Juhu! Bald ist Schulstart! Aber Moment mal, ein Schulranzen kostet heute 300 Euro!?!?
Mehr als das: Das Geschäft mit Schulranzen ist mittlerweile so absurd, dass sich schon das Bundeskartellamt eingeschaltet hat. THREAD 🧵
Zur Einordnung: Allein zum Schuljahr 2023/24 wurden in Deutschland 830.600 Kinder neu eingeschult. Ungefähr genauso oft klingelte es in den Kassen deutscher Schulranzenhersteller. Und das nicht zu knapp.
Warum sind die Teile so teuer?
Fangen wir vorne an: beim Ranzenkauf. Er ist so etwas wie die Einführung der Kinder in die unendliche Welt der Marken. Bei Schulranzen heißen die unter anderem: Scout, McNeill, Scooli, Tatonka und – nicht zu vergessen – Ergobag (dazu später mehr, das wird pikant).
Schulranzen sind heute Hightech-Produkte mit wahnsinnig ausgefeilter Ergonomie, total bunten Reflektoren, irrsinnig hochwertigen Materialien, kinderhandgerechten Verschlüssen.
Es gibt „Ranzensysteme“ (ja: Systeme!) mit einer integrierten Luftpumpe, damit das Polster an die Krümmung der Wirbelsäule angepasst werden kann. Es laufen mehrere Pilotprojekte, bei denen Ranzen mit GPS-Sendern ausgestattet werden, die mit Autos kommunizieren sollen.
Warum die Luftpumpe? Klar: Um Rückenschmerzen zu vermeiden! Schwerer als zehn Prozent des Körpergewichts sollte ein Ranzen nicht sein. Fast 100 Jahre galt diese Faustregel. Schulen, Ärzt:innen und Krankenkassen machten immer wieder darauf aufmerksam.
Nur, warum es genau zehn Prozent sein sollten, das wusste eigentlich niemand. Eine Studie, die diesen Wert empfiehlt, gab es jedenfalls nie. Eine, die etwas anderes herausgefunden hat, aber schon.
Laut der Studie „Kidcheck“ an der Universität des Saarlandes unter Leitung des Humanbiologen Oliver Ludwig belastet der Schulranzen die Kinder kaum. Schlimmer sei stundenlanges Sitzen auf falschen Stühlen und Bewegungsmangel.
Erst ab einem Rucksackgewicht von 30 Prozent des Körpergewichts hat der Ranzen Einfluss auf die Rückenmuskulatur, stellten die Forscher:innen fest.
Damit die Hersteller nicht nur bei der Einschulung einmal verdienen, haben sie sich etwas Cleveres überlegt. Zusätzlich zum Ranzen gibt es kleine Patches oder auch Kletties: Einhörner, Blumen, Drachen, Autos, Prinzessinnen, die sich die Kinder an ihrem Ranzen befestigen können.
Auch im Motiv ihrer Lieblingsserien: Prinzessin Lillifee, Conni, Feuerwehrmann Sam. Um noch mehr Schulranzen zu verkaufen, gibt es sogenannte Ranzenpartys.
Das sind vom Händler vor Ort organisierte Familienevents mit Kinderschminken, Sport und Musik. Standort dieser Partys sind oftmals – sehr praktisch – Autohäuser. Dann steht der zu große, zu teure, zu schwere Ranzen neben dem zu großen, zu teuren, zu schweren SUV.
KR-Leser Carsten fällt auf: „Die Preise laufen deutlich aus dem Ruder für diese Dinger. Die Unternehmen denken sich wahrscheinlich: ‚Ist doch toll, wenn die Deppen das bezahlen‘ und sprechen sich womöglich illegalerweise auch noch ab.“
Was ist denn mit Carsten los? Aber er hat recht. Sie sprechen sich ab.
Das Bundeskartellamt hat vor 2 Jahren eine Strafe von 2 Millionen Euro gegen die Fond Of GmbH verhängt. Eltern, die in den vergangenen Jahren einen Ranzen gekauft haben, müssen jetzt stark sein ...
... Fond Of ist die Firma, die hinter den so beliebten Ergobags steht. Der Präsident des Bundeskartellamtes, sagt: „Fond Of hat über Jahre hinweg Mindestpreise für seine Schultaschen vorgegeben und dafür gesorgt, dass die beteiligten Händler diese Preise nicht unterschreiten.“
Haben Händler die Ranzen für weniger Geld verkauft, als die „unverbindliche Preisempfehlung“ von Fond Of vorsah, folgte ein Anruf, Konsequenzen wurden angedroht, regelmäßig die Einhaltung der Preisempfehlung kontrolliert, die wohl doch nicht so unverbindlich war.
Mundt sagt: „Gerade bei Schulrucksäcken und Schultaschen ist die Zahlungsbereitschaft der Eltern zum Schutz der Kinder relativ groß. Hier noch zusätzlich eine Preisbindung durchzusetzen, ist in keiner Weise akzeptabel.“
Recht hat das Bundeskartellamt. Ich finde, wer sein Kind dieses Jahr einschult, sollte all das wissen. Es ist Zeit sich zu wehren ✊
// In meinem Newsletter "The Kids Are Alright" erzähle ich euch jede Woche, was im Bildungssystem und im Umgang mit Kindern in Deutschland schiefläuft. Könnt ihr hier kostenlos abonnieren: krautreporter.de/29358-bent-fre…
Und hier könnt ihr meinen ganzen Kommentar zur Causa Schulranzen lesen, inkl. einem geschichtlichen Abriss und der Frage, wie Schulranzen auch noch Rollenklischés verstärken (tun sie!). krautreporter.de/kinder-und-bil…
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Wir sollten junge Menschen wie eine Minderheit behandeln.
Aus einem einfachen Grund: Sie sind eine. Das schreibt selbst ein Expertengremium der Bundesregierung. Und nennt drei Gründe, die ihr kennen solltet. THREAD 🧵
Kurz vorab: Um welches Gremium geht es? Um das Bundesjugendkuratorium. Das BJK ist ein Sachverständigengremium der Bundesregierung, dem bis zu 15 Fachleute aus Politik, Verwaltung, Verbänden und Wissenschaft angehören.
Allein, dass der Soziologe @AladinMafaalani Teil des Gremiums ist, zeigt: Da steckt ziemlich viel Kompetenz drin.
In einem neuen Papier weisen die Expert:innen auf drei Probleme hin, die man kennen sollte, wenn man sich eine Meinung zu Generationengerechtigkeit bilden möchte.
Um zu verstehen, was dahintersteckt, habe ich in den vergangenen Monaten mit Eltern, Lehrkräften und Wissenschaftler:innen gesprochen. Ich habe mir gängige Vorurteile angeschaut.
Diese 5 Dinge solltet ihr über Privatschulen wissen. THREAD 🧵
1. Der Boom ist höchstens ein Boomchen.
Klar, der Anteil an Privatschüler:innen ist seit Jahrzehnten gestiegen. Das liegt aber zum größten Teil am Nachholeffekt der ostdeutschen Bundesländer. In der DDR waren Privatschulen verboten. Mittlerweile ist der Anteil im Osten höher.
2. Die Leistungen sind an Privatschulen nicht besser als an öfftl. Schulen.
Wenn man die Leistungen von Schüler:innen an Privatschulen und öffentlichen Schulen miteinander vergleicht, sieht es erstmal so aus, als würden die Privatschüler:innen besser abschneiden.
In Bayern und Sachsen ist Gendern in Schulen schon verboten. Die Kinder hat dabei mal wieder niemand gefragt.
Eine neue Studie von KiKA liefert jetzt Antworten. Wer sich auch nur ansatzweise eine Meinung zum Gendern in Schulen bilden will, sollte die Daten kennen. THREAD 🧵
Kurz vorweg. Warum die Studie? Daniel Seiler von KiKA sagt: „Wir haben uns 2021 dazu entschieden, die Debatte zu versachlichen. Wir wollten nicht über die Kinder hinweg diskutieren.“
Auf diese Idee kamen die Ministerien, die Gendern in Schulen jetzt verboten haben, bisher nicht.
Zur Studie: Im März und April hat Kika insgesamt 827 Kinder zwischen sechs und 13 Jahren befragt. Dafür besuchten die Mitarbeiter:innen eines Befragungsinstituts die Kinder zu Hause und gingen mit ihnen einen Fragebogen durch.
Vor 1,5 Jahren haben wir gemeinsam mit dem @zdfmagazin u.a. darüber berichtet, wie esoterisch die Ausbildung zur Waldorflehrkraft ist.
Damals wollte sich niemand öffentlich äußern, der die Ausbildung durchlaufen hat.
Bis jetzt. Jetzt hat Julia sich bei mir gemeldet. THREAD 🧵
Damals haben wir herausgefunden: Viele Seminare basieren auch heute noch auf der esoterischen Lehre von Rudolf Steiner. Seine über 100 Jahre alten Texte gehören in der Lehrerausbildung zur Standardliteratur.
Wir fanden Ausbilder:innen, die behaupten, dass sie mit Naturgeistern und Bäumen sprechen können. Für viele Lehrkräfte ist die Ausbildung an einer anthroposophischen Hochschule oder Seminar nicht eine Zusatzausbildung, sondern die einzige pädagogische und fachliche Ausbildung.
Heute wurde die neue Studie „Jugend in Deutschland“ veröffentlicht, bei der 2.042 Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren
befragt wurden.
Die Ergebnisse sind krass. Und sie verraten viel darüber, was unser Umgang mit Jugendlichen anrichtet 🧵
Zunächst: Es ist das siebte Mal, dass die Studie durchgeführt wurde. Das heißt, es gibt so langsam einen Grundstock an Ausgaben der Vorjahre, mit denen man die aktuellen Ergebnisse vergleichen kann. Wenn man das macht, sind die Jugendlichen so pessimistisch wie noch nie.
Im Vergleich zu den früheren Studien scheint die Stimmung jetzt zu kippen.
Das sieht man vor allem in den Angaben zur psychischen Belastung.
11% geben an, wegen psychischen Störungen in Behandlung zu sein.