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@leanhealth D.h., wer wegen einer Infektion, die er sich im Krankenhaus zugezogen hat, Schadensersatz geltend macht, trägt die Darlegungs- und Beweislast u.a. dafür, (1) dass es Hygienemängel gab (also eine Pflichtverletzung vorlag) und dass (2) die Mängel kausal für die Infektion waren.
@leanhealth Wenn es der Beklagten gelingt, auch nur einen dieser beiden Punkte auszuräumen, gibt es keinen Schadensersatz. Die Klinik kann also einerseits argumentieren, dass keine Hygienemängel vorlagen, andererseits, dass sie nicht kausal waren.
@leanhealth Normalerweise würde es (stark vereinfacht) reichen, dass der Beklagte "einfach bestreitet" ("das war so nicht"), und dann müsste der Kläger positiv beweisen, dass es doch so war - was in vielen Konstellationen schwer ist.
@leanhealth In bestimmten Fällen erleichtert die Rechtsprechung dem Beweislastträger seine Aufgabe durch eine sogenannte "sekundäre Darlegungslast", weil der Kläger keinerlei Einblick in die Organisation hat, während der Beklagte unschwer detaillierter vortragen kann.
@leanhealth In diesen Fällen reicht dann einfaches Bestreiten nicht mehr, um die Beweisbedürftigkeit des Klägervortrags herbeizuführen.
@leanhealth Die Beklagte muss dann vielmehr selbst detailliert behaupten, wie es alternativ gewesen sein könnte, daraufhin ist es aufgrund der allgemeinen Beweislastverteilung wieder am Kläger, diese Behauptungen zu widerlegen.
@leanhealth Für den Kläger ist das schon eine ganz schöne Erleichterung, weil er nicht jeden alternativ denkbaren Ablauf ausschließen (= den von ihm behaupteten Ablauf positiv beweisen), sondern nur die von der Beklagten behaupteten Abläufe widerlegen muss.
@leanhealth Im Hinblick auf die Hygienemängel verstehen Sie den Text schon ganz richtig. Aber der letzte Absatz bezieht sich auf die Kausalität - und schon wenn die behauptete Kausalität mit Erfolg angegriffen würde, wäre die Beklagte nach diesem Text aus der Haftung - trotz Hygienemangels!
@leanhealth Dazu reicht grundsätzlich die Behauptung, dass der Kläger sich die Infektion auch auf irgendeine halbwegs konkrete andere Weise zugezogen haben könnte. Das wird der Kläger praktisch kaum widerlegen können. Einen Rettungsanker gibt es aber noch speziell im Arzthaftungsrecht:
@leanhealth § 630h Abs. 5 BGB: "Liegt ein grober Behandlungsfehler vor und ist dieser grundsätzlich geeignet, eine Verletzung ... der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, wird vermutet, dass der Behandlungsfehler für diese Verletzung ursächlich war."
@leanhealth Wenn diese Vermutung greift, reicht es nicht mehr, dass die Klinik einen anderen denkbaren Kausalverlauf nur behauptet. Entscheidend ist also die Qualität des konkreten Hygienemangels: ganz besonders schwerwiegender Mangel ("grober Behandlungsfehler") oder nur "einfacher" Mangel?
@real_Bavarian @leanhealth Wenn der grobe Behandlungsfehler abgelehnt wird, muss der Infizierte die Kausalität nachweisen. Ob das gelingt, ist sehr vom Einzelfall abhängig und schwer zu prognostizieren - aber die dargelegten Grundsätze der sekundären Darlegungslast erleichtern es zumindest.
@real_Bavarian @leanhealth Negative Tests zu Beginn des Aufenthalts und Auftreten der Symptome während des mehrwöchigen Aufenthalts ist natürlich hilfreich. Und trotzdem bleiben bei der Kausalität Fragezeichen, wenn kein grober Behandlungsfehler vorliegt.
@real_Bavarian @leanhealth Denn es geht ja nicht nur darum, dass die Infektion in der Klinik erfolgt ist, sondern auch, dass sie ohne die Hygienemängel nicht erfolgt wäre.
@real_Bavarian @leanhealth Dafür reicht es (ohne die Vermutung nach § 630h Abs. 5 BGB) nicht, dass die Mängel das Ansteckungsrisiko erhöht haben, wenn auch bei besserer Hygiene noch ein nennenswertes Risiko bestanden hätte.
@real_Bavarian @leanhealth Deshalb ist es für den Patienten so hilfreich, wenn er über die Hürde "grober" Behandlungsfehler hinwegkommt. Aber wie gesagt: nicht so richtig meine fachliche Baustelle, daher alles ohne Gewähr.
@leanhealth @real_Bavarian Irgend ein Besucher, der trotz gegenteiliger Anordnung der Klinik die Maske mal abgenommen hat, wird bestimmt mal irgendwo was eingeschleppt haben. Wie schon irgendwo geschrieben: Eine bloße Risikoreduktion reicht nicht, um die Kausalität zu begründen.
@leanhealth @real_Bavarian Das Gericht muss so sicher von der Kausalität überzeugt sein, dass das "vernünftigen Zweifeln Einhalt gebietet": Rein theoretische Restzweifel schaden nicht, praktisch denkbare, vernünftige Restzweifel schon.
@leanhealth @real_Bavarian Würde z.B. das Infektionsrisiko innerhalb einer bestimmten Zeitspanne als Patient durch Hygienemaßnahmen z.B. von 5 % auf 0,2 % gesenkt, ließe selbst das noch Raum für vernünftige Restzweifel an der Kausalität (denn etwa jeder 25. Fall wäre nicht auf die Mängel zurückzuführen).
@leanhealth @real_Bavarian Die hohe Letalität hat auf die Kausalität ja keinen Einfluss. Worauf sie Einfluss haben kann, ist aber die Frage, welche Mängel schon als grobe Behandlungsfehler angesehen werden - je tödlicher, desto höher müssen die Vorkehrungen sein und desto eher sind Mängel grobe Fehler.
@leanhealth @real_Bavarian Außerdem glaube ich nicht, dass viele Gerichte FFP3 als zwingend erforderlichen Standard ansehen werden - dafür war das Framing, dass schon FFP2 die guten Masken sind, in den letzten Jahren zu stark.
@leanhealth @real_Bavarian Aber ab wo die Gerichte vom groben Mangel ausgehen, kann ich schlecht prognostizieren (vielleicht könnte das ein spezialisierter Arzthaftungsrechtler eher als ich, falls es da zu bestimmten Fallgruppen gefestigte Rechtsprechung gibt).

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