Wenige, die „Verhandlungen mit Putin“ fordern erklären, worüber verhandelt werden soll.
Oft ist dann die Rede von den „Interessen Russlands“, die man respektieren müsse.
Ein gefährlicher Irrtum.
Denn verfolgt Putin tatsächlich Russlands Interessen?
1/19
Personalisierung, die Gleichsetzung von prominenten Personen mit Gruppen oder ganzen Staaten, ist ein typischer Denkfehler, der auch durch polarisierende Berichterstattung befeuert wird.
Da spielt Fussballtrainer Jürgen Klopp gegen Madrid oder Selenskyj kämpft im Donbas.
2/19
Wir haben die Tendenz, Gruppen von Menschen durch ihre prominentesten oder einflussreichsten Mitglieder zu identifizieren.
Die Gruppe wird dann stark mit Eigenschaften oder Handlungen dieser einen Person in Verbindung gebracht.
Propaganda von Diktaturen nutzt das aus.
3/19
Handelt Putin im Interesse der russischen Bevölkerungsmehrheit?
Schaut man sich die Entwicklung Russlands seit Beginn seiner Amtszeit 1999 an, kann man das verneinen.
Das BIP im Baltikum entwickelte sich deutlich besser als in Russland.
Die Westbindung zahlte sich dort aus.
4/19
Auch andere Indikatoren wie
-Lebenserwartung
-Geburtenrate
-Korruptionsrate
-oder Faktoren, die persönlichen Freiheiten und Menschenrechte betreffen
zeigen, dass es der Menschen in Russland unter Putins Herrschaft schlechter geht als in anderen post-sowjetischen Staaten.
5/19
Wenn Putin also seine Macht nicht dazu genutzt hat, die Lebensverhältnisse in Russland vergleichbar zu denen z.B. im Baltikum oder Polen zu verbessern
- kann man dann behaupten, Putin handele im Interesse der russischen Bevölkerung?
Und vertrete die "Interessen Russlands"?
6/19
Gehen wir mit der Gleichsetzung Putin = Russland nicht der Propaganda solcher Diktaturen auf den Leim, die sich als Interessenvertretung ihrer Untertanen aufspielen?
Putins Interesse galt immer nur der Absicherung seiner persönlichen Macht und der dafür erforderlichen Clique
7/19
Und sein Machtapparat hat einen Hauptgegner:
die freiheitlich demokratische Grundordnung westlicher Staaten, durch deren Wohlstand ein Maßstab zur Bewertung der miserablen Ergebnisse von Putins 26-jähriger Herrschaft gesetzt ist.
Was ist daher Putins Interesse?
8/19
Putins Interesse: diese freiheitlich-demokratische Grundordnung westlicher Staaten zu zerstören.
Dabei hat er mächtige Verbündete im Westen:
- Milliardäre, die demokratische Strukturen als „bürokratische Hemmnisse“ abräumen wollen und
- antidemokratische Extremisten.
9/19
So unterschiedlich ihre Motivation ist: Putin und seine Verbündeten eint der Wunsch, Demokratie und Rechtsstaat, die Grundrechte garantieren, zu zerstören.
Das trifft auf Bevölkerungen, die Demokratie überwiegend konsumieren und verlernt haben, in Demokratie zu investieren.
10/19
Wer also jetzt von „Frieden“ durch „Verhandlungen“ in Kompromissen mit Putin unter Berücksichtigung von Putins Interessen spricht, sollte sich ehrlich machen.
Der geforderte Kompromiss ist:
StĂĽck fĂĽr StĂĽck Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa aufzugeben.
11/19
Das demokratische und friedliche Land Ukraine
-so problematisch manche Strukturen dort sein mögen-
soll gezwungen werden, Gebiete an einen Aggressor abzutreten und damit in eine existenzielle Krise zu geraten,
ohne dass es dafür irgendeine völkerrechtliche Grundlage gibt.
12/19
Wir wissen warum es fĂĽr Putins Regime so wichtig, die Krim und eine LandbrĂĽcke dorthin zu beherrschen.
Wirtschaftlich spielt dieses Gebiet kaum eine Rolle, und vor 2014 waren russische Urlauber dort sehr willkommen.
Hier ging es immer um eine aggressive Strategie.
13/19
Russland hat die Krim durch Aufbau hunderter Militäranlagen zu einem unsinkbaren Flugzeugträger ausgebaut, der den Zugang der Ukraine zum Schwarzen Meer unterbinden soll.
Noch kann die Ukraine einen Seekorridor freikämpfen. Aber dieser Zugang bleibt in Gefahr.
14/19
Ohne sicheren Zugang zum Schwarzen Meer wird die Ukraine zum Binnenstaat.
Bei wichtigen landwirtschaftlichen ExportgĂĽtern ist nur der Transport per Schiff wirtschaftlich.
2022 hat gezeigt, welche Auswirkungen die Blockade der Häfen für große Teile der UA Bevölkerung hatten.
15/19
Wer glaubt mit der Formel „Land gegen Frieden“ und falschen historischen Parallelen den „Ukrainekonflikt“ abräumen zu können, hat den tatsächlichen Konflikt nicht verstanden.
Putin würde weiter Krisen in der Ukraine auslösen, um dort demokratischen Strukturen zu zerschlagen
16/19
Putin hätte dann strategisch "gewonnen", da sein Angriffskrieg erfolgreich war.
Er hätte gezeigt, dass in Europa nicht das Recht herrscht, sondern die Gewalt.
Putin als DIE Identifikationsfigur vieler Antidemokraten würde deren Bewegungen und Einfluss weiter stärken.
17/19
Putin hat gezeigt, dass er bereit ist jegliche Verträge zu brechen - auch wenn das Konsequenzen zum Nachteil Russlands hat.
Mit einem solchen Akteur Vereinbarungen zu schließen wäre fahrlässig.
Wie sollen Ergebnisse durchgesetzt werden, wenn er Vereinbarungen erneut bricht?
18/19
Wir haben hier ein klares Benchmark:
Wer im Rahmen von Verhandlungen Zugeständnisse gegenüber Putins Interessen fordert,
- will bewusst einen Abbau von Demokratie, Menschenrechten und Grundfreiheiten
- oder nimmt diese fahrlässig in Kauf.
Ich frage mich, was schlimmer ist.
19/19
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Eine Reihe an Beispielen der letzten 100 Jahre zeigt, wie unscharfe "Sicherheitsgarantien" in internationalen Verträgen nur Lippenbekenntnisse waren, die bei der Eskalation des Konfliktes das Papier nicht wert waren, auf dem sie standen.
1/13
Beim MĂĽnchener Abkommen vom 30. 11. 1938 wurde der Tschechoslowakei nach Abtretung des Sudetenlandes eine Sicherheitsgarantie Frankreichs und GroĂźbritanniens in Aussicht gestellt.
Dazu kam es dann nicht mehr, da Deutschland die “Rest-Tschechei” am 15. 3. 1939 annektierte.
2/13
Sicherheitsgarantie fĂĽr Polen
In der Britisch-Französischen Garantieerklärung vom März 1939 wurde Polen “Beistand in jeglicher Form” versichert, sollte die Unabhängigkeit Polens bedroht werden.
Wenige Monate später wurde Polen dann zwischen Deutschland und UDSSR aufgeteilt.
3/13
Welche Zukunftsvisionen verfolgen superreiche Tech-Bros, die mit immer mehr Kontrolle ĂĽber die Politik einen Umsturz der Demokratie planen?
Astrophysiker @neiltyson zerlegt Elon Musks Fieberträume als irren Blödsinn.
Was können wir daraus lernen?
1/12
Musk sammelte Millionen von gläubigen Fans, u.a. mit der Vision einer interplanetaren Gesellschaft:
Die Menschheit solle sich ins All ausdehnen.
Bis 2050 will er 1 Mio. Menschen auf den Mars schieĂźen, in eine dort selbstversorgende Gesellschaft.
Geht das und ist es sinnvoll?
2/12
Adam Becker @FreelanceAstro hinterfragt die Machbarkeit an 2 Punkten:
-Strahlung
Raumstationen in der Erdumlaufbahn sind noch vom starken Erdmagnetfeld vor der tödlichen Weltraumstrahlung geschützt, die von der Sonne ausgeht.
Auf dem Mars wäre man ihr permanent ausgesetzt.
3/12
Die jahrelangen “Friedensverhandlungen” zur Beendigung des Vietnamkriegs und deren fatale Folgen
-verursacht durch parteipolitisches Geschacher in den USA-
zeigen Fallstricke der US Politik.
Folge: Zynismus wie beim Umgang mit der Ukraine heute.
1/14
US-Parteipolitik und Wahlkämpfe prägten die Entscheidungen in Bezug auf den Vietnamkrieg:
Für den Kriegseintritt der USA ab 1965 gab es zuerst hohe Zustimmung. Als diese kippte, versuchte Präsident Johnson vor der Wahl 1968 einen Ausstieg durch Friedensverhandlungen.
2/14
Auch Oppositionskandidat Nixon versprach Frieden.
Verhandlungserfolge Johnsons hätten aber dessen Vize Humphrey genutzt.
Also torpedierte Nixon die Verhandlungen, indem er Nord- und SĂĽdvietnam bessere Konditionen versprach.
SĂĽdvietnam brach die Verhandlung ab.
Nixon gewann.
3/14
Mit den Angriffen auf Europas Souveränität durch Russland, China und Trump steigt das das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines europäischen Staatenbundes.
Fatal: Genau dieses Instrument wurde durch Vernachlässigung und Desinfo beschädigt.
1/12
Da die Trump-Adminstration den NATO-Beistand aufkündigt, werden neue Bündnisse aus nord- und osteuropäischen Staaten diskutiert. Aber denen fehlen die politischen, rechtlichen und finanziellen Grundlagen für ein nachhaltiges Verteidigungssystem.
All das haben wir: Mit der EU
2/12
Viele wollen auch heute den revolutionären Schritt der Gründung einer Union, vollzogen mit dem Vertrag von Lissabon 2009, nicht mitgehen,
der einen neuen politischen und rechtlichen Rahmen schuf.
Sie stehen mental immer noch in den 1980, zu Zeiten einer EWG-Zollunion.
3/12
Fallstricke des Ideals vom “Mündigen Bürger”🧵
Unsere idealistischen Annahmen über das Funktionieren sozialer Gruppen machen Demokratien anfällig und blind für feindliche Einfluss-Kampagnen.
Aus der Systemtheorie können wir Lösungsansätze für diese Fallstricke ableiten:
1/14
Die von Niklas Luhmann entwickelte Systemtheorie kann Erklärungen dafür liefern, wie Einflusskampagnen
- sehr wirksam und
- fĂĽr die Betroffenen nicht erkennbar
durchgefĂĽhrt werden.
Russland nutzt solche Strategien, die schon sowjetische Polit-Technologen entwickelt hatten.
2/14
Luhmanns Theorie wird kaum beachtet in der Diskussion
-wie sich öffentliche Meinung entwickelt und
- wie sie beeinflusst werden kann.
Das liegt auch an den HĂĽrden dieser hoch abstrakten Theorie mit ihren speziellen Definitionen.
Ein Einstiegs-Video:
3/14
Der Belgische Ministerpräsident Bart de Wever behauptete am Dienstag, eine Beschlagnahmung der eingefrorenen russischen Vermögen sei "Diebstahl".
Das habe es nicht einmal bei deutschen Vermögen im 2. WK gegeben.
Warum lügt der Flämische Nationalist hier? 1/6
Tatsächlich wurden im 2. Weltkrieg deutsche Auslandsvermögen beschlagnahmt und durch das Kontrollratsgesetz Nr. 5 für Reparationen liquidiert.
Entschädigung gab es in der BRD vom Staat durch ein Reparationsschäden- und das Lastenausgleich-Gesetz. 2/6
Weiter behauptet de Wever, Siegermächte könnten nur Vermögen des Verlierers eines Krieges beschlagnahmen.
Dass Russland den Krieg verliere, sei aber reiner Wunschtraum.
Es sei auch gar nicht erstrebenswert, die Nuklearmacht Russland durch eine Niederlage zu destabilisieren. 3/6