Thread by @florianklenk

Achtung, das ist jetzt wichtig. Sehr wichtig. @karlnehammer und die ÖVP wollen das Zitierverbot und das sogenannte datenschutzrechtliche Medienprivileg junktimieren. Das ist eine Katastrophe für die Pressefreiheit der ÖsterreicherInnen. Ich erkläre euch hier, warum.Bitte lesen
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Die Medienbranche, aber vor allem das an Qualitätsberichterstattung interessierte Publikum muss in den nächsten Wochen extrem wachsam sein. Die ÖVP will die notwendige und vom Verfassungsgerichtshof geforderte Reform des Datenschutzgesetzes dazu missbrauchen, 2/

ihren lange gehegten Wunsch nach einer Zensur der investigativen Berichterstattung doch noch umzusetzen. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler will die Gunst der Stunde nützen und zwei Reformen verzahnen. Eine sinnvolle. Und eine gefährliche. Worum geht’s? 3/

Erstens: das Zitierverbot. Die Volkspartei will erreichen, dass Journalisten nicht mehr so präzise und genau darüber informieren dürfen, was in polizeilichen Protokollen und Gerichtsakten steht, wie bisher – etwa in der Ibiza- oder Inseratenaffäre. 4/

Das würde den Beschuldigtenrechten schaden, so Edtstadler. „Wo war mei Leistung?“, „Vergiss nicht Du hackelst im ÖVP-Klub, Du bist die Hure für die Reichen.“ „Kriegst eh alles, was Du willst“ – all das soll nicht mehr geschrieben, sondern nur mehr „umschrieben“ werden dürfen. 5/

Die Grünen stellen sich wacker gegen dieses Vorhaben. Sie wissen, was auf dem Spiel steht: der sogenannte „Report on Investigation“, also die Berichterstattung über Korruptionsermittlungen. Sie ist eminent wichtig, denn 6/

in Gerichtsakten sind ja nicht nur strafbare Delikte dokumentiert, sondern auch politische Sitten und Gebräuche. Sie zu kennen ist Teil der Informationsfreiheit der Bürger.Und ohne begleitende Kontrolle schlafen Strafrechtsermittlungen auch gerne ein, wie ein Blick bis zurück 7/

zur Lucona-Affäre zeigt.Der Widerstand der Grünen gegen diese Zensurpläne Edtstadlers hat bisher gehalten, denn es sollte ja eigentlich nur eine Lex Kurz sein. Doch nun öffnet sich, wie das grüne Justizministerium befürchtet, für die ÖVP ein Window of Opportunity. 8/

Womit wir, neben dem Zitierverbot, beim zweiten, allerdings sinnvollen Reformvorhaben in Sachen Pressefreiheit sind: dem Medienprivileg der Datenschutzgrundverordnung.Klingt kompliziert, ist aber wichtig. Worum geht es hier? Alle Bürger haben ein Recht auf Datenschutz. 9/

Sie dürfen bei Unternehmen und bei staatlichen Stellen nicht nur nachfragen, welche personenbezogenen Daten über sie gesammelt werden, sie haben auch Löschungs- und Einsichtsrechte bezüglich jener Datensätze, die sie betreffen.Das ist richtig und wichtig – kollidiert aber 10/

zugleich mit dem Redaktionsgeheimnis von Medienunternehmen. Denn würden all jene, über die wir recherchieren oder publizieren, einen Anspruch auf Herausgabe jener Unterlagen haben, die ihre Namen enthalten, wäre der Informantenschutz perdu und jede Recherche lahmgelegt. Denn: 11/

ohne Informantenschutz keine Informanten. Ohne Informanten keine Information über Missstände. Ohne Hinweise auf Missstände kein Watchdog-Journalismus. Der Oberste Gerichtshof hat dieses wichtige Prinzip mehrfach betont. Auch die EU hat den Schutz des Redaktionsgeheimnisses im 12/

Datenschutzrecht verankert, er muss innerstaatlich garantiert werden.Redaktionen waren in Österreich daher per se von der Datenschutzgrundverordnung ausgenommen. Dem Verfassungsgerichtshof ging das zu weit. Man könne nicht ein Grundrecht (Pressefreiheit) einem anderen 13/

Menschenrecht (Datenschutz) pauschal vorziehen, sondern es müsse eine Abwägung vorgenommen werden. Bis zum Sommer muss die Regierung das Gesetz reparieren.Justizministerin Alma Zadić versucht nun, ein Regelwerk zu schreiben, das den Anforderungen des VfGH gerecht 14/

wird und den Schutz journalistischer Arbeit garantiert. Sie wird sich dabei vermutlich am Mediengesetz orientieren, das schon jetzt Schadensersatz vorsieht, wenn der höchstpersönliche Lebensbereich, das Intim- oder Sexualleben oder die Unschuldsvermutung verletzt werden. 15/

Die grüne Justizministerin warnt vor einer Junktimierung von Datenschutzreform und ZitierverbotDoch für eine so sensible Reform braucht Zadić die ÖVP. Und die verknüpft nun, wie Edtstadler in einem Zeitungsinterview vor Weihnachten klargestellt hat, ihr ersehntes Zitierverbot 16/

mit der gebotenen Reparatur des datenschutzrechtlichen Medienprivilegs. Das ist eine gefährliche Drohung. Edtstadler spricht es ja offen aus: Sie will die Zeugenprotokolle in der Inseratenaffäre nicht in der Zeitung lesen. Sie will die Einvernahmeprotokolle mit Sebastian Kurz 17/

nicht in der Öffentlichkeit haben. Sie will die schwarze Zensurtuchent über jene Fakten werfen, die in gerichtlichen Ermittlungen zum Vorschein kommen. Sie will ihre Parteifreunde vor bad news schützen. Und dafür nimmt sie möglicherweise schon bald ein Verschleppen 18/

der vom VfGH gebotenen notwendigen Reform des Datenschutzrechts in Kauf.Würde der ÖVP tatsächlich die Bekämpfung von Medienjustiz am Herzen liegen, dann könnte sie das schnell erreichen. Die Entschädigungen bei Verletzungen des Mediengesetzes sind nach wie vor zu gering. 19/

Man könnte sie anheben. Aber das würde nur jenen nutzen, über die falsch oder vorverurteilend berichtet wird. Edtstadler will aber mehr – nämlich die wahrheitsgemäße Berichterstattung verhindern. Das ist, wenn es um Politiker und Korruption geht, glatte Zensur. 20/

Danke fürs Lesen. Es müssen jetzt alle zivilgesellschaftlichen Organisationen und alle Parteien dagegen aufstehen. Karl Nehammer will sich für lästige Berichterstattung bei uns rächen. Einen anderen Sinn hat diese Junktimierung n icht.