Warum ich eine neue dschihadistische Terrorwelle befürchte. Ein Thread🧵👇
Vor etwas mehr als 10 Jahren führte der syrische Bürgerkrieg zu einer noch nie dagewesenen dschihadistischen Mobilisierung -- auch hier in Europa. Tausende von jungen Männern (und Frauen), die nach Syrien zogen und sich dem IS anschlossen. Ab 2014 dann auch Terror hierzulande. 2/
Der aktuelle Konflikt zwischen Israel und Hamas, der mit der schrecklichen Terroroffensive der Hamas begann, ist damit nicht identisch. Aber es gibt Ähnlichkeiten. Und einige Faktoren, die -- wenn überhaupt -- noch Schlimmeres befürchten lassen. 3/
Genauso wie damals wird der Konflikt über soziale Medien transportiert. Im Falle Syriens hatten Clips von Bombenangriffen und toten Babys einen dramatischen Effekt. Heute gibt es noch mehr davon, die Kommunikation ist schneller und Desinformation um ein Vielfaches höher. 4/
Genauso wie damals geht es um einen Konflikt im Nahen Osten. Aber im Gegensatz zu Syrien ist dieser nicht „irgendein" Bürgerkrieg oder Konflikt zwischen Muslimen. Für Islamisten ist es *der* Konflikt überhaupt: Juden gg. Muslime, Heiliges Land, Jerusalem. Klarer geht es nicht. 5/
Und genauso wie damals würden viele wahrscheinlich am liebsten vor Ort kämpfen. Doch anders als im Falle Syriens gibt es hierzu keine Möglichkeit. Die Hamas hat keine Auslandskämpfertradition, und in den Gazastreifen kommt man nicht so einfach. 6/
Wer sich aktuell radikalisiert, muss sich seine Ziele also hier suchen. Und diese werden vermutlich v.a. im Zusammenhang mit Israel und Juden stehen. Auch hierzulande ist die Bedrohung für jüdisches Leben derzeit also extrem hoch. 7/
Die scheinbar „gute" Nachricht ist, dass die Hamas in Vergangenheit an Terroranschlägen außerhalb des Nahen Ostens kein Interesse hatte und es deshalb aktuell keine Möglichkeit gibt, hierzulande zum „Hamas-Kämpfer" zu werden. 8/
Doch selbst im syrischen Konflikt hat es zwei Jahre gedauert, bis der IS entstanden ist. Und obwohl er mit der Terroroffensive vom 7. Oktober erstmal nichts zu tun hatte, versucht der IS mittlerweile sehr intensiv, die Situation für seine Zwecke zu instrumentalisieren. 9/
Hinzu kommt, dass die Idee des terroristischen Einzeltäters unter Dschihadisten mittlerweile so weit verbreitet und mythologisiert ist, dass es gar keine Netzwerke mehr braucht, um zum „Soldaten" oder gar „Märtyrer" zu werden. 10/
Kurzum: Ich befürchte, dass uns in Europa eine neue Welle des dschihadistischen Terrorismus bevorsteht. Und dass diese noch dramatischer werden könnte als das, was wir Mitte der 2010er Jahre erlebt haben. 11/
Umso wichtiger ist deshalb, dass sich die Behörden jetzt sehr schnell und intensiv mit dem (wieder-)auflebenden Phänomen beschäftigen. Denn in den frühen 2010er Jahren war man anfangs zu langsam („hat nichts mit uns zu tun") und anschließend überwältigt. 12/
Gut, dass viele Ressourcen aus dieser Zeit noch existieren. Wie ich immer schon gesagt habe: Islamismus und Rechtsextremismus sind die 2 größten Bedrohungen für die liberale Demokratie. Wir müssen so aufgestellt sein, dass *beide* effektiv bekämpft werden können. 13/
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Ich studiere seit knapp 25 Jahren Extremismus und seit über 15 Jahren Islamismus -- in all seinen Ausprägungen. Was aktuell passiert, macht mir große Sorgen. Ein Thread 🧵
Seit der schrecklichen Terroroffensive der Hamas vom 7. Oktober ist die Situation im Nahen Osten auf einen Schlag wieder Thema Nummer 1. Israel/Palästina ist der Konflikt, zu dem alle eine Meinung haben, aber von dem wenige verstehen, was passiert. 2/
Seit Wochen erreichen mich Links zu Instagram-, Twitter- oder TikTok-Videos, mit dem sich Bekannte oder Familienmitglieder -- oftmals gebildete Leute -- zum ersten Mal über diesen Konflikt informieren. Sehr wenig davon ist differenziert oder fundiert. 3/
Meine Gedanken zur Bodenoffensive: Ich kann mir gut vorstellen, dass die Hamas der israelischen Bodenoffensive erstmal gar nicht so viel Widerstand entgegen bringen wird. 1/
Ähnlich wie Irak 2003 überlässt man dem Feind erstmal freies Feld, und erst, wenn er auf fixen Positionen tief in feindlichem Territorium sitzt, beginnt die klassische Aufstandsstrategie, mit der Hamas ihre Stärken ggü. einem konventionell massiv überlegenen Feind maximiert. 2/
Um zu „gewinnen", muss Hamas die israelische Armee nicht komplett niederzwingen, sondern lediglich verhindern, dass sie selbst besiegt wird. 3/
Trotz aller Spekulation (auch von mir) tappen wir weiterhin im Dunkeln, was Motivation und Ziele der Hamas-Offensive angeht. Es gibt 3 plausible Theorien: 👇 1/
(1) Hamas plante eine seiner alle zwei oder drei Jahre üblichen Eskalationen, die aber wegen des Versagens der israelischen Sicherheitsbehörden „erfolgreicher” war als erwartet. (Überraschungsthese) 2/
(2) Hamas wollte mit einem harten Schlag eine starke Überreaktion Israels provozieren, die nicht nur die „arabische Straße" (von Kairo bis nach Neukölln) mobilisiert, sondern arabische Staaten und v.a. den Iran zum Einschreiten veranlasst. (Provokationsthese) 3/
Eine "schmutzige Bombe" ist *keine* Nuklearwaffe, sondern ein konventioneller Sprengsatz, dem radioaktives Material hinzugefügt wurde. Es findet keine nukleare Reaktion statt. Hierzu ein kurzer THREAD 🧵👇 1/ 👇 t-online.de/nachrichten/uk…
Weil keine nukleare Reaktion stattfindet, ist die unmittelbare Zerstörungskraft einer "schmutzigen Bombe" nicht größer als die des konventionellen Sprengsatz, mit dem sie gezündet wird. Es gibt aber zwei zusätzliche Effekte: 2/ 👇
1. Das betroffene Gebiet wird radioaktiv verseucht. Je nachdem, wieviel radioaktives Material dem Sprengsatz hinzugefügt wurde, kann dies dazu führen, dass ein bestimmtes Gebiet unbewohnbar wird.
Es gibt verschiedene kritische Infrastrukturen, nicht alle gleichermaßen "kritisch". Am kritischsten für das Funktionieren einer Gesellschaft: Energie, Cyber, Wasser, Gesundheit (Krankenhäuser) -- mit Einschränkungen auch Verkehr. 1/
Der entscheidende Punkt: 80% der kritischen Infrastrukturen sind in nicht-staatlicher Hand. Der Staat *alleine* kann nicht für deren Sicherheit sorgen. Es bedarf einer *Partnerschaft* mit nicht-staatlichen, oft privaten Akteuren. 2/
Meine Position zur westlichen Politik im Ukrainekrieg ist relativ einfach, aber in der deutschen Debatte unterrepräsentiert. Let me explain. 📜👇 spiegel.de/politik/deutsc… via @derspiegel
Es gibt nicht einen, sondern *zwei* realpolitische Imperative. Der ERSTE ist, dass Putin nicht für seine Aggression belohnt werden darf und ihm Kosten und Konsequenzen vor Augen geführt werden müssen, um weitere Aggressionen zu verhindern. 2/
Der ZWEITE ist, dass wir eine globale Eskalation des Konflikts, möglicherweise unter Einsatz nuklearer Waffen, verhindern müssen. Das Risiko hierfür ist schwer einschätzbar, aber deutlich höher als null. 3/