Thread by @GolinehAtai

"Heute, so wie ich hier bekleidet bin, gehe ich mit meinem Anwalt zum Gericht, um mich zu verteidigen. Ich werde der Anstiftung zur Korruption und Prostitution und der Propaganda gegen den Staat angeklagt. Als Beweis dafür wird eines meiner Fotos genommen, vom Tag, als ich...

...unverschleiert meine Universität besuchen wollte und dafür kämpfte, in Hemd, Pulli und Hose am Unterricht teilzunehmen, und darüber schrieb, dass ich nicht hineingelassen wurde. Ich habe mich keines dieser Vergehen schuldig gemacht. Ich verteidige vor Gericht die Freiheit...

der Kleidungswahl, und die Freiheit, darüber zu schreiben, was mit mir passierte, als ich mich nicht an vorgeschriebene Kleidungsgesetze hielt. Ich verteidige das Frau-Sein vor Gericht, ich verteidige ein natürliches Stück unserer Körper: unsere Haare, die Mann und Frau haben.

...Bald werde ich 29 Jahre alt, und meine Tagebücher sind voll von all jenen Dingen, die ich nie erleben durfte, und voll von meiner Lust auf dieses Nie-Erlebte. Was das Leben angeht, muss ich schreiben, dass ich jeden Tag des Lebendig-Seins und jede Stunde des Lebens sehr...

genossen und gefeiert habe. Die Schmerzen habe ich geküsst, das Leid, das mir widerfuhr, habe ich umarmt. Ich habe keinerlei Motivation, zu sterben oder mich zu töten. Wenn ich das hätte, würde ich nicht so sehr für das Leben kämpfen und für bessere Tage. Warum? Weil ich mir ...

gewiss bin, dass wir noch nie in unserer Geschichte so beisammen standen wie jetzt, dass wir noch nie an unsere eigene Kraft und das Zusammenstehen so sehr glaubten wie jetzt. Ich sehe, wie meine Familie beunruhigt sein und in jeder Hinsicht unter Druck stehen wird. Aber ich ...

weiß genau, dass die einzige Wahrheit dieses Bild ist, das Ihr gerade seht. Ich sehe keinen anderen Weg als den, zur Wahrheit zu stehen.“

(der letzte Brief von Sepideh Rashno vor ihrem Gang zum Gericht)
#MahsaAmini