Thread by @GillessenJens

Seit 2021 diskutieren wir unter
#IchbinHanna, wie das #WissZeitVG verändert werden muss. Nie bin ich dabei, weder hier noch in anderen Medien, auf einen Beitrag von Prof. @StSeiter gestoßen, Sprecher der FDP-BT-Fraktion für Forschung (!).

Jetzt hat er das Thema abgeräumt. 🧵 1/

Was will Professor Seiter? Wenig überraschend: Für Postdocs soll es wie bisher bei den 6 Jahren Befristung bleiben statt, wie vom @BMBF_Bund gewollt, diese auf de facto 4 Jahre zu verkürzen



2/jmwiarda.de/2024/05/19/nac…

Dazu sind 2 Dinge klarzustellen. Erstens: Wenn die Alternativen lauten '6 Jahre oder 4 Jahre', dann sind 6 Jahre tatsächlich vorzuziehen, weil weniger schlecht. 3/

Uns zwar nicht, weil alle, absolut alle im Wissenschaftsbetrieb das so sehen (was ebenfalls stimmt), sondern aus Sachgründen, die von uns selbst immer gegen die de facto 4 Jahre des @BMBF_Bund immer geltend gemacht wurden sind. 4/

Dazu zurück zum Anfang der Debatte: Nach 6 Jahren wird bekanntlich nicht entfristet, sondern es findet ein Personalaustausch statt. Zu wenige Postdocs erlangen eine Professur, der Rest fliegt raus und hat 6 Jahre verschwendet. 5/

Daraus scheinen einige abzuleiten, dass jede Verkürzung besser wäre. Das stimmt nicht. Die 6 Jahre waren wenigstens so bemessen, dass Postdoc ein nicht völlig oberflächliches wissenschaftliches Projekt darin initiieren u abschließen konnte. Davon profitiert die Gesellschaft 6/

Diese Zeit einfach nur zu verkürzen erhöht den Druck auf den/die Postdoc enorm, in kurzer Zeit etwas 'Professorables' zu produzieren, sei es eine Habil, Papers oder Aufsätze. Das betrifft alle Disziplinen. Das kann sich auf die Qualität der Forschung nur negativ auswirken. 7/

Klar: Wer rausfliegt, fliegt besser früher als später; so verschwendet Postdoc weniger Lebenszeit und hat bessere Chancen auf dem außerakademischen Arbeitsmarkt. 8/

Das ist auch an sich kein schlechtes Argument für eine Verkürzung, muss aber gegen den beschriebenen Schaden abgewogen werden, und im Ergebnis waren wir uns so weit ich mich erinnere fast alle einig: 9/

4 Jahre wären alles in allem noch übler als 6. 10/

Deswegen hinkt diesmal der Vergleich, den die von mir über alle Maßen geschätzte @AmreiBahr in ihrem Substack-Letter anstellt: Die Alternative ist nicht wie 'linkes oder rechtes Bein verlieren', sondern eher wie 'linke oder rechte Hand'—als Linkshänder. 11/

Das zwingt mich dann zu akzeptieren, dass, wenn das die einzigen Alternativen sind, 6 Jahre besser sind als 4. Konversational angemessener ausdrücken kann man das aber auch so: 6 sind etwas weniger schlecht als 4. 12/

Zweitens: All das kann man, wenn man meiner (unserer?) Anwägung folgt, als wahr akzeptieren, ohne dadurch im Geringsten der plumpen, von vornherein offenbaren Taktik der FDP auf den Leim zu gehen. 13/

die FDP hat sich in der Wissenschaftspolitik zum Schein auf den Koalitionsvertrag eingelassen, jeden Verbesserungsvorschlag mit dürren Leerformeln ausgeschlagen, dann einen vergifteten Kompromiss vorgeschlagen. 14/

Und nun tritt auf Professor @StSeiter, der good cop von der FDP, der uns vor dem Schaden bewahren will, den die FDP in Gestalt des bad cop @starkwatzinger anzurichten droht. 15/

Wenn Herr Seiter meinen sollte, dass ich ihm für diese grandiose Rettungsleistung zu Dank verpflichtet wäre, dann hat er sich geschnitten. 16/

Ich habe schon vor Monaten gesagt, was immer offensichtlich war: Da die FDP bei den Postdocs jeden vernünftigen Vorschlag blockiert, wird man dort alles lassen müssen, wie es ist, so dass wenigstens die kleinen Verbesserungen für die anderen Gruppen passieren können. 17/

Diese Einsicht wäre schon lange vor der Verabschiedung im Bundeskabinett fällig gewesen. Da kann man nur sagen, Herr Seiters hat eine sehr lange Leitung, wenn ihm das erst jetzt auffällt 18/

Zuletzt: Was in der gesamten Diskussion abwesend ist, weil der FDP nicht genehm, sind die vielen Alternativen jenseits von '4 oder 6'. Ich werde sie der FDP auch in Zukunft nach Kräften unter die Nase reiben. 19/

Da wäre zB A) der Vorschlag von #IchbinHanna: 2 Jahre, dann leistungskonditionierte Anschlusszusage. B) #ProfsfuerHanna: Befristungshöchstquoten. C) Postdocstellen durch Assistenzprofessuren mit Tenure Track ersetzen. 20/

Ist aber laut FDP alles nicht "wissenschaftsadäquat" (obwohl C in den USA das Standardmodell), was auch immer das bedeuten soll. Naja, Phrasen halt. 21/

Conclusio des Ganzen: 6 ist immer noch weniger schlecht als 4, und Seiters' Vorschlag daher in der Sache richtig. Es sei denn, die FDP würde ihren Alternativenhorizont doch noch erweitern—eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr. 22/22

Nachtrag: Und dabei hab ich den vllt wichtigsten Nachteil von '4 statt 6' sogar noch unterschlagen: Es würden so *noch mehr* Promovierte auf Postdocstellen gelockt—um dann nach 4 Jahren entsorgt zu werden. Das kann es doch nicht sein. 23/22