die Verhandlung ab.
Nixon gewann.
3/14
Mit den Angriffen auf Europas Souveränität durch Russland, China und Trump steigt das das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines europäischen Staatenbundes.
Fatal: Genau dieses Instrument wurde durch Vernachlässigung und Desinfo beschädigt.
1/12
Da die Trump-Adminstration den NATO-Beistand aufkündigt, werden neue Bündnisse aus nord- und osteuropäischen Staaten diskutiert. Aber denen fehlen die politischen, rechtlichen und finanziellen Grundlagen für ein nachhaltiges Verteidigungssystem.
All das haben wir: Mit der EU
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Viele wollen auch heute den revolutionären Schritt der Gründung einer Union, vollzogen mit dem Vertrag von Lissabon 2009, nicht mitgehen,
der einen neuen politischen und rechtlichen Rahmen schuf.
Sie stehen mental immer noch in den 1980, zu Zeiten einer EWG-Zollunion.
3/12
Unsere idealistischen Annahmen über das Funktionieren sozialer Gruppen machen Demokratien anfällig und blind für feindliche Einfluss-Kampagnen.
Aus der Systemtheorie können wir Lösungsansätze für diese Fallstricke ableiten:
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Die von Niklas Luhmann entwickelte Systemtheorie kann Erklärungen dafür liefern, wie Einflusskampagnen
- sehr wirksam und
- für die Betroffenen nicht erkennbar
durchgeführt werden.
Russland nutzt solche Strategien, die schon sowjetische Polit-Technologen entwickelt hatten.
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Luhmanns Theorie wird kaum beachtet in der Diskussion
-wie sich öffentliche Meinung entwickelt und
- wie sie beeinflusst werden kann.
Das liegt auch an den Hürden dieser hoch abstrakten Theorie mit ihren speziellen Definitionen.
Ein Einstiegs-Video:
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