Thread by @Kai_Whittaker

Gestern hat die CDU #Thüringen einen Antrag im Landtag gestellt, der mit Hilfe von FDP und AfD eine Mehrheit bekam. Verstößt das gegen den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU und damit das Ende der „Brandmauer" zur AfD? Ich finde: Ja, das gestrige Verhalten war falsch. Ein🧵1/23

Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU lautet: "Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.“ 2/23

Das bedeutet, dass durch die Mithilfe der AfD weder eine Regierung zustande kommen kann, an der die CDU beteiligt ist, noch Beschlüsse gefasst werden können. Nun gibt es mehrere Einwände, um das Verhalten zu rechtfertigen. Sie halten bei näherer Betrachtung nicht stand: 3/23

1. Einwand: „Dann darf ja gar nichts mehr beschlossen werden, wenn die AfD zustimmt.“

Falsch. Die AfD stimmt immer mal wieder Gesetzen und Anträgen von Regierungs- und Oppositionsparteien zu, egal ob es sich dabei um CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne oder Linke handelt. Aber: 4/23

Das Problem ist NICHT, dass die AfD dem CDU-Antrag zugestimmt hat. Sondern dass er AUSSCHLIESSLICH durch die Stimmen der AfD eine Mehrheit bekam. Damit gibt es im Ergebnis keinen Unterschied mehr zu der parlamentarischen Arbeit von Koalitionsfraktionen. Das ist der Verstoß. 5/23

2. Einwand: „Das war aber keine Absprache oder Kooperation, sondern die haben einfach mitgestimmt.“

Falsch. In Parlamenten passiert fast nichts zufällig, schon gar keine Abstimmungsverhalten über Sachanträge. 6/23

In der Regel wissen die Parteien, wer sich wie zu welchem Antrag verhalten wird, selbst wenn man nicht miteinander spricht. Würde das Argument des Einwands gelten, hätte man es auch schon auf die Ministerpräsidentenwahl von Thomas Kemmerich (FDP) damals anwenden können. 7/23

Dort hat die AfD im entscheidenden Wahlgang ihren eigenen Kandidaten fallen gelassen, um Kemmerich zu einer Mehrheit zu verhelfen. Auch dazu bedurfte es keiner Absprache. Es bleibt dabei: Jede Fraktion trägt Verantwortung für das was, sie im Parlament anstößt. 8/23

Eine Fraktion muss dabei das Verhalten von Extremisten berücksichtigen, um ihnen nicht eine Bühne zu verschaffen. Mir ist bewusst, dass das verdammt anstrengend und nervtötend ist. Aber Politik ist nun mal hartes Handwerk. 9/23

3. Einwand: „Dann darf die CDU gar keine Oppositionsarbeit mehr machen.“

Falsch. Natürlich darf sie durch Anträge zeigen, was ihr wichtig ist. Aus der Logik von Punkt 2 trägt sie eben nur AUCH eine Verantwortung für den Prozess, der NACH der Antragstellung kommt. 10/23

Entscheidender ist aber: Die CDU in Thüringen ist keine reine Oppositionspartei. Sie ist auch keine reine Regierungspartei. Der Wähler hat die CDU 2019 in Thüringen in einer sehr undankbare "Zwischen-Rolle" gedrängt. 11/23

Der Wähler hat uns keine Regierungsverantwortung übertragen. Aber der Wähler wollte sicherstellen, dass die Regierung mit uns als CDU kooperieren muss. Denn die Regierung hat auch keine Mehrheit. Daraus erwächst auf beiden Seiten die Verantwortung, Kompromisse zu machen. 12/23

Genau diese Gedulds- und Leidensfähigkeit wurde gestern nicht erbracht zugunsten des schnellen Erfolgs mit Hilfe der AfD. Doch wenn man dieses Spiel mit der AfD einmal gemacht hat, wird es schwer, glaubhafte andere Grenzen zu ziehen. 13/23

4. Einwand: „Die Rot-Rot-Grüne Regierung hat aber auch mit der AfD Gesetze gemacht.“

Stimmt. Das macht es aber nicht besser. Ein Unrecht hebt das andere nicht auf. Nur weil SPD, Linke und Grüne der Versuchung auch schon erlegen sind, sollten wir das nicht ebenso tun. 14/23

Anstand bezieht sich immer auf das eigene Verhalten in der konkreten Situation. Es steht nie in Abhängigkeit vom Verhalten anderer. Es beweist sich in der konkreten Situation. 15/23

5. Einwand: „Es geht doch nur um eine Sachfrage.“

Falsch. Die AfD will eine vollständige Kontrolle über das Land. Sie hat ein geschlossenes Weltbild, wie die Gesellschaft von Aachen bis Anklam zu leben hat. Dazu muss sie in die Regierung kommen. 16/23

Wenn sie dort ist, wird sie versuchen, unliebsame Gegner auszuschalten. Dazu zählt auch die CDU. Der AfD-Spitzenkandidaten zur Europawahl Krah hat erklärt, dass die CDU verschwinden muss. 17/23

Um aber an die Macht zu kommen, schiebt sie die Sachpolitik als Deckmäntelchen vor. Sie verharmlost sich selbst, damit sie mehr Wähler anzieht, um dann im richtigen Moment loszuschlagen. Wir sollten als CDU nicht so doof sein, dies nicht zu erkennen. 18/23

Abschließend: Ich sage nicht, dass die Lage in Thüringen einfach wäre. Als Abgeordneter kann ich mir ungefähr ein Bild machen, wie anstrengend die Situation für die Kollegen in Thüringen sein muss. 19/23

Sie müssen Politik im Spannungsfeld der Erwartungshaltungen von Parteibasis und Wählern gegenüber der AfD und einer Minderheitsregierung machen, die verständlich ist und honoriert wird. Das ist schwer und das daraus der Impuls entsteht, dies leid zu sein, ist verständlich. 20/23

Ich sage auch nicht, dass es nur unser Job ist, die AfD zu bekämpfen. Rot-Rot-Grün hat ebenfalls mit der AfD kooperiert, um Mehrheiten zu bekommen. Gerade auch die #Ramelow-Minderheitsregierung trägt große Verantwortung, auf die CDU zuzugehen. 21/23

Ebenso trägt die FDP für das gestrige Ergebnis eine erhebliche Mitverantwortung. Sie hat genauso mitgestimmt und offensichtlich nichts aus der Ministerpräsidentenwahl von 2020 gelernt. Sich in die Büsche zu schlagen geht nicht. 22/23

Es wäre aber hilfreicher, nicht ständig die CDU unter einen Generalverdacht zu stellen, als ob da nur noch verkappte Nazis rumrennen. Wir sind eine stolze Volkspartei, die zu diesem Deutschland viel beigetragen hat. Diesen Respekt erwarte ich von allen anderen Mitbewerbern. 23/23

Nachtrag: Da ich Christdemokrat bin und für meine CDU kämpfe, widerspreche ich auch, wo es notwendig ist. Für weitere ernstgemeinte sachliche Einwände zu meiner Haltung bin ich dankbar und versuche sie zu entkräften. Soll mir keiner vorwerfen, ich mache mir einen schlanken Fuß.