Weil ich gestern feststellen musste, dass sowohl Befürworter wie Gegner des Ehegattensplittings seine Funktionsweise nicht voll verstehen hier eine kleine, und hoffentlich leicht nachvollziehbare Erklärung und Einordnung. 1/24
Die Einkommensteuer steigt mit dem Einkommen nicht linear, sondern exponentiell. Das liegt daran, dass der Grenzsteuersatz nicht konstant ist, sondern mit dem Einkommen ansteigt. Dadurch steigt die Steuer schneller als das Einkommen. 2/24
Man kann dies ihm folgenden Bild für den Einkommensteuertarif 2023 sehen. Die Steuer steigt mit dem Einkommen mehr als linear an. Hätten wir in Deutschland einen einheitlichen Steuersatz auf jedes Einkommen (flat tax) würde die Linie linear verlaufen. 3/24
Beispiel eines Paares in dem Partner A 60.000 Euro zu versteuerndes Einkommen hat und Partner B nicht erwerbstätig ist (z.v.E. 0 Euro). Vor einer Heirat zahlt A 15.242 Euro Einkommensteuer. B zahlt keine Steuern. 4/24
Sie heiraten. Das Splitting bewirkt, dass beide so behandelt würden als würden sie die Hälfte des gemeinsamen Einkommens verdienen! Also beide 30.000 Euro z.v.E. Das macht eine Steuer von 4.700 *2 = 9400 Euro. Der Splittingvorteil ist die Differenz von 5.842 Euro. 5/24
Im Bild sieht man das durch den Abstand der Steuerlinie von der linearen blauen Linie die den Durschnitt der beiden individuellen Steuerzahlunen anzeigt. Diese Differenz *2 ist der Splittingvorteil. 6/23
Den kompletten Splittingvorteil kann man nicht abschaffen, weil Ehepartner gegenseitig auch unterhaltspflichtig sind. Deswegen muss man, wenn ein Partner kein Einkommen hat, dem anderen zumindest des doppelten Grundfreibetrag einräumen. 7/24
Dieses Modell wird auch als Realsplitting bezeichnet. Wenn von einer Abschaffung des Ehegattensplittings gesprochen wird ist meist dies gemeint und nicht die komplette Abschaffung. 8/24
Im Beispielfall ist das Ergebnis eine Steuer von 11.008 Euro. Vom Splittingvorteil bleiben also 4.234 Euro erhalten und 1.608 Euro fallen weg. In anderen Fallkonstellationen sähe das Ergebnis anders aus. 9/24
Würde Partner B z.B. bereits 20.000 Euro verdienen würde (weil er das Existenzminimum = Grundfreibetrag schon selbst verdient) der komplette Splittingvorteil entfallen. In dem Fall mit 20.000 und 60.000 Euro ist dieser aber auch deutlich geringer nämlich 1.541 Euro. 10/24
Der Splittingvorteil steigt a) mit der Differenz der Einkommen der beiden Partner und ist daher maximal wenn einer der Beiden gar kein Einkommen hat und b) mit dem Einkommen. Daher wird der maximale Splittingvorteil erreicht …. 11/24
… wenn einer der Beiden nichts verdient und der Andere alleine schon ein z.v.E. von 126.000 bzw. mehr hat. Dann liegt der Splittingvorteil bei 9.972 Euro. Nur für die wenigen Menschen die Reichensteuer zahlen ist er mit 18.307 Euro nochmal deutlich höher. 12/24
Die Haltungen zum Splitting weichen sehr stark voneinander ab. Nach meiner Erfahrung ist es so, dass konservative Menschen tendenziell stark für das Ehegattensplitting sind. Das hängt damit zusammen, dass sie die Familie als eine Einheit betrachten. 13/24
Liberale (nicht zu verwechseln mit der FDP) hingegen tendieren dazu das Individuum und nicht Gruppenzusammenhänge zu betrachten und wären daher eher für eine individuelle Besteuerung. 14/24
Dann gibt es noch die gleichstellungspolitischen und ökonomischen Argumente. Das Ehegattensplitting fördert indirekt eine möglichst ungleiche Aufteilung der Erwerbsarbeit. Verdienen beide Partner gleich viel ist der Steuervorteil 0. 15/24
Dies führt dazu, dass sich mehr Frauen für die Nichterwerbstätigkeit entscheiden und sich damit auch in eine stärkere ökonomische Abhängigkeit von ihrem Partner begeben. 16/24
Gibt man das Splitting auf bzw. führt ein Realsplitting ein gibt es folgende Wirkungen auf das Arbeitsangebotsverhalten. Das Nettoeinkommen des Paares sinkt. Dieser Einkommenseffekt führt jedenfalls theoretisch zu einem höheren Arbeitsangebot. 17/24
Allerdings ließe sich dieser Einkommenseffekt kompensieren, wenn man das Mehrsteueraufkommen in der einen oder anderen Form zurückgibt (Tarifsenkung oder Einführung einer Kindergrundsicherung). 18/24
Der Grenzsteuersatz des Vielverdieners steigt, der des Wenigverdieners sinkt. Der Substitutionseffekt (zwischen Arbeit und Freizeit) bewirkt theoretisch, dass in unserem Beispiel Partner A weniger und Partner B mehr arbeiten will. 19/24
Zahlreiche empirische Studien zum Ehegattensplitting kommen zu dem Ergebnis, dass der Effekt beim Geringverdiener überwiegt und das Arbeitsangebot insgesamt zunimmt. Mir ist sogar keine einzige Studie bekannt in der das Gegenteil der Fall wäre. 20/24
Das ist der Grund warum viele Ökonomen für die weitestmögliche Abschaffung des Ehegattensplitting votieren. 21/24
Als Familienförderung ist das Ehegattensplitting (in Form des sogenannten Familiensplittings) ziemlich ungeeignet. Kinder haben per se kein Einkommen. Daher steigt der Splittingvorteil hier schlicht mit dem Einkommen der Familie. 22/24
Eltern mit einem hohen Einkommen würden dann eine hohe Förderung für ihr Kind bekommen. Eltern mit einem geringen Einkommen eine geringe Förderung. Das macht sozialpolitisch überhaupt keinen Sinn. 23/24
Im Gegenteil haben wir diesen Progressionseffekt schon heute beim Kinderfreibetrag. Das Modell der Kindergrundsicherung hat das zentrale Ziel diese Förderwirkung umzukehren und den Kinderfreibetrag abzuschaffen. Familiensplitting geht genau in die entgegengesetzte Richtung. 24/24
Damit hätte es sich um eine Beihilfe gehandelt. Diese wiederum hätte – ebenso wie die Mehrwertsteuerausnahme auf die Umlage – von der Kommission genehmigt werden müssen. Deswegen wurde diese Option nicht gewählt. 26/n
Die Preisanreize zum Gassparen werden durch die Senkung der Mehrwertsteuer nun gemindert. Die Erhöhung durch die Umlage wird abgeschwächt, und ab einem bestimmten Preis sogar in ihr Gegenteil verkehrt. 27/n
Das liegt daran, dass die Umlage eine absolute Höhe hat die Mehrwertsteuersenkung sich aber am Preis orientiert. Wer heute noch einen billigen Preis von 7 Cent/kwh zahlt wird durch den gemeinsamen Effekt der Reform künftig 8,88 Cent zahlen. 28/n
Die Ampel hat entschieden die Mehrwertsteuer auf Gas zu senken. Aus meiner Sicht eine sehr zweifelhafte Entscheidung. Auf die Umlage verzichten wäre noch schlechter gewesen, aber es hätte auch viele bessere Lösungen gegeben. 🧵 1/n
Die Umlage wurde aus zwei Gründen eingeführt: 1. Soll sie die Gasversorger retten und 2. Soll sie Gas verteuern, um den Verbrauch von Gas zu senken und ist so ein Instrument um uns vor einer Gasmangellage zu schützen. 2/n
Viel Kritik an der Umlage, die ich die letzten Tage gelesen habe bezog sich ausschließlich auf den ersten Grund. Dort ist die Frage tatsächlich berechtigt warum für eine Unternehmensrettung nur die Gaskunden bezahlen sollen und warum nicht alle Steuerzahler? 3/n
Forsetzung:Manche glauben die Korrektur der kalten Progression würde den Kaufkraftverlust ihres Einkommens ausgleichen. Das ist nicht der Fall. Nur wenn das Realeinkommen vor Steuern konstant bleibt, bleibt es das, durch die Korrektur, auch nach Steuern 25/n
Wer also bei 6% Inflation nur 4 % Lohnwachstum hat verliert auch mit Korrektur der kalten Progression ordentlich an Kaufkraft. Die Steuersenkung mildert das nur ein wenig. Die öffentlichen Haushalte soll das etwa 9 Mrd. kosten. 26/n
Nun könnte man sagen, dass man das schon machen könnte, wenn man es um weitere spürbare Maßnahmen für Menschen mit geringem Einkommen ergänzt. Lindner aber will 2023 unbedingt zur Schuldenbremse zurück. 27/n
Finanzminister Lindner hat vorgeschlagen, die kalte Progression der Einkommensteuer zu korrigieren. Wenig überraschend unterstützen ihn Medien wie FAZ, Welt, Handelsblatt, Focus, Wirtschaftswoche etc. Hier meine konträre Meinung: 🧵1/n
Die Kalte Progression beschreibt den Effekt, dass der Einkommensteuertarif nominal formuliert ist. Der Durchschnittsteuersatz steigt also auch wenn das Einkommen nur nominal steigt. Das wird von Vielen als ungerecht empfunden. Bis dahin verständlich. 2/n
Nun haben wir solche Effekte auch bei anderen Steuern und Sozialleistungen. Oft fallen sie dort sogar stärker aus. Die Energiesteuer etwa ist eine Mengensteuer. Sie beträgt seit 2003 65,45 Cent pro Liter Benzin. Inflation seitdem kumuliert 30%. 3/n
Übergewinnsteuer Teil 3, Ausgestaltung und rechtliche Aspekte: Ich bin Ökonom, kein Jurist, habe aber vor längerer Zeit eine Ausbildung im Steuerrecht gemacht und bis 2018 für 8 Jahre als Referent für Steuerpolitik im Bundestag gearbeitet. 1/x
Meine Erfahrung dort: Es macht wenig Sinn mit Menschen, die prinzipiell (z.B. weil sie Interessen vertreten) gegen eine Steuer sind über deren Ausgestaltung zu diskutieren. Zumindest solange nicht, wie Diese glauben, die Steuer noch komplett abwenden zu können. 2/x
Daher werde ich mit dem Folgenden Niemanden überzeugen, der bisher nicht davon überzeugt werden konnte, dass eine Übergewinnsteuer prinzipiell sinnvoll ist. 3/x
Fortsetzung Übergewinnsteuer: Sieht man es makroökonomisch kommen weitere Argumente für die Steuer hinzu. Unter Anderem möchte der Bundesfinanzminister schon im kommenden Jahr wieder die Schuldenbremse einhalten. 1/x
Ich finde das falsch, aber er gewinnt auch keine Glaubwürdigkeit, indem er in diesem Jahr immer mehr Kredite aufnimmt, und gleichzeitig behauptet nächstes Jahr würde die Schuldenbremse auf jeden Fall gelten. 2/x
Vielmehr würde es Sinn ergeben schon jetzt einen kleinen Teil der Ausgaben für Unterstützungsmaßnahmen der Haushalte (die womöglich auch noch einmal ausgeweitet werden müssen) auch über Steuern und nicht vollständig über Kredite zu finanzieren. 3/x