Ein lange herbeigesehnter Durchbruch: Einem Team von TU Wien und PTB Braunschweig ist es erstmals gelungen, einen Atomkern mit Laser gezielt "umzuschalten". Warum das revolutionär ist, und was man damit nun tun kann: (Thread)
Full disclaimer: Ich bin ein Fan dieser Forschung und somit nicht unbedingt objektiv. Ich beobachte das Projekt seit Jahren und habe für die TU Wien das Pressematerial für diese Entdeckung geschrieben. Aber zurück zur Physik. Was wir bereits wussten:
Mit Lasern Atome oder Moleküle zu manipulieren ist völlig alltäglich. Der Laser überträgt Energie auf die Elektronen und versetzt sie dabei in einen anderen Zustand. Das klappt bestens, man verwendet das für viele wichtige Technologien, etwa für chemische Sensoren.
Der Atomkern allerdings ist eine völlig andere Sache. Auch er kann unterschiedliche Zustände einnehmen, aber einen Atomkern in einen anderen Zustand zu versetzen braucht normalerweise tausendfach mehr Energie als ein Laser-Photon hat. Laserlicht ist Atomkernen meist völlig egal.
Das ist schade, denn gerade der Atomkern wäre eigentlich der perfekte Ort für Experimente. Er ist klein und kaum für Störungen anfällig. Kann man den Atomkern mit Laser kontrollieren, kann man Präzisions-Messgeräte bauen, z.B. eine Atomkern-Uhr, die alle Atomuhren übertrifft.
Schon vor Jahrzehnten stieß man aber auf Hinweise, dass es einen Atomkern geben könnte, der 2 Zustände hat, die extrem knapp beisammen liegen, sodass es dort tatsächlich möglich sein könnte, den Kern mit einem Laser vom einen Zustand zum anderen zu bringen - nämlich Thorium-229.
Das Problem ist nur: Um das zu beweisen, muss man den Atomkern mit Laserlicht der ganz exakt richtigen Wellenlänge treffen. Man muss also die Energie zwischen diesen beiden Zuständen fast perfekt kennen, um zu zeigen, dass es diese eng benachbarten Zustände tatsächlich gibt.
Es ist hoffnungslos, alle möglichen Energien durchzuprobieren, bis man irgendwann eines Tages dann tatsächlich die richtige erwischt und den Atomkern damit anregt. Die Energie auf 1 eV genau zu kennen ist völlig nutzlos, wenn man eine Präzision von 1 Millionstel eV braucht.
Über viele Jahre wurden auf der ganzen Welt Experimente durchgeführt, um den zu durchsuchenden Energiebereich immer weiter einzuschränken. Das Team von Thorsten Schumm von der TU Wien war an vielen dieser Projekte beteiligt - daher kannte ich das Projekt.
Schumms wichtige Idee war: Es ist besser, die Thorium-Atomkerne nicht einzeln zu analysieren, sondern sie in einen Kristall einzubauen. Dann kann man nämlich plötzlich viele Milliarden von ihnen gleichzeitig mit dem Laser treffen und ein entsprechend stärkeres Signal erhalten.
Das ist technisch aber schwierig. Der Kristall selbst muss für den Laser völlig durchsichtig sein, der Laser soll nur mit dem Thorium interagieren. Der Kristall soll klein sein und das Thorium an einer definierten Stelle vereinen. Doch mit den Jahren wurden diese Probleme gelöst.
Und so war es nun so weit: In Kooperation mit der PTB Braunschweig gelang es, die Thorium-Kerne anzuregen. Die gesuchte Energie wurde gefunden - man kennt sie jetzt auf 6 Stellen genau. Nur bei exakt dieser Energie passiert etwas mit den Kernen, bei jeder anderen nicht.
Das kann man nun für präzise Messtechnik verwenden, wie man auch schon Elektronen-Übergänge für Messtechnik verwendet. Schon seit Jahren gibt es Überlegungen, wie man eine Atomkern-Uhr bauen könnte, wenn man einen solchen Atomkern-Übergang fände. Dem steht nun nichts mehr im Weg.
Eine solche Atomkern-Uhr wäre noch einmal deutlich präziser als unsere heutigen Atomuhren. Damit könnte man nicht nur Zeit messen, sondern indirekt auch andere physikalische Größen, etwa die Stärke der Gravitation. Das wäre z.B. interessant für die Geologie.
Auch ganz grundlegenden physikalischen Fragen kann man damit auf den Grund gehen: Sind die Naturkonstanten wirklich konstant? Oder variieren sie vielleicht ein kleines bisschen in Raum und Zeit?
All das könnte nun möglich werden - dadurch, dass man es geschafft hat, den Atomkern den Laser-Messmethoden zugänglich zu machen, die man außerhalb des Atomkerns schon lange mit großem Erfolg verwendet.
Es ist ein lange erwarteter Durchbruch, aber zu hoffen ist, dass es erst der Startschuss einer langen Reihe von Erfolgsmeldungen ist, die über erfolgreiche Anwendungen dieser neuen Atomkern-Technologie berichten.
Wer mehr darüber lesen will, findet hier meine Pressemeldung der TU Wien. Am Ende stehen Links zu Zusatztexten über den historischen Hintergrund, mögliche Anwendungen und den Trick mit dem Kristall. tuwien.at/tu-wien/aktuel…
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Es ist eine Verschwörungstheorie, die nicht nach Verschwörungstheorie klingt: Die Erzählung von satanistischen Organisationen, die Menschen entführen, foltern, manipulieren, töten. Echte belege fehlen, diese "Satanic Panic" ist unbegründet.
Ein Thread, warum das gefährlich ist.
"Satanic Panic" wird leicht mit Kriminalfällen vermischt, die es tatsächlich gibt: Ja, Entführungen, grausige Gewalttaten, sexuelle Gewalt - das kommt schrecklicherweise alles tatsächlich vor. Das kleinzureden oder als Phantasie abzutun, wäre natürlich furchtbar.
Seit Jahren aber wird auch die Erzählung verbreitet, satanistische Organisationen würden systematisch Verbrechen begehen, Opfer mit "Mind-Control" zum Schweigen bringen, die Dunkelziffer sei hoch. Das klingt zunächst vielleicht ja durchaus glaubwürdig.
Bei Berichten über das Havanna-Syndrom wäre ich vorsichtig. Auszuschließen ist nichts, aber man untersucht solche Behauptungen schon lange, ohne je eine "smoking gun" gefunden zu haben. Physikalisch finde ich die Behauptungen unplausibel. Manches klingt nach Esoterik. (Thread)
Dass Russland skrupellos Menschen schädigt oder tötet, wissen wir. Wir kennen z.B. gut dokumentierte Vergiftungs-Fälle. Beim Havanna-Syndrom geht es aber um die Frage: Gibt es geheime Strahlenwaffen, mit denen man gezielt und unbemerkt ganz bestimmte Symptome verursachen kann?
Menschen aus Diplomatenkreisen klagen über Kopfschmerzen, Ohrenschmerzen, Schwindel, Tinnitus, Wahrnehmungsstörungen und mehr. Lässt sich das z.B. durch Bestrahlung aus dem Nachbargebäude hervorrufen?
Solche Bilder von Eisbergen finden wir oft: Ein Stück ragt aus dem Wasser, der Großteil zieht sich vertikal weit nach unten. Das ist physikalisch aber falsch. Warum sollte so ein Eisberg aufrecht balancieren?(Thread)
Sehen wir uns zuerst eine Situation an, die für uns alltäglicher ist: Wir stellen eine leere Plastikflasche aufrecht ins Wasser. Der Großteil der Flasche ist über dem Wasser, nur der untere Bereich taucht ein. Was passiert?
Naja, klar: Die Flasche kippt um und schwimmt waagrecht im Wasser. So ungefähr:
Gravitation gibt es nicht - das ist eine Behauptung, die tatsächlich ernsthaft vertreten wird, oft von Leuten, die an die Theorie der flachen Erde glauben. Wie bringen diese Leute ihre täglichen Beobachtungen mit dieser Idee in Einklang? Es ist etwas merkwürdig (Thread)
Flacherdler glauben, die Erde ist eine Scheibe, Sonne und Mond ziehen darüber ihre Kreise, ganz außen ist eine Art Himmelskuppel, auf der die Sterne befestigt sind. Das passt natürlich nicht zu den Naturgesetzen, wie wir sie kennen.
Newtons Gravitationsgesetz (oder Einsteins Relativitätstheorie) beschreibt zwar, wie Planeten um Sterne kreisen, aber eine Sonne, die Kreise über einer Erdscheibe zieht - das ist nach der Gravitationstheorie unmöglich. Flacherdler müssen somit die Gravitationstheorie ablehnen.
Lautstärke misst man in Dezibel. Das haben wir alle schon mal gehört. Aber was ist das für eine seltsame Einheit, und warum führt sie (sogar in der medizinischen Fachliteratur) ständig zu Verwirrung? Schaffen wir das Dezibel ab!
(Thread)
Wie misst man, wie laut etwas ist - also wie kräftig eine Schallwelle ist? Physikalisch betrachtet könnte man einfach sagen: Messen wir doch einfach die Energie der Schallwelle. Aber was man dann bekommt, passt nicht zu dem, was wir als "Lautstärke" empfinden.
Dieselbe Schall-Energie-Menge kommt uns nämlich manchmal laut und manchmal leise vor - abhängig von der Frequenz, also der Tonhöhe. Wir Menschen hören am besten im Bereich von ein paar 1000 Hertz (Schwingungen pro Sekunde). Das entspricht ungefähr der Tonhöhe einer Flöte.
Happy Birthday, Albert Einstein! Es gibt ja jede Menge berühmte Leute, bei denen nicht so ganz klar ist, warum gerade sie zum Superstar erklärt wurden. Bei Einstein ist das anders: Er hat seine Rolle als überragende Figur der Wissenschaftsgeschichte redlich verdient. (Thread)
Völlig unfassbar ist Einsteins großes Jahr 1905 - das "Annus Mirabilis der Physik". Damals war er Mitte 20 und veröffentlichte neben seiner Dissertation gleich 4 Arbeiten, von denen jede einzelne gereicht hätte, um ihm einen Eintrag in den Lehrbüchern zu sichern.
Er erklärte zunächst den Photoelektrischen Effekt - die Tatsache, dass bestimmte Materialien Elektronen abgeben, wenn sie mit Licht bestrahlt werden. Vorher betrachtete man Licht eher als Welle, Einstein zeigte: Licht hat auch Teilcheneigenschaften - es besteht aus Photonen.