Jörg Baberowski prognostiziert in @derspiegel den Sieg #Russland|s im Angriffskrieg gegen die Ukraine. In seiner Argumentation mischen sich Offensichtliches, Projektionen und der Unwille, genauer hinzuschauen.
Einige Anmerkungen: 1/ spiegel.de/geschichte/ukr…
Hier präsentiert Baberowski ein Strohmannargument. Das von ihm präsentierte "Wir" gibt es nicht. Denn dass in RU Angehörige nationaler Minderheiten durch hohen Sold zum Kampfeinsatz gelockt werden, konnte man schon häufig lesen. Umgekehrt gibt es gerade auf ukrainischer Seite 2/
viele Männer, die tatsächlich aus voller Überzeugung für ihr Land kämpfen. Baberowski spricht ihnen diese Überzeugung weitgehend ab - damit unterliegt er der gleichen Fehleinschätzung wie die russischen Agenten, die dem Kreml suggerierten, die UA werde schnell kapitulieren.
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Es wäre für Leute wie Baberowski sinnvoll, sich einmal mit den Menschen vor Ort zu unterhalten. Ich habe das im Januar und Februar 2022 gemacht. (Übrigens standen auch die Menschen auf dem Majdan und seit 2014 im Donbas nicht wegen des Geldes dort...)
Ja, es gibt die v.a. von AfD und BSW geschürte Kriegsmüdigkeit, und chronisch entscheidungsschwache Politiker wie Scholz. Aber der abgeklärte Fatalismus von Baberowski hat Züge einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Es gilt: Nur wer nicht erklärt und wirbt, hat schon verloren. 5/
Hier bringt Baberowski zwei Fragen durcheinander und bleibt bezeichnend unklar: Die Waffenlieferungen beeinflussen, *wie* die Ukraine den Krieg beenden kann (durch Sieg, Kapitulation oder 'Kompromiss'), was *danach* geschieht, steht dann auf einem anderen Blatt. 6/
Bemerkenswert ist auch, dass Baberowski nur mit Blick auf die Westukraine meint, "niemand" wolle ihn dort haben. Sicher gibt es z.B. im Gebiet Charkiw Kollaborateure, doch suggeriert diese Formulierung, in diesen "Provinzen" (sic!) sei man ihm wesentlich zugeneigter. 7/
Und dann greift Baberowski das Narrativ auf, die Russen seien untauglich für die Demokratie. Er ignoriert (wie viele andere) nicht nur Menschen wie Boris Nemzow und verweist stattdessen auf die nationalistische Phase von Nawalny, er redet auch den exemplarischen Terror klein, 8/
den Putin gezielt einsetzt, um die Menschen zu unterdrücken. Viele vergessen: Der Herrscher im Kreml hat bald genau 25 Jahre Zeit gehabt, um sein Regime systematisch auszubauen und jegliche Opposition durch Propaganda, administrative, geheimdienstliche und militärische Mittel
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kleinzuhalten und dann zu zerschlagen. Das ist übrigens auch ein Aspekt, den man nicht vergessen sollte, wenn es um den Vergleich mit der Ukrainer geht: Dass sich die Ukraine anders entwickelt hat, liegt nicht nur in ihrem Freiheitswillen begründet, der sich wesentlich gegen
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die Moskauer Fremdherrschaft wandte, sondern auch an der glücklichen Fügung, dass im Kiewer Präsidentenpalast nie ein strategisch denkender Geheimdienstler saß, der über alle Gewaltressourcen des Staates verfügte (was umgekehrt die Ukraine 2014 fast hilflos machte).
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Schließlich pflegt Baberowski mit Blick auf die Bedrohung des Baltikums durch Russland die Schwarz-Weiß-Malerei, gegen die er sich im Gespräch sonst wendet: Längst zeichnet sich ab, dass ein Angriff nicht zwangsläufig durch einen Panzervorstoß erfolgen muss, sondern durch 12/
hybride Aktionen, Provokationen unterhalb der Schwelle von Art. 5, mit denen die Zusammengehörigkeit des Westens getestet wird. Bezeichnend, dass er keinen Gedanken an die russische Minderheit verschwendet und behauptet, Putin könne dort "mit keinerlei Unterstützung rechnen".
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Fazit: Neben zutreffenden Beobachtungen, eine Reihe von Lücken und Widersprüche - wie z.B. dieser hier, wo man sich fragt, warum der Westen Putin nicht schon jetzt in der Ukraine anstatt erst "auf Dauer" zeigen sollte, dass seine Waffen denen des Westens unterlegen sind.
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Im Januar 2022 stand ich meiner Küche in Kyjiw und hörte mir ein Interview des @dlf mit #Dohnanyi über sein neues Buch an. Sein Kernpunkt war schon damals ein knallharter deutscher Nationalnarzissmus: wir seien bloß "Vasallen" der USA. Diese narrative #Querfront mit 1/
Rechtsextremen wie Elsässer und nationalen Sozialistinnen wie Wagenknecht hat sich seit langem abgezeichnet. Bahr hat es mit seinem kurzsichtigen Verständnis von "Realpolitik" vorgelebt - wäre unseren "Interessen" denn besser gedient, würden wir uns aus der "Abhängigkeit" von
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den USA lösen würden? Dohnanyi ist schon länger falsch abgebogen, 2010 verteidigte er den lupenreinen Rassisten Sarrazin ("Die SPD braucht mehr Querdenker wie Sarrazin"), 2021 brachte er sein Buch "Nationale Interessen" heraus, das es bezeichnenderweise auch in russisch gibt. 3/
Richard David #Precht, der Talkshow-Prominente, der sich am hartnäckigsten weigert, die Realität wahrzunehmen, um seinen Antiamerikanismus zu pflegen, hat wieder ein Buch geschrieben - dem @Tagesspiegel erklärt er, warum man es nicht lesen muss: 1/ tagesspiegel.de/gesellschaft/r…
Es geht Precht um eine echte "wertegeleitete Außenpolitik" im Unterschied zum "Moralismus" von Baerbock & Co. Vor der Übernahme des AA durch die Grünen habe die deutsche Außenpolitik mehr Erfolge gehabt.
Er sieht den russischen Überfall 2014 auf die Ukraine also als "Erfolg". 2/
Wie es sich für einen Antiamerikanisten gehört, hat Precht ganz viel Verständnis für die 'Ängste' Putins. Er interpretiert den Angriff auf die Ukraine daher als eine Art Präventivkrieg. Das sind starke "Seit 4.45 Uhr wird zurückgeschossen"-Vibes. 3/
Wenn man verstehen will, was in der @spdde falsch läuft und warum sich dort so viele #Putin-Apologeten tummeln, muss man sich Accounts wie den von @ArnoGottschalk anschauen. Es reicht eigentlich auch schon dieser👇Tweet.
Einige Anmerkungen: 1/
Das erste, was auffällt: Gottschalk verkürzt die Verkürzung noch einmal drastisch. Er isoliert das ‚Eingeständnis‘ des ehem. Generalstabschefs, die US-Army habe „massenhaft“ Menschen „abgeschlachtet“. Die Botschaft ist klar: die Amerikaner sind Verbrecher.
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Wenn man sich die Zitatkachel näher anschaut, fällt als Nächstes auf, dass Milley über Dilemmata des Militärs spricht: Zivile Opfer sind unvermeidlich, v.a. wenn man Kriege gegen Regime wie NS-Deutschland und Japan oder Terrorgruppen wie IS und Hamas führt, die lieber die
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Wer die Kälte und Ignoranz gegenüber der #Ukraine von großen Teilen des deutschen Journalismus studieren will, höre diesen Podcast des Schreckens mit @IkenMatthias an: Helmut Schmidt meets Krone-Schmalz.
Einige Anmerkungen: 1/ abendblatt.de/podcast/articl…
Bemerkenswert ist schon die Schnodderigkeit, mit der der Krieg (ständig als „Konflikt“ bezeichnet), als eine Art Bucket-List-Challenge dargestellt wird: „Ja, man kann sagen, wir haben ein Ziel erreicht: Putin hat die Ukraine noch nicht unterworfen - Haken hinter - …“
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während zugleich die deutsche Perspektive nie verlassen wird - selbst wenn es vordergründig um die ukrainischen Opfer geht: „…aber der Preis, den momentan auch (sic!) die Ukraine dafür bezahlt, ist natürlich extrem hoch.“ Iken verschwendet keinen Gedanken daran, welchen
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Heribert Prantl publiziert ausgerechnet in der @berlinerzeitung einen Vorabdruck aus seinem Buch "Den Frieden gewinnen. Die Gewalt verlernen". Schon das ist ein Statement. Der Text selbst ist ein intellektuelle Bankrotterklärung. Prantl will nicht in den Kopf, dass wir längst 1/
"die Gewalt verlernt" haben - die Russen aber leider nicht. Es liegt nicht an uns, und erst recht nicht an den Ukrainer:innen, dass Putin seit 2014 ein Nachbarland bekriegt. Prantl spaltet mit Hingabe Haare, wenn er über den Begriff "kriegstüchtig" herzieht - es verstoße gegen
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das Friedensgebot das Grundgesetzes. Prantl bemüht die abgedroschensten Phrasen und suggeriert, Pistorius sei der Kriegstreiber, nicht Putin. Man möchte ihn fragen, wie er sich denn vorstellt, wie man sich gegen einen imperialistischen Eroberungskrieg wehren soll. Die Antwort 3/
Helft der #Ukraine, Charkiw zu verteidigen! Liefert endlich mehr von unseren Dutzenden #Patriot-Systemen, die wir in Europa haben verdammt! Plus Taurus natürlich. Sonst leben die tapferen Leute dort bald in Trümmern, statt in wunderbaren Jugendstilbauten. Letzten Juni war ich 1/
dort, und beeindruckt von der Resilenz der Menschen. Die Stadt ist hierzulande immer noch viel zu unbekannt, sonst wäre der Aufschrei größer. Die Ukraine ist für viele ein weißer Fleck auf ihrer mental map statt Reiseziel für die Zeit nach Abwehr Russlands. Ihr verpasst was! 2/
Das großartige Postamt am Hauptbahnhof, das gewaltige Derzhprom-Gebäude im Zentrum - als stünde man in den Kulissen von „Metroplis“! (Nur eben in Stahl und Beton, nicht aus Pappmaschee…) 3/