Aus politikwissenschaftlicher Perspektive, bzw. wenn man mit konstruktivistischen Theorien der internationalen Beziehungen arbeitet, ist die Taurusdebatte auch deshalb interessant, weil man hier beobachten kann, was passiert, wenn neue sicherheitspolitische Narrative bestehende
Identitäten und Rollen infrage stellen. Mit der Zeitenwende wurde von Scholz ein neues Narrativ der sicherheits- und verteidigungspolitischen Neuorientierung Deutschlands geprägt, das sowohl politische Handlungen legitimierte (Sondervermögen, Waffenlieferungen) als auch einen
politischen und gesellschaftlichen Konsens zur Rolle deutscher militärischer Macht in Europa (und der Welt) schaffen sollte. Gleichzeitig wurden aber die bis dahin identitätsstiftenden Narrative der 'Friedenspartei' SPD wie 'Ostpolitik' oder 'Wandel durch Handel' nicht angetastet
und bestenfalls sehr vorsichtig kritisch hinterfragt. Es fand also kein grundsätzlicher Wandel der eigenen Grundüberzeugungen statt, insbesondere nicht bei Politikern wie Mützenich, deren eigene friedenspolitische Überzeugungen im Kalten Krieg sozialisiert wurden.
Diese friedenspolitische Identität der SPD wird jetzt benutzt, um den Kritikern der Taurusentscheidung Wagemut, Bellizismus und Unverantwortlichkeit vorzuwerfen. Im heraufziehenden Wahlkampf positioniert man sich als Hüter des Friedens, der die Deutschen aus dem Krieg heraushält
Die Angst vor militärischer Eskalation und nuklearer Vergeltung sind dabei stark emotionalisierte Elemente im öffentlichen Diskurs, der die Ängste der Deutschen und die Furcht vor Putin/Russland mobilisiert, um die Selbstvergewisserung der SPD nach der Zumutung der Zeitenwende
zu gewährleisten. Wie die Bourbonen nach der Französischen Revolution hat man (fast) nichts gelernt und nichts vergessen; Scholz und die SPD sind nur bereit, sicherheitspolitisch so weit zu gehen, wie es die friedenspolitische Identität der Partei erlaubt. Dafür nimmt man auch
in Kauf, dass man den Ukrainern nicht alles an deutschen Waffen für ihren Abwehr- und Überlebenskampf bereitstellt, man ist ja hinter den USA schließlich die Nr. 2 der Unterstützer, wie endlos wiederholt wird.
Als ob es nach einer Niederlage der Ukraine noch relevant wäre, ob Deutschland sich hier im Westen die Silbermedaille umhängen kann. In diesem politischen Konflikt zwischen narrativer Neuorientierung und dem Bewahren etablierter Leitbilder hat Scholz um Taurus eine Grenze gezogen
der das Selbstbild der SPD vor den letzten Konsequenzen einer strategischen Zeitenwende bewahrt: Russland ist der Feind des Westens, der von der Ukraine mit allen Mitteln bekämpft werden muss, in einem Krieg, der nicht durch Verhandlungsappelle entschieden wird, sondern durch die
militärische Abnutzung und Erschöpfung des Gegners. Dieses all-in verweigert Scholz sowohl rhetorisch als auch politisch, er schwächt damit die Ukraine und unterminiert die Zeitenwende, die er selber ausgerufen hat, um der SPD die schmerzhafte Anpassung an eine neue Gegenwart zu
ersparen, die das eigne Weltbild infrage stellt.
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Ralf Stegner wollte Deutschland vor 2 Jahren noch für 5.000 Helme abfeiern und hat seitdem jedes Waffensystem an die Ukraine wenn überhaupt nur zähneknirschend unterstützt. Sein Argument, dass jeder Waffenstillstand besser sei als der Krieg instrumentalisiert die Toten, um den
Kurs der militärischen Unterstützung der Ukraine zu unterminieren. Gnädigerweise steht er dieser noch ‚Defensivwaffen‘ wie Flugabwehrsysteme zu, um Schulen, Krankenhäuser, etc. zu schützen. Aber wehe, es geht um ‚Offensivwaffen‘, wie Panzer, Artillerie und Marschflugkörper, alles
was die Ukraine in die Lage versetzt nicht nur sich selbst zu schützen, sondern auch den Gegner zu schwächen und zu bekämpfen wird hier faktisch dämonisiert. Wer solche Waffen fordert, gehört dann in Deutschland zum durchgedrehten Bellizistenclub. Stegner hat seine Position zum
Dieses kollektive Einscheißen vor einer möglichen zweiten Trump Präsidentschaft geht mir jetzt auch langsam auf den Keks. Es ist ja nicht so, dass der Donald erst seit gestern auf der politischen Bühne der USA unterwegs ist. Manche Forderungen Trumps wie zeit.de/2024/04/donald…
2% für die NATO oder Reduzierung der deutschen Energieabhängigkeit von Russland wurden vom versammelten politischen und publizistischen Establishment in Deutschland mehr oder weniger feixend abgetan. Man kann Trump viel vorwerfen, aber er hat aus seinen politischen Präferenzen
nie einen Hehl gemacht. Er lehnt die amerikanische Führungsrolle im westlichen Bündnis ab, er ist nicht bereit, die militärische Verteidigung überaus wohlhabender Länder wie Deutschland mit US-Steuergeld zu subventionieren, und die wirtschaftlichen Interessen der USA stehen für
Framing every actor, process and event in international politics as an ongoing contest between oppressed (good, moral) and oppressor (evil, amoral) is essentialist, reductionist and simplistic, obscuring complex political realities behind a veil of imagined moral certitude.
This level of analysis distorts more than it explains, as the moralist categorisation of US vs THEM is geared toward manufacturing outrage, resentment and anger at those perceived to be the OTHER. There is no space for nor a possibility of multidimensionality, grey areas, or
collective human behaviour that is neither completely good and justified or evil and deprived, but a messy middle ground of different and competing values, norms and motivations. This neopuritanical streak of dividing the world into black and white is intellectually disconcerting
Step 3: In the pan you used to brown the beef, add crushed garlic chopped onions and 2tbsp of vinegar (balsamic or apple cider), fry everything on medium heat with the juices of the meat, ca. 5 min.
Die Untergangsstimmung zu den Aussichten der Ukraine scheint mir genauso deplatziert wie der Überschwang mit der manche die Gegenoffensive begrüßt haben. Der Krieg wird noch mindestens ein Jahr andauern, wenn nicht länger. Das ist die unbequeme Wahrheit. Waffenlieferungen bleiben
richtig und wichtig um die Ukraine militärisch in ihrem Verteidigungskrieg zu unterstützen. Das enttäuschende Ergebnis der Gegenoffensive stellt nicht das Prinzip westlicher militärischer Unterstützung infrage sondern deren Zögerlichkeit, politisch gewollte Begrenzung und
Quantität. Diejenigen, die jetzt ein Scheitern erklären, hätten der Ukraine gar keine Waffen geliefert und die ukrainische Freiheit für eine russische Friedhofsruhe geopfert. Nichts an den strategischen Erfordernissen zur Unterstützung Kyiv‘s hat sich geändert. Putin‘s Projekt
Nach dem 6. Januar gab es ernste Befürchtungen, dass Trump einen Militärschlag anordnen könnte um ein internationale Krise auszulösen oder sogar einen Krieg anzufangen. Diese Ängste waren so grundlegend, dass Mike Milley der CJCoS seinen Chinesischen Gegenpart anrief um ihm zu
versichern, dass die gegenwärtige politische Instabilität keine Auswirkungen auf die Beziehungen zu China haben würde. Milley berief auch eine Sitzung des Generalstabs ein, in der er klar machte, dass jede Entscheidung zum Einsatz von Nuklearwaffen nur fallen könnte wenn er dabei
im Raum ist. Milley reizte dabei die Grenzen der zivilen Kontrolle des Militärs aus bei gleichzeitiger Loyalität zum Amt des Präsidenten als Oberbefehlshaber. Milley und die Chefs von Navy, Army, Air Force Marines und National Guard veröffentlichten auch einen Brief an alle