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Aug 6 17 tweets 4 min read Read on X
Viel wichtiger als was gesagt wird ist, wie es gesagt wird.

Wie schauen die Leute aus, wenn sie das sagen? Wie ist die Stimmung bei denen, die zuhören? Tragen die das, was sie hören, weiter? Motiviert sie das, sich zu engagieren?

Nun: Die Herausforderung könnte nicht größer Image
sein, die Aufgabe nicht wichtiger, als eine zweite Amtszeit von Donald Trump zu verhindern und eine erste Amtszeit von JD Vance, wenn Trump nicht vier Jahre amtsfähig bleiben sollte.

Man kann über den heutigen Auftritt von Vizepräsidentin Harris und ihrem heute ausgewählten
Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Walz vor 12.000 Zuseher*innen in Philadelphia also eine Textanalyse laufen lassen: Harris hält ihre Standard-Rede und an den Stellen, wo Walz Agenda als Gouverneur oder biographische Eckpunkte hineinpassen, werden sie hineingeflochten.
Walz erzählt seine Geschichte vom Bauernhof der Familie über die Nationalgarde bis in den Kongress und zum Gouverneurssitz von Minnesota.

Aber wichtiger als der Text ist: Zwei Politiker*innen, die am Wahltag beide 60 Jahre alt sein werden, füllen eine Arena mit Freude, mit
Lachen und mit Energie. Walz darf sogar einen Witz über die Gerüchte machen, sein republikanisches Gegenüber JD Vance habe Sex mit einer Couch gehabt.

Sie wollen die unter 40-jährigen, die Generation ihrer Kinder gewinnen. Zwei Boomer treiben die Millenials und die Gen Z an –
das geht auch nur, wenn dein Gegenüber Donald Trump ist.

Atmosphärisch loben Harris und Walz einander, lachen miteinander, schütten Komplimente und Freundschaftsbekundungen über dem bis heute Früh noch im Rennen gewesenen Gouverneur und Gastgeber Shapiro aus, Walz war mit ihm
bei einem Springsteen-Konzert in New Jersey – eine Seitenbemerkung, mit der er suggerieren will: Die Demokrat*innen sind jetzt alle miteinander befreundet, sogar wenn sie bis heute früh Konkurrenten um den begehrtesten Job der Partei waren.
Tim Walz interessantestes biographisches Detail aus Sicht der Kampagne ist seine Tätigkeit als Football-Coach. Harris nennt ihn mehrmals „Coach Walz“, sie malt blumige Bilder um diese Rolle. Und es ist kulturell tatsächlich gut für eine Kandidatin, der man abgehobene
Küsten-Mentalität vorzuwerfen versucht, einen Coach aus dem Heartland, aus Middle America, an ihrer Seite zu haben. Davon werden wir ebenso mehr sehen, wie von Walz Zeit bei der Nationalgarde, für die er sich mit 17 freiwillig gemeldet hat.
Das impft Harris Kandidatur gegen einen Großteil der kulturellen Attacken.

Was bleibt also vom ersten gemeinsamen Auftritt?

Erstens: Ein versteckter Nebensatz, auf den ein Teil der Kampagne aufgebaut werden wird: Walz erzählt, seine Frau und er hätten jahrelang auf ein Kind
gewartet – und als die künstliche Befruchtung schließlich nach langem Warten erfolgreich war, nennen sie ihre heute 23-jährige Tochter Hope. Wir werden noch mehr von Hope hören: Denn dass nach dem Schwangerschaftsabbruch auch künstliche Befruchtung, Verhütung und sexuelle
Selbstbestimmung im Allgemeinen auf der Angriffsliste der Republikaner*innen stehen, das ist ebenso klar wie unpopulär.

Zweitens: Das Wichtigste hat Walz am Anfang gesagt, sein erster Satz auf der Bühne ist, mit Blick zu Harris: „Thank you for bringing the joy back.“ Das ist die
Energie, die die Demokrat*innen brauchen, um ein Rennen gewinnen zu können, das bis zur Wahl im November sehr knapp sein wird.
Ein guter Anfang ist, den Humor zu halten.

Hier bestätigt der Gouverneur von New Jersey, dass Walz und Shapiro gemeinsam bei Springsteen waren - mit ihm.

Wer die Energie hören und sehen will, mit Bild und Ton:

That said: Die Energie war auch so, weil er davor da war.

Was für eine Rede.

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Aug 6
Vizepräsidentin Kamala Harris hat sich entschieden, wer ihr Vize sein soll, wenn sie im Jänner als Präsidentin angelobt werden sollte.
Es ist der 60-jährige Gouverneur von Minnesota, Tim Walz. Vor vier Wochen außerhalb der Politikblase noch völlig unbekannt, hat Walz in einem Image
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„Do no harm“ ist spätestens seit Sarah Palin eine der Grundregeln für Vizekandidat*innen. Der ehemalige Nationalgardist, Lehrer und Football-Coach Tim Walz hat weniger Angriffsflächen als Pennsylvanias Gouverneur Shapiro. Auch wenn dem
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Jul 31
🇺🇸 Wie sieht Harris die Trump-Kampagne und wie positioniert sich die Vizepräsidentin für nach der Honeymoon-Phase?

Der Auftritt in Atlanta gestern sagt uns das: Harris fängt mit Trump an und hört mit Trump auf. Das ist das Augenscheinlichste. Dazwischen bringt sie demokratische Image
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Jul 31
🇺🇸 Donald Trump hat ein so unfassbares Interview gegeben, dass er den News Cycle zurückerobern wird.

Wenn ein Präsidentschaftskandidat abfällig über die Hautfarbe seiner Mitbewerberin spricht, dann weißt du: Es geht ihm unter die Haut, dass sie sich über ihn und seine weirden Image
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Jul 27
🇺🇸 State of the Race

Wir sind jetzt genau 6 Tage nach Bidens Rückzugsankündigung. Wir kommen in die spannenden Tage betreffend Umfragen. Jetzt kommen die Ergebnisse, in denen die Dynamik des Kandidat*innenwechsels schon drin ist.

Was wir bisher gesehen haben, sind fundamentals
Die zeigen: Harris kriegt wieder über 90% der Biden-Wähler*innen von 2020. Biden selber hatte nur mehr ca 80% seiner früheren Wähler*innen.

Das alleine bringt Harris 2-4% mehr als Biden in den Head-to-Heads gegen Trump. Das haben wir gesehen: jetzt liegen sie Kopf an Kopf.
Die nächsten Tage bringen Umfragen, bei denen Wähler*innen nicht sofort nach der Nachricht gefragt worden sind „und jetzt“, sondern ein paar Tage verarbeiten und dann antworten konnten.

Die sind deutlich aussagekräftiger als das, was wir die letzten Tage gesehen haben.

Spannend
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Jul 25
Wer US-amerikanischen Accounts folgt, dem/der fliegen Umfragen um die Ohren. Man kommt da nicht aus. Es gibt auch wenig anderes, was uns das Gefühl gibt, messen zu können, was da passiert, wie die Aussichten sind und vieles mehr.

Ein paar Basics dazu zum Verständnis:
Eine Umfrage versucht, ein Stimmungsbild der Gesamtbevölkerung in einer kleinen, modellierten Gruppe herauszufinden. Die kleine Gruppe soll genau so aussehen, wie die große Gruppe, deren Meinung mich interessiert.

Wenn 53% der wählenden Amerikaner*innen Frauen sind, muss ich
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Jul 22
🇺🇸 Wer entscheidet diese Wahl?

Man hört immer, das Land sei als Ganzes 50/50 demokratisch und republikanisch. Das stimmt in Wahlergebnissen, aber das Zustandekommen ist ein bißchen komplexer.

Es ist eher 40% demokratisch, 30% republikanisch, 30% unabhängig, wobei viele
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Die Bandbreite an möglichen Ergebnissen ist trotzdem groß: bei entsprechender Themenlage & Personen können Demokrat*innen die Wahlen in republikanisch dominierten Staaten gewinnen: so passiert
zuletzt zB bei den Gouverneur*innen von Kentucky und Kansas (Trump +26 und Trump +15 im
Jahr 2020). Umgekehrt hat Virginia (Biden +10) einen republikanischen Gouverneur

Wer ist die Schwungmasse bei solchen Wahlen? Formal höher gebildete Wähler*innen sind eher Wechselwähler*innen
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