Wie sind die Zustimmungen der gestern veröffentlichten @EFBI_Sachsen-Ost-Studie im Vergleich zum Westen einzuschätzen? Und auf welchem Niveau liegen sie im Osten im Vergleich zu vorherigen Leipziger Autoritarismusstudien?
Ein vorsichtiger Vergleich im längeren🧵⬇️
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Vorab der Hinweis zum besseren Verständnis: die Studien unterscheiden zwischen "latenter" und "manifester" Zustimmung: "latente Zustimmung" bedeutet, dass Befragte der Aussage teilweise zustimmen; manifeste Zustimmung bedeutet, dass Befragte die Aussage ausdrücklich bejahen.⬇️ 2/
Wie sind die Zustimmungen der neuen Ost-Studie nun aber im Vergleich zum Westen einzuschätzen? Dazu ziehe ich die Leipziger Autoritarismusstudie ´22 heran, in der in Ost und West dieselben Aussagen erfragt wurden. Ich betrachte dazu die Zustimmungen zu den einzelnen Aussagen.
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Bei der "Ausländerfeindlichkeit" liegen die neuen Ost-Werte (linkes Bild) deutlich über den West-Werten der Leipziger Autoritarismusstudie (LAS) ´22. Die Zustimmung ist bei allen drei Aussagen in der neuen Ost-Studie höher als bei der LAS ´22 im Westen.
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Für die Dimension "Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur" zeigten sich in der LAS ´22 im Westen für einige Aussagen höhere Zustimmungen als im Osten. Die Werte der neuen Ost-Studie liegen nun aber nochmals höher als die LAS ´22 West-Werte.
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Auch für den Antisemitismus liegen die neuen Ost-Werte über den West-Werten der LAS ´22. Dieser Ost-West Unterschied zeigte sich auch schon bei der LAS ´22. Da war jedoch bemerkenswert, dass die manifeste Zustimmung im Westen nicht geringer war als im Osten.
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Für den Sozialdarwinismus zeigte sich bei der LAS ´22 im Westen eine vergleichbare, wenn nicht sogar höhere Zustimmung als im Osten - v.a. was die manifeste Zustimmung betrifft. Das Zustimmungsniveau der jetzigen Ost-Studie liegt jedoch nochmals höher.
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Auch bei der Dimension "NS-Verharmlosung" waren die West-Werte in der LAS ´22 höher als die Ost-Werte. Die Zustimmung in der neuen Ost-Studie liegt nun aber auf ähnlichem Niveau der West-Werte in der LAS ´22.
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Die aktuellen Ost-Zustimmungswerte der Aussagen zum Chauvinismus sind wiederum etwas höher als im Westen in der LAS ´22. Dort zeigte sich aber für die 1. Aussage eine höhere Zustimmung im Westen als im Osten.
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Der Vergleich der aktuellen Ost-Werte mit den LAS-West-Werten aus ´22 zeigt für 5 der 6 Dimensionen eine eher höhere Zustimmung im Osten. Ausnahme: NS-Verharmlosung bei der die Zustimmungen im Osten in der aktuellen Studie auf ähnlichem Niveau wie in West (LAS ´22) sind.
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2 wichtige Einschränkungen: 1. Diese kurze, vereinfachende Analyse basiert nur auf einem einfachen Zustimmungsvergleich zu den Aussagen in den Studien; verwendet also NICHT statistische Analysen, um zu testen, ob die Differenzen auch statistisch signifikant sind.
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2. Wie vergleichbar sind die beiden Studien? Beide Studien wurden vom selben Forscherteam und Meinungsforschungsinstitut durchgeführt mit dem Ziel der möglichst hohen Vergleichbarkeit der Studien. Wichtige Differenz: die neue Studie fokussierte ausschließlich auf den Osten...
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Die Ost-Studie hat somit deutlich größere Fallzahl für Ost-Befragte (N=3.546) als die LAS ´22 (West N=1.987, Ost N=535). Die Studien wurden zu ähnlichen Zeitpunkten erhoben (LAS: März-Mai ´22; Ost-Studie: Mai-Juli ´22). Beide basieren auf Zufallsstichproben (➡️repräsentativ).
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Wie ist die Zustimmung im Osten im Zeitverlauf einzuschätzen? Die neue @EFBI_Sachsen-Studie liefert dazu einen Vergleich der manifesten Zustimmungsentwicklung ihrer neuen Ost-Werte (Spalte "2022") mit den Durchschnittswerten der LAS für Ostdtl. aus den vergangenen Jahren.
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Was zeigt sich dort? Die Zustimmungswerte liegen insgesamt auf einem ähnlichen Niveau. Dies deutet darauf hin, dass sich die Zustimmungswerte der neuen Ost-Studie nicht sonderlich von der Zustimmung im Osten in den letzten 20 Jahren unterscheidet.
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Transparenztweet: Ich habe eine vorherige fehlerhafte Version des Threads gelöscht. Darin ging ich fälschlicherweise davon aus, dass die Analyse der neuen Ost-Studie, die in Tab. 2 dargestellt ist, die aktuellen Ost-Werte mit den früheren Werten der Gesamt BRD vergleicht.
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Tatsächlich sehr wichtiger Punkt!
Denn wir wissen aus Umfragen, dass sich AfD-Wählende besonders häufig als besorgt, verunsichert oder krisenbetroffen empfinden - und zwar unabhängig von ihrer obj. Lage.
Was wir im @WSIInstitut-Erwerbspersonenpanel dazu gefunden haben im 🧵
Zunächst ein paar Verteilungen:
AfD-Wählende geben weitaus häufiger als Wählende anderer Parteien an, dass sie selbst und Deutschl. insgesamt stark von Krisen der letzten Jahre betroffen seien. AfD-Wählende fühlen sich auch besonders häufig verunsichert & äußern große Sorgen. 2/
Das ist auch kein Phänomen, das erst vor kurzem - oder einmalig - auftrat. Vielmehr konnten wir es z.B. bezogen auf ihr stark erhöhtes Sorgenlevel seit Beginn des Panels (Apr ´20) beobachten. Im Übrigen auch für verschiedene Sorgen: finanzielle, berufl., gesellschaftsbezogene. 3/
Ich lese viel hier basierend auf dieser Abbildung, dass das BSW ja nicht sonderlich die AfD geschwächt hätte. Dies lässt sich daraus aber aus meiner Sicht nicht unbedingt ableiten.
#Europawahl 1/
Die dargestellte Wanderungsanalyse nimmt als Ausgangspunkt das Wahlverhalten zur Bundestagswahl ´21. Da bekam die AfD "nur" 10,3%. Erst danach begann ihr Höhenflug in den Umfragen auf zwischenzeitlich bis über 20% (blaue Linie).
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Bezogen auf die Wanderungsanalyse ist es also wichtig zu unterscheiden zwischen AfD-Wählenden, die schon zur Bundestagswahl ´21 AfD wählten und denjenigen, die danach in Umfragen angegeben haben, AfD zu wählen. Die Wanderungsanalyse bezieht sich aber nur auf erstere.
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Auch mein Report zu AfD-Wählenden zeigt klar: Wer AfD wählt, macht dies nicht trotz, sondern wegen ihrer migrationsfeindlichen Positionen
🔵Großer Anteil "überzeugte" AfD-Wählende, eher wenig Protestwählende
🔵Ablehnende Haltungen gegenüber Ukraine-Geflüchteten weit verbreitet 1/
AfD-Wählende hochbesorgt & -belastet und sehr entfremdet von demokr. Institutionen; sehen in Zuwanderung große Bedrohung für den von ihnen sehr homogen gedachten gesell. Zusammenhalt. 95% der jetzigen AfD-Wählenden nannten zur #BTW21 Zuwanderungsbegrenzung als wichtiges Thema. 2/
Auch stehen Erfahrungen mangelnder sozialer und demokratischer Teilhabe im Kontext von Erwerbsarbeit im Zusammenhang mit der AfD-Wahl. AfD-Wählende berichten seltener als Wählende anderer Parteien von guten Arbeitsbedingungen- v.a. bzgl. Anerkennung & Mitsprachemöglichkeiten.
In der neuen #MitteStudie ist auch ein Kapitel "Entsicherte Marktförmigkeit als Treiber eines libertären Autoritarismus" von @EvaGro3,@amelie_nickel1 & mir. Entsicherte Marktförmigkeit erscheint als hochrelevant für rechtsextreme Entwicklungen aus der Mitte der Gesellschaft.
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Was heißt "entsichert marktförmig"?
Beginnen wir mit "marktförmig". Wir haben uns angeschaut, wie "marktförmig" die Einstellungen der Menschen in Deutschland sind. Konkret: wie sehr identifiziert man sich mit unternehmerischen Leitbildern, mit unternehmerischen Idealen?
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Es geht um Selbstoptimierung – also dass es bspw. enorm wichtig ist flexibel, kreativ, erfolgreich oder risikobereit zu sein – eben wenn man so will "unternehmerisch" zu handeln. So weit so - relativ - unproblematisch.
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Heute erscheint die neue #MitteStudie "die distanzierte Mitte". Die darin aufgezeigten Entwicklungen zu rechtsextremen und demokratiegefährdenden Einstellungen in Deutschland sind besorgniserregend und erschreckend - passen aber zur aktuellen politischen Lage.
Details⬇️
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Die Mitte-Studie hat das Ziel, die Sollbruchstellen der Demokratie zu ermitteln. Kernfrage des Bandes ist: Geht die Mitte auf Distanz zur Demokratie? Distanziert sie sich von demokratischen Werten, Grundprinzipien und Prozessen? So erklärt sich der Titel "distanzierte Mitte".
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Alle Analysen des diesjährigen Bandes wurden explizit vor dem Hintergrund miteinander verbundener, sich auftürmender Krisenphänomene ("Polykrisen") betrachtet.
➡️ Die Mitte in Zeiten von Krisen und Konflikten.
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Der 3. Sozioökonomische Disparitätenbericht 2023 der @FESonline ist erschienen. Darin werden zahlreiche Indikatoren entwickelt, die Auskunft über die Zukunftsfähigkeit einzelner Räume geben können und Regionen identifiziert mit besonderen Transformationsherausforderungen.
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Anhand einer Clusteranalyse regionaler Indikatoren zur räumlichen Ungleichheit ergeben sich 5 Raumtypen mit ähnlichen Werteausprägungen. Die Indikatoren decken u.a. die Bereiche Wirtschaft, Bildungschancen, Gesundheit, öffentl. Infrastruktur, Partizipation und Wanderungen ab.
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1. Die "Dynamischen Städte mit erhöhter Exklusionsgefahr" ➡️ umfasst 35 Kreise mit 17,6 Mio. Einw.
Hier zwar gute Verdienstmöglichkeiten und zukunftsfähige Arbeitsmärkte, aber auch erhöhte Armutsrisiken und starker Binnenzuwanderungsrückgang (➡️Überlastung der Großstädte)