1/In der aktuellen Wochenendausgabe der @berlinerzeitung erschienen mehrere dramatisch anmutende Berichte über die eigene Zeitung. Ist der Anlass nur das fünfjährige Besitzertum durch das Ehepaar Friedrich? Ich weiß es nicht. Die Berlinskaja Prawda, wie ich die Tageszeitung seit
2/längerem gern wegen ihrer immer wieder offenkundigen Nähe zum Putin-Regime bezeichne, ist in die Schlagzeilen geraten, weil der Verfassungsschutz Bayerns sie als Transmissionsriemen (ha ha) von Kremlnarrativen einstufte.Ob nun bewusst oder gekauft bleibt dahingestellt. Besitzer
3/Friedrich macht keinen Hehl aus seiner ideologischen Nähe zu den Regimen in Russland oder China. Das hält unsere Offene Gesellschaft aus. Auch einzelne Mitarbeiter*innen versprühen eindeutig den alten Patina-Geist der SED-Nomenklatura. Andere hingegen könnten auch in einer
4/liberalen oder konservativen Zeitung arbeiten – das gehört zur Wahrheit dazu.
Nun hat der Herausgeber Michael Maier die Seite 3 genutzt, um das Selbstverständnis und die kurze Historie seit 2019 zu skizzieren. Keine Ahnung warum. Aber ein Abschnitt, der hier als Foto größer
5/wiedergegeben wird, hat mein Interesse auf sich gezogen. Denn dort ist von der „Birthler-Kowalczuk-Kommission“ die Rede, die die Stasi-Akte über Holger Friedrich auswertete und ein Gutachten darüberschrieb. Ist das die journalistische Sorgfaltspflicht, die zum Credo der
6/Berliner Zeitung gehört? Es gab keine Kommission!
Am 11.12.2019 wurde auf der Homepage der Robert-Havemann-Gesellschaft (), auf der Homepage der Berliner Zeitung und zwei Tage später auf sechs kompletten Seiten der Tageszeitung die Expertise über diehavemann-gesellschaft.de/beitraege/expe…
7/Stasi-Akten über Holger Friedrich von @MBirthler und mir veröffentlicht.
Wie war es dazu gekommen? Die damalige Leitung der Zeitung (alle weg) baten uns darum. Das war etwa am 17. November 2019. Unsere Bedingungen: Unsere Expertise wird komplett veröffentlicht auf der Homepage
8/und in der Zeitung, genauso wie wir sie abgeben, und wir publizieren zur Sicherheit den Text auf einer unabhängigen Homepage. Außerdem forderten (!) wir, keinerlei finanzielle oder sonstige Entlohnungen zu erhalten. Ich traf mich meiner Erinnerung zweimal mit Friedrich. Einmal
9/in seinen Büros in einem früheren Werksgelände, was eine Welt für sich war. Und dann bei der Übergabe von Aktenkopien an mich. Die Gespräche waren freundlich, distanziert,von einem großen Redeschwall Friedrichs gekennzeichnet.
Innerhalb kürzester Zeit schrieb ich die Expertise.
10/Diese Arbeit hat in mehreren Hinsichten 30 Jahre nach der Revolution Pioniercharakter. Allein, dass sie auf vielen Zeitungsseiten herauskam, ist und bleibt bemerkenswert. Das mediale Echo war enorm. Vor allem die Springer-Welt-Bild-Gruppe war unzufrieden mit unserer Arbeit,
11/weil wir ihre trompetenhafte Sensationsgier nicht befriedigten. Einzelne Autoren versuchten nun Birthler und insbesondere mir eine Nähe zu Friedrich, zur DDR, zur Stasi, zur SED anzuhängen –das war so lächerlich, dass sie es selbst wieder sein ließen.
Nach der Veröffentlichung
12/kam die Zeitung bald in ruhigere Fahrwasser, allerdings ging zuvor gefühlt die halbe oder drei Viertel Redaktion. Was Friedrich dort genau trieb, entzieht sich meinen Kenntnissen. Einzelne Journalist*innen erzählten mir Geschichten, die aber kein rundes Bild ergaben. Die
13/Gastbeiträge von Friedrich waren ebenso keine Ausrutscher wie die von Egon Krenz.
Ich schrieb selbst einige Male in der Zeitung – vor 2019 und nach 2019. Eine besondere Beziehung hatte ich nie zu ihr, war nie irgendwann regelmäßiger Leser, weder vor 1990 noch nach 1990 noch
14/nach 2019. Friedrich muss offenbar geschäumt haben vor Ärger, dass ein dahergelaufener Habenichts wie ich ihm den Ruf retten musste und dann nicht einmal Interesse an irgendeiner Nähe zu ihm hatte. Versuche von ihm, sich später mit mir mal zu treffen, liefen letztlich alle ins
15/Leere. Seit der Ausweitung des russländischen Vernichtungskrieges gegen die Ukraine positionierte sich die Zeitung immer stärker als Sprachrohr der Kremlfreunde in Deutschland.Das führte auch dazu, dass ich die Zeitung und einzelne Journalist*innen für ihre Beiträge öffentlich
16/angriff und schließlich die Zeitung als Berlinskaja Prawda betitelte. Es entstand logischerweise ein tiefer Graben, der unüberwindbar wurde, woran ich auch kein Interesse habe. Ich lehne das kremlnahe Blatt kategorisch ab. Das ist an sich egal, aber vor dem Hintergrund der nun
17/folgenden Aussage wichtig: Denn ich stehe als Wissenschaftler weiterhin zu dieser Expertise, halte sie weiterhin für richtig und zutreffend, würde sie im Wesentlichen genauso wieder schreiben und habe nichts zu korrigieren. Obwohl ich der von mir nicht geliebten Zeitung
18/entscheidend half, mit dieser Expertise zu überleben, würde ich es als Historiker immer wieder tun. Denn Wahrheit muss Wahrheit bleiben. So sehr ich die politischen Ansichten von Friedrich merkwürdig und
19/unschlüssig finde – die Entlastung aufgrund der vorliegenden Stasi-Unterlagen-Überlieferungen war und ist richtig.
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1/Dieser Text war ein Vorabdruck im Tagesspiegel aus dem von Franziska Richter und der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebenen Buch "Traum(a)land. Wer wir sind und sein könnten. Zusammenhalt in Ost und West." (2021):
Als ich den „Jahrhundertschritt“ von Wolfgang Mattheuer erst-
2/mals sah, im Herbst 1987 in Dresden, war ich wie vom Schlag getroffen. Wenn ich mich richtig erinnere, stand diese kopflose Figur ohne Farbanstrich in einem Raum der Kunstausstellung, nichts weiter, nur dieser ausgestreckte deutsche Gruß, die Rot-Front-Faust, der Soldatenfuß
3/und das Bein, das ich für mich sofort als Häftlingsbein identifizierte. Heimlich versuchte ich, die Fußstellung nachzuahmen – es ging nicht, ich fiel um. Kaum ein anderes Kunstwerk hat mich je so gefesselt. In Dresden stand ich 1987 davor und mein Schmerz kam sofort hoch: Meine
1/Mit dieser Aktion wurde Friedrich Schorlemmer 1983 berühmt: Ein Schwert wurde zu einem Pflug umgeschmiedet. Das geschah während eines Kirchentages auf dem Kirchhof vor Tausenden Zuschauern. In keinem Nachruf auf Schorlemmer fehlt die Aktion. In allen fehlt die ganze Wahrheit:
2/Es war nicht die Idee von Schorlemmer, sondern von Stefan Nau, der hier auch zu sehen ist. Der selbstständige 38jährige Kunstschmied geriet anschließend unter erheblichen Druck. Er bekam keine Aufträge mehr, seine kleine Firma musste schließen, er stellte verzweifelt für sich
3/und seine Familie einen Ausreiseantrag. Und was tat der Friedenskreis um Schorlemmer: Er distanzierte sich von Nau und behauptete sogar, der habe das alles nur inszeniert, um in den Westen zu kommen. Stefan Nau starb 2011 vergessen in Hessen. Seit vier Jahrzehnten aber wird
1/Aus dem Interview mit der Berliner Morgenpost am 7./8.9.2024: "Heute haben wir die blühenden Landschaften im Osten. Brandenburg ist – so wie der ganze Osten – eine der wohlhabendsten Regionen in Europa. Das muss man immer wieder betonen. Wenn man das ganze Gejammere hört, kann
2/man ja den Eindruck gewinnen, man lebt in einer Quasi-Diktatur, die im sozialen Abstieg begriffen ist. Alles totaler Kokolores. Also muss man nach anderen Ursachen für den Aufstieg der Extremisten suchen. ... Es gibt in Ostdeutschland eine Kontinuität von illiberalen
3/Einstellungen und von autoritären Staats- und Gesellschaftsvorstellungen. Das ist die Klammer, die BSW und AfD zusammenhält. Dafür werden die gewählt. Und solch eine paternalistische Politik verkörperte eben früher ein Typ wie Stolpe. ... Ich werde auch nie diese Euphorie von
1/"Der Ausgang der Wahlen ist also keine Überraschung. Warum aber die CDU-Funktionäre am Wahlsonntag feierten, als gäbe es kein Morgen, war nicht nur rätselhaft, sondern auch beschämend. An diesem Tag zogen erstmals Faschisten und Putinisten in zwei deutsche Landtage in
2/signifikanten Größenordnungen ein. AfD und BSW sind letztlich Geschwister im Geiste – ihre Differenzen in der Sozialpolitik sind unerheblich im Vergleich zu ihren Gemeinsamkeiten in staats-, gesellschafts- und außenpolitischen Fragen. Es verbietet sich, mit ihnen zu koalieren.
3/Sie stehen entgegengesetzt zu all den Werten, für die CDU, SPD und Grüne seit Jahrzehnten bekannt sind. Es war eben kein Zufall, dass Ministerpräsident Kretschmer auf dem jüngsten Historikertag in Leipzig „anregte“, die „Stalin-Note“ von 1952 neu zu überdenken, was ja nichts
1/Zur morgigen Wahl ein letzter Kommentar: AfD und BSW "eint der Hang zum Autoritarismus, beide wollen ein elitäres, illiberales Staatssystem, beide wollen Deutschland aus dem westlichen Verteidigungsbündnis herauslösen, beide wollen die Europäische Union zerstören. Das sind
2/zentrale gemeinsame Merkmale, obwohl ich natürlich auch Unterschiede zwischen beiden Parteien sehe. ... Große Unterschiede sehe ich in der Sozialpolitik. Da sehe ich beim BSW eine gewisse Kompetenz. Aber das BSW ist für mich keine demokratische Partei, weil sie keine demo-
3/kratische Verfassung hat. Sie ist eine reine Führerpartei, vollkommen zugeschnitten auf eine Person, die alles entscheidet. In Thüringen und Sachsen wird das BSW bei der Wahl einen großen Erfolg einfahren. In Thüringen hat das BSW 70 Mitglieder, in Sachsen 85. ... Das Ver-
1/Mit einer großen Parade in Berlin, die Präsident Jelzin abnimmt, endet am 31.8.2024 der Abzug der russischen Armee aus Deutschland. Das noch 1989 für unmöglich erachtete ist eingetroffen: Der Kreml räumt seinen wichtigsten geopolitischen Vorposten im Westen - im Januar 1991
2/begann die größte Truppenverlegung zu Friedenszeiten in der Geschichte des Militärwesens (hinzu kam der Abzug der Truppen aus anderen Ostblockstaaten, etwa insgesamt nochmals halb so viele Personen wie aus Deutschland). Als die Westgruppe Deutschland verließ hatte sie offiziel
3/l etwa 1500 Liegenschaften mit einer Fläche von 290.000 Hektar, 2,7 Prozent des DDR-Gebiets, besetzt gehalten. Genutzt hat sie dagegen etwa das Doppelte bis Dreifache. Laut ihren Angaben verfügte sie über 337.800 Soldaten, 208.400 Zivilangestellte und Familienangehörige, 4116