1/Seit 1912 nannte sich Iosseb Bessarionis dse Dschughaschwili „Stalin“,der Stählerne.Zuvor hatte er bereits wie alle Berufsrevolutionäre andere Decknamen benutzt. Bis heute und trotz hunderter oder tausender Biographien umgibt das Leben eines der größten Verbrecher der Mensch-
2/heitsgeschichte viele Rätsel. Das beginn bereits mit dem Geburtsjahr. Wladislaw Hedeler, der beste deutsche Kenner der russischen und sowjetischen Geschichte von der Jahrhundertwende bis zu Stalins Tod (1953) gibt das Geburtsdatum mit 18. Dezember 1878. Er stellt das gar nicht
3/zur Diskussion, obwohl er natürlich weiß, dass Stalin seinen 70. Geburtstag mit großem Pomp am 21. Dezember 1949 feierte und in jeder offiziellen Biographie der 21. Dezember 1879 als Geburtstag stand. Hedeler kann in dieser schmalen Schrift, die aus einer kurzen Biographie und
4/mehreren Quellentexten besteht, natürlich nicht allen Verästelungen der Stalin-Biographie nachgehen. An einer Stelle zeigt er mal anschaulich, wie kompliziert das im Einzelnen ist: Wie oft war Stalin nun verhaftet, verbannt, verurteilt worden, wie oft floh er? Und auch die
5/umstrittene Frage, wie genau Stalin an Banküberfällen und Terroranschlägen beteiligt war, erörtert Hedeler exemplarisch, womit er vorführt, wie kompliziert einzelne Fragen dann doch zu beantworten sind.
Das Buch ist historisch Interessierten zu empfehlen, die bislang nicht sehr
6/viel über Stalin wissen und die sicherlich immer wieder staunen werden. Vielleicht am meisten über jene Passage, als Stalin Anfang März 1953 im Sterben lag und Hedeler, der in Stalins Todesjahr in der Sowjetunion fernab von Moskau geboren worden ist, knochentrocken
7/anmerkt: „Zahlreiche Sowjetbürger boten an, ihr Herz für Stalin herzugeben.“ (S. 47)
Das Buch ist kein Buch, in dem die großen Fragen diskursiv erörtert werden. So wird ausgerechnet die Zeit zwischen 1932 und 1940 in dieser Abhandlung von Hedeler nur sehr, sehr knapp abge-
8/handelt – und dabei hat Hedeler über diese Zeit wie kein zweiter in Deutschland geforscht und publiziert. Das ist doch sehr schade, dass er hier diese zentrale Phase der sowjetischen Geschichte fast stiefmütterlich behandelt. Dabei lässt Hedeler, der vor 1990 an einem SED-
9/Parteiinstitut arbeitete, an keiner Stelle seines Buches einen Zweifel aufkommen, wie mörderisch und verbrecherisch die Stalin-Herrschaft war. Etwas unklar bleibt er lediglich in den Abschnitten, in denen es um die Frage geht, ob der „Stalinismus“ eine eigene ideologische
10/Theorie oder politische Herrschaftsform war. Hedeler plädiert eigentlich dafür, führt aber selbst auch Argumente an, die dagegensprechen (S. 35-39). Leider lässt er unerwähnt – wie es fast überall geschieht –, dass der Begriff „Stalinismus“ von Stalin-Kritikern in den 1920er
11/Jahren erfunden worden ist, um Stalins Herrschaft als Abweichung von der Kommunismus-Norm zu brandmarken, um die Idee des marxistisch-leninistischen Kommunismus zu retten. Eine richtige Karriere machte der Begriff dann nach 1945 und gehört bis heute zum festen Begriffs-
12/instrumentarium auch von Antikommunisten, denen wohl meist nicht bewusst, dass dieser Begriff letztlich nichts weiter im Schilde führt, als Stalins Heimat, den Leninismus, zu retten. Aber das ist natürlich kompliziert, umstritten und gehört vielleicht nicht in eine solche
13/Schrift für Geschichtsanfänger im Rahmen der höchst bemerkenswerten Reihe „Biographische Miniaturen“ des Berliner Dietz-Verlages.
Im Anhang druckt Hedeler – wie in jedem Band dieser Reihe üblich – einige Dokumente ab, die Stalins Agieren und seine Wesen illustrieren sollen. Er
14/hat eine kluge Auswahl getroffen, die den Zweck gut erfüllt. Lediglich bei dem berühmt-berüchtigten Buch von Lion Feuchtwanger („Moskau 1937“) hätte ich noch ein, zwei Passagen aus dessen Tagebüchern hinzugenommen.
Das kleine Buch über Stalin von Wladislaw Hedeler ist sehr
15/empfehlenswert – und wie hier zu lesen war, können selbst Fortgeschrittene mit dem Buch etwas anfangen und sofort die Fachdiskussion fortführen. @KarlDietzBerlin
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1/Heute legt Marko Martin nach - und zwar auf eine Art, die ich aus unzähligen anderen Begebenheiten nur sehr genau bestätiogen kann:
"Glauben Sie, dass Frank-Walter Steinmeier Ihre Botschaft verstanden hat?
Er hätte schon 2013 wissen können, von welcher Art Putins Regime ist –
2/als Außenminister hätte er es wissen müssen. Stattdessen hat Deutschland unter seiner Ägide noch große Geschäfte mit dem Kreml gemacht. Als ich Steinmeier dies nach meiner Rede in ruhigen Ton sagte, empörte ihn das noch mehr. Es zeigte für mich genau dieses Denken: Wir Männer
3/in den Hinterzimmern regeln das; das Volk und die Intellektuellen haben doch gar keine Ahnung von Politik. Er hat mir rhetorisch die Instrumente der Macht gezeigt und dozierte völlig aufgebracht. Das immerhin hat mich auch ein wenig positiv gestimmt. Ich hatte ihn bislang für
1/Am 15.November 2024 wird Wolf Biermann 88 Jahre alt. Nach seiner Zeitrechnung wird er aber erst 14,5 Jahre alt. Warum? In der Hamburger Bombennacht 1943 blieb seine innere Altersuhr stehen - an seinem 80. Geburtstag 2016 beschloss er dann, dass sie von nun ab weiterläuft. Er
2/hat also noch viel vor sich! Darauf können wir uns alle freuen.
Am kommenden Mittwoch (13.11.,es gibt noch Karten) gibt es im Hamburger Thalia-Theater eine Record-Release-Party - junge Musiker*innen interpretieren Songs von Wolf neu (). Ein tolles Projektthalia-theater.de/stueck/zeiten-…
3/- die neue LP kommt zudem auch in einer LP-Set-Box heraus (). Ich durfte das alles schon intensiv anhören – ich bin sehr überzeugt von dem Projekt.
Neulich habe ich mal darauf hingewiesen, dass ich keine Auszeichnungen und Preise brauche und den ganzencloudshillshop.com/products/wolf-…
1/Gestern konnte ich am Brandenburger Tor das Freiheitsfest mit der größten Band der Welt (na ja, das war eigentlich Led Zeppelin!) verfolgen und für den rbb gemeinsam mit Volker Wieprecht kommentieren. Hat Spaß gemacht, auch wenn es irgendwann ziemlich kalt war. Die Musik rockte
2/wirklich, die Musiker hatten verdammten Spaß. Mir hat sehr gut gefallen, wie sie "Susann" von City spielten - so rockig hörte ich das Lied noch nie. Auch SOS von Silly oder Heros von David Bowie kamen super rüber, am besten freilich gefiel mir neben City der Cover Rockin' in
3/the free world von Neil Young, eines meiner Lieblingsfreiheitslieder seit 1989. Was in diesem Reigen allerdings der Schlager "Tage wie diese" von den TH zu suchen hatte, wird wohl ein ewiges Rätsel der Veranstalter bleiben. Und ebenso rätsle ich, wie man einen solchen Abend
1/"Wenn 10.000 Dresdener „Ost-Ost-Ostdeutschland!“ grölen, dann spiegelt sich darin ein machiavellistischer Widerstands-Militarismus, der hart am Faschismus segelt. Diese rechtsextremen Tendenzen werden in fast allen Vereinen runtergespielt, auch da ähneln sich Fußball und
2/politische Gesellschaft. Erinnert sei hier nur an den sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf, der sein Bundesland von extremistischen Bewegungen freisprach, während direkt vor seiner Nase Faschisten durch die Straßen marschierten. ... Natürlich wählen nicht alle
3/Fußballfans im Osten mit zweifelhaftem Verhalten die AfD oder Sahra Wagenknecht, aber irgendwoher müssen diese 40 bis 50 Prozent kommen. Wer in den zum Teil sehr gewaltaffinen Fankurven sozialisiert wurde, für den ist der Schritt, eine Putin-Partei zu wählen, nicht mehr sehr
1/Ich kenne keinen Sozialwissenschaftler, auf den sich gerade alle mehr einigen können als @MauSteffen. Er ist ein freundlicher und überaus eloquenter Mann, der seine Botschaften unaufgeregt und so in die Öffentlichkeit trägt, dass fast alle nur zustimmen können. Er räumt Preis
2/um Preis ab. Nun also den Buchpreis Bayerns. Ich wiederhole gern, was ich am Tag des Erscheinens seines jüngsten Buches im Juni 2024 schrieb: »Steffen Mau analysiert sachlich, nüchtern, fast überragend leidenschaftslos – wie ein überzeugter Hanseat aber voll bei der Sache und
3/an der Sache – den Weg Ostdeutschlands. Er schreibt keine Geschichte, schon gar keine neue, sondern untersucht systematisch und analytisch soziokulturelle Indikatoren und ihre Dynamik. Herauskommt ein Bild Ostdeutschlands, das nicht neu, das aber
1/ Ich versuche das noch zu verstehen: Marko Martin hält eine historische Rede - er liest im Schloss Bellevue dem amtierenden Bundespräsidenten die Leviten, Satz für Satz und ganz ruhig zeigt er, was es heisst, den Ideen von 1989 treu zu bleiben. Es ist nicht einmal eine Anklage,
2/sondern die Aufforderung, endlich öffentlich selbstkritisch zurückzublicken. Das haben dem Bundespräsidenten in den letzten 2 Jahren intern schon viele andere dringend geraten, er lehnte das ebenso immer ab. Er hat nun nichts weiter zu tun, als anschließend in kleiner Runde
3/einigermaßen unpräsidial Marko Martin "Diffamierung" vorzuwerfen - der wiederum lässt sich nicht einschüchtern. Und was machen die Medien in unserem Land mit diesem offenen, aber einzigartigen Vorgang und dieser historischen Rede: Sie ignorieren den gesamten Vorgang. Aber sie