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Oct 27 13 tweets 2 min read Twitter logo Read on Twitter
1. Ob im Ukrainekrieg oder jetzt in Gaza. Die einzigen Debatten betreffen die Legitimation von Kriegen. Hier soll jetzt ein Geheimnis gelüftet werden: In jedem Krieg hält jede Kriegspartei ihren Krieg für legitim. Es ist schlicht sinnlos, darüber zu diskutieren.
2. Tatsächlich ist nur eine Frage relevant. Ist der Einsatz militärischer Gewalt geeignet, um vorher definierte politische Ziele durchzusetzen? Im Ukrainekrieg wird neuerdings darauf hingewiesen, dass Russland als Großmacht geschwächt worden sei. Was ist die Logik dieses Ziels?
3. Die Ukraine wird damit als Stellvertreter der USA in der globalen Auseinandersetzung über die zukünftige Weltordnung definiert. So wird jetzt im amerikanischen Wahlkampf argumentiert. Allerdings ist das eher der klägliche Versuch, dem Ganzen nachträglich einen Sinn zu geben.
4. Schließlich ist selbst dieser Krieg in den USA so unpopulär, weil es dort schon seit Clinton eine isolationistische Stimmung gibt, die der Rolle als Weltpolizist überdrüssig ist. Da hilft nicht einmal mehr der Hinweis, dass dort keine amerikanischen Soldaten sterben.
5. Die Abwesenheit erreichbarer politischer Ziele führt zur Ideologisierung des Krieges, wo beide Seiten nur noch mit Parolen wie 'Freiheit statt Knechtschaft" den Krieg zu Hause legitimieren wollen. Die ukrainische Gegenoffensive ist das beste Beispiel für diesen Mechanismus.
6. Sie erreichte kein einziges Ziel, noch nicht einmal Russland an den Verhandlungstisch zu bringen. Absurde Ideen, wie die Rückeroberung der Krim, lassen wir einmal weg. Alle Akteure fallen zunehmend ihrer eigenen Propaganda zum Opfer, weil sie eines wie nichts anderes fürchten:
7. Dass sich die Sinnlosigkeit des Krieges herausstellt, dessen Ausbruch und Fortsetzung sie zu verantworten haben. Die Legitimation der Ukraine, sich gegen den russischen Abgriffskrieg zu verteidigen, ist eine Binsenweisheit. Nur ist das kein oben definiertes politisches Ziel.
8. Das kann man jetzt auch auf Gaza anwenden. Israel nutzt die Erkenntnis eines Selbstverteidigungsrechts exakt nichts. Die Vernichtung des politisch-ideologischen Komplexes Hamas ist auch kein mit militärischer Gewalt erreichbares politisches Ziel.
9. Das einzige erreichbare militärische Ziel ist die Eroberung Gazas. Damit stellen sich Fragen: Wie geht man mit den unvermeidlichen zivilen Opfern um? Hilft die Eroberung Gazas, um die Existenz Israels militärisch zu sichern? Welche Folgen hat das für die Region und die Welt?
10. Welche politische Zukunft hat Israel den Palästinenser als Besatzungsmacht anzubieten? Antworten auf diese Fragen definieren erst politische Ziele. Der Hinweis auf einen legitimen Krieg ist aber keine. Natürlich gilt das alles auch für Russland und die Palästinenser.
11. So beruft sich auch die Hamas auf ihre Legitimation zur Kriegführung. Ob wir das für überzeugend halten, ist leider für die Hamas kein Argument. Ihr Ziel der Vernichtung Israels ist militärisch nicht durchsetzbar und damit auch kein politisches Ziel im Krieg.
12 Welche politischen Kalküle die Hamas-Führung zu diesem Angriff bewegten, ist schwierig festzustellen. Sie scheint den Krieg vor allem aus innenpolitischen Gründen für einen Selbstzweck zu halten. Ohne Krieg verliert sie ihre Existenzberechtigung bei den Palästinensern.
13 Aber die Idiotie des Kriegsgegners ändert nichts an der einzigen relevanten Frage: Welche politischen Ziele sind mit dem Einsatz der eigenen militärischen Gewalt erreichbar? Wir haben darauf bisher keine überzeugenden Antworten. Ein Dritter Weltkrieg wäre aber auch keine.

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Oct 19
1) "Ich habe etwas in den vergangenen Monaten gelernt", vertraute der ernüchterte Verteidigungsminister seinen Parteigenossen bei einer Klausursitzung im Februar 1988 an: "Man kann anderthalb Millionen Palästinenser nicht mit Gewalt beherrschen."
2.) "Was schlagen Sie vor?", fragte einer der Teilnehmer. Rabin hatte bei diesem Treffen kein Konzept anzubieten. Jedoch verwarf er beide politischen Optionen, die als Alternative zur Übergabe an die Palästinenser gehandelt wurden.
3.) "Der Transfer (die Massenausweisung der Palästinenser) ist bislang immer gegen die Juden eingesetzt worden. Das dürfen wir nicht vergessen. Und wenn wir ihnen die isaelische Staatsbürgerschaft anbieten, werden sie 25 bis 30 Sitze in der Knesset bekommen.
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Jul 24
Journalisten dürfen schwafeln, Politiker müssen manchmal wichtige Entscheidungen treffen. Wenn Merz den Wählern der aktuell zweitstärksten Partei ein Angebot machen will, muss er die sog. Brandmauern niederreißen, die lediglich der parteipolitischen Konkurrenz nutzen.
Diese haben nur den Zweck, eine in weiten Teilen gescheiterte Politik noch über die Runden zu bringen. Ob das Migrations- und Energiepolitik betrifft, oder das ursprünglich an Dilettantismus nicht zu überbietende GEG. Sollte das Merz nicht gelingen, bleibt die AfD alternativlos.
Die SPD dümpelt bei 18 % herum, die Grünen bei 14 % und die FDP bei 7 %. In weiten Teilen des Ostens sind die drei Parteien schon auf den Status von Kleinparteien geschrumpft. Was die Ampel zusammenhält: Keine Partei kann sich von einem Koalitionsbruch etwas versprechen.
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May 15
Die Erkenntnisse aus dem Artikel: 1. "Die Erneuerbaren speisen jetzt im Frühjahr deutlich mehr ein als im Winter" ... "Erst wenn man ein oder zwei Jahre im Ganzen vergleichen könne, werde man die Auswirkungen des letzten Schritts beim deutschen Atomausstieg sehen können".
2. "Das Wetter hat viel größeren Einfluss als die drei Kernkraftwerke, und auch unsere Nachbarländer haben einen viel größeren Einfluss auf den Strompreis." Mit der Begründung könnte man übrigens auch alle Kohlekraftwerke abschalten, wenn es dort nicht folgende Lösung gäbe.
4. "Im Inland muss die Bundesnetzagentur sogar viel weniger Reservekraftwerke unter Vertrag nehmen als im vergangenen Winter ... . Was allerdings vor allem daran liegt, dass Kohlekraftwerke aus der Reserve in den regulären Betrieb zurückgekehrt sind." Wer hätte das gedacht?
Read 8 tweets
Apr 28
Um das bisherige Wirken von Graichen zusammenfassen. 1. Er verlangte die Zerstörung der deutschen Gasinfrastruktur. 2. Er bedrohte deutsche Unternehmen, indem er deren Konkurrenz den Marktzugang ermöglichen wollte. Zwar absurd, aber offenbar mit Wirkung.
3. Graichen hat kein Interesse an deutschen Betrieben mit einem hohen Energiebedarf. 4. Graichen war immer sehr begabt in der Akquierung staatlicher Fördermittel. 5. Als Staatssekretär hat er unverhohlene Patronage zugunsten der Familie und von Freunden betrieben.
6. Mitten in der Energiekrise hat Graichen das Abschalten von AKWs mitzuverantworten. 7. Seitdem kombinieren wir hohe Preise mit der Refossilisierung unserer Energiewirtschaft. Das nennt sich neuerdings "nachhaltig".
Read 4 tweets
Apr 18
Nur zu diesem Artikel: taz.de/Debatte-um-Ato… Die deutsche Atomenergiepolitik der 70er Jahre war von Energiebedarfsprognosen geprägt, die sich als unzutreffend erwiesen hatten. Das war der entscheidende Grund, warum die Energiewirtschaft auf den weiteren Ausbau verzichtete.
2. Mit dem Verzicht auf den Schnellen Brüter in Kalkar und dem Verzicht auf die WAA in Wackersdorf waren die früheren Planungen eines geschlossenen Brennstoffkreislaufs hinfällig geworden. Damit waren AKWs lediglich zu einem Baustein im deutschen Energiemix geworden.
4. Anschließend wurden die Kohlekraftwerke wieder attraktiv, weil deren Umweltproblem namens "Saurer Regen" als gelöst galt. Sie waren konkurrenzlos günstig, wenn man Steinkohle importierte. Der sogenannte "Kohlepfennig" war übrigens im Vergleich zu den EE-Subventionen billig.
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Sep 7, 2022
Der Hinweis auf Merz ist richtig. Diese Forderung war nicht gut durchdacht, teilten bekanntlich auch einige Top-Ökonomen. Der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren hätte exakt nichts bewirkt, selbst wenn er gelungen wäre. Wir haben keine Lösung für das Speicherproblem.
Die Atomkraft ist tatsächlich ein Randthema, weil der Kollaps der Welthandelsordnung für uns das wichtigste Theme ist: Wir leben als eine der größten VoWis der Welt in einzigartigerweise von Ex- und Importen. Deutschland zahlt im globalen Krieg die größte Zeche.
Das lässt sich nur durch ein Ende des Ukrainekrieges verhindern. Im Krieg ist aber der Erhalt der energetischen Grundlage unserer VoWi das wichtigste Randthema. Um auch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten, brauchen wir ein Moratorium in der Energiewende.
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