Bernhard U. hat Mädchen missbraucht. Er hat einige von ihnen geschwängert und zur Abtreibung genötigt.
Er ist nicht der einzige Priester, der das getan hat. Es gibt viele solcher Fälle. Ich nenne das reproduktiven Missbrauch. Ein Thread.
Reproduktiver Missbrauch ist die Verletzung reproduktiver Selbstbestimmung.
Opfer werden bspw. gegen ihren Willen sterilisiert, geschwängert, zum Abbrechen oder Austragen der so entstandenen Schwangerschaft genötigt, zu nicht selbstbestimmten Geburten oder Adoptionsfreigaben.
Priester, die Frauen und Mädchen sexuell missbrauchen, verletzen häufig auch deren reproduktive Selbstbestimmung.
Sie verwenden keine Kondome, machen Druck, abzutreiben oder Schwangerschaften geheim zu halten, führen selbst Aborte herbei. Alles, um den Missbrauch zu vertuschen.
Betroffene sind teils extrem jung. In 1 Fall, den ich im Archiv fand, war ein betroffenes Mädchen erst 11.
Andere sind erwachsene Frauen, verheiratet oder im Orden und können nicht über den Missbrauch und die daraus entstandene Schwangerschaft reden.
In jedem einzelnen Fall ist eine solche Schwangerschaft eine extreme Belastung.
Psychisch und physisch.
Schwangerschaften und Geburten sind schon an sich extrem körperlich und mental belastende Prozesse.
Wenn sie Folge von Gewalt sind und vom Täter kontrolliert werden kann das für Betroffene lebensgefährlich werden.
Schon wg. der Folgen, die reproduktiver Missbrauch für Betroffene hat, gehört er auf konzeptueller Ebene von sexuellem Missbrauch unterschieden.
Das gilt erst recht vor dem Hintergrund kath. Sittenlehre, die Mutterschaft und Prokreation idealisiert und Abtreibung kriminalisiert.
Wenn die rkK die „Tötung ungeborenen Lebens“ for das furchtbarste Verbrechen hält, sollte sie Priester, die Mädchen und Frauen gegen deren Willen schwängern und zur Abtreibung nötigen, besonders streng bestrafen.
Sie sollten nicht mehr als alter Christus am Altar stehen dürfen.
Die rkK hat aber, im Gegenteil, Verständnis für Priester, die das tun. Sie können sich der Vergebung durch den Bischof oder die römischen Behörden relativ sicher sein.
Die betroffenen Frauen und Mädchen erhalten von denselben Instanzen dagegen kaum Mitleid.
Noch sicherer als die Milde mit den Tätern ist das Schweigen der Kirchenleitung über reproduktiven Missbrauch.
Wäre der Glaube an die „Heiligkeit des ungeborenen Lebens“ echt, hätte Rom längst selbst intensiv gegen Täter im Priesteramt ermittelt und sie massenweise laisiert.
Dass reproduktiver Missbrauch dagegen von Rom bis heute totgeschwiegen wird, lässt tief blicken.
Dass es als Thema in der einschlägigen Missbrauchsforschung und Berichterstattung so gut wie gar nicht auftaucht, ist enttäuschend.
Ich hoffe sehr, dass sich das ändert.
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So wichtig und verdienstvoll es ist, BXVIs Rolle im Fall H zu beleuchten, sich allein darauf zu fokussieren bedeutet, seine Rolle in Sachen Missbrauch in der rkK massiv zu verkleinern.
Es ist davon auszugehen, dass er in seiner Zeit in Rom für Hunderte, wenn nicht Tausende Fälle
zuständig war. Wir wissen von Fällen, in denen er alles andere als moralisch einwandfrei gehandelt hat, von Verurteilungen, die er abgewendet, Opfern, die er ignoriert hat.
Bspw. in den Fällen Stephen Kiesle, Lawrence Murphy, Marcial Maciel oder bei Missbrauch von Ordensfrauen.
Diese Fälle sind, obwohl gut belegt, entweder weitgehend unbekannt (Kiesle, Murphy, missbrauchte Frauen) oder von kirchlicher PR als Heldengeschichte verdreht und verklärt (BXVI hätte gegen Maciel „durchgegriffen“. Von wegen)
Was je länger je unerträglicher wird: Ich kenne mittlerweile so viele Geschichten von Betroffenen. D.h. in vielen Fällen auch: Ich weiß, dass und wie viele Täter weiter im Amt sind. Das hat verschiedenste Gründe: Angst anzuzeigen, Verjährungen, Fälle unterhalb der Strafbarkeit…
Was bleibt: Viele Priester, die Kinder, Jugendliche, vulnerable Erwachsene schamlos ausgenutzt, missbraucht und gequält haben, sind und bleiben in Deutschland und Österreich weiter im Amt.
Mit dem Wissen und Einverständnis ihrer Ordensoberen oder Bischöfe.
Selbst die Namen der schlimmsten Missbrauchstäter dürfen hierzulande nicht öffentlich genannt werden.
Für Betroffene und Öffentlichkeit heißt das: Wir können uns bis heute eigentlich kein genaues Bild vom Ausmaß der Missbrauchsfälle und Verheimlichung hier machen.
Unter allen Mythen über Ratzinger/ BXVI hält sich eine besonders hartnäckig: Er habe hart durchgegriffen gg. Marcial Maciel, den Gründer der Legionäre Christi und notorischen Missbrauchstäter.
Nichts könnte falscher sein: Ratzinger hat so wenig wie irgend möglich getan. - thread
Ich habe mir die Causa Maciel und Ratzingers Rolle darin für das Buch genau angesehen. Ja, Ratzingers CDF hat ermittelt, aber sehr spät und natürlich im Geheimen. V.a. aber: Ratzinger/BXVI ließ nie ein Strafverfahren gg. Maciel eröffnen. Trotz einer überwältigenden Beweislast.
Im Gegenteil: Es sah so aus als wollte er bewusst Raum lassen für einen Glauben an Maciels Unschuld, den seine Anhängerschaft ungestört weiter pflegen konnte, bis zu Maciels Tod.
Das Eine Ding, was für Ratzinger/BXVI das Schlimmste war, wogegen er mit Abstand am Entschlossensten und Unbarmherzigsten vorgegangen ist, waren FRAUEN: Frauen, die ihre Stimme hören und sich nicht auf ihren Platz verweisen ließen.
The Danube Seven
Jeannine Gramick
Ludmila Javorová
Die LCWR
…
Was er sich in diesen und ähnlichen Fällen geleistet hat, wie gnadenlos er war, wie wenig bereit, den Anliegen dieser Frauen auch nur ein Ohr zu leihen oder gerechte Verfahren gegen sie zu führen, spricht Bände.
Täter wie Marcial Maciel, Stephen Kiesle oder Lawrence Murphy hat er dagegen mit großem Verständnis und Fürsorge behandelt
Und selbst Männer aus anderen kirchenpolitischen / ideol. Lagern hat er mit mehr Respekt behandelt.
Der Osservatore Romano hat die Ansprachen vom Ad Limina Besuch im Wortlaut veröffentlich.: osservatoreromano.va/it/news/2022-1… Ich habe sie mir angesehen und wenn das keine klatschende Ohrfeige für den Synodalen Weg ist, weiß ich nicht, was eine sein sollte… Ein Thread.
Sowohl Ladaria als auch Ouellet beginnen Ihre Ansprache mit einem Zitat aus Franziskus’ Brief „an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“. Wir erinnern uns. Der war nicht gerade ein mutmachende Signal an das Vorhaben Synodaler Weg… Der Brief im Wortlaut vatican.va/content/france…
Ladaria wäscht den deutschen Bischöfen und den Synodalen dann ganz schön die Ohren.
Sie hätten die Besonderheit der kirchlichen Gemeinschaft nicht verstanden. Die Kirche dürfe eben *nicht* als eine strukturell missbräuchliche Organisation gesehen werden…
Kard. J-P Ricard, der zugegeben hat, ein „Verhältnis“ (where do I even start?!) mit einer 14-Jährigen gehabt zu haben, war Mitglied der Glaubenskongregation (CDF). Es gäbe viel dazu zu sagen. Hier nur ein Aspekt, …
…der mir schon lange unter den Nägeln brennt: Der Mythos der römischen „Aufklärer“:
Nach einem aus Rom kommenden Narrativ sind Helden und Versager in Sachen Missbrauchsaufarbeitung klar verteilt:
Versager: die Ortsbischöfe, die Missbrauch vertuscht + Aufarbeitung verhindert haben.
Helden: Die römische Kirchenleitung, die frühzeitig und entschieden durchgreifen wollte und nur leider, leider von den Ortsbischöfen behindert wurde, weil die die Fälle nicht nach Rom meldeten.