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Oct 22 18 tweets 3 min read Read on X
🇺🇸 State of the Race

Eine gezielte Kampagne republikanischer Umfrageinstitute hat es geschafft: Es ist der Eindruck entstanden, Trump sei jetzt doch wieder der Favorit in 14 Tagen ums Weiße Haus. Die öffentlichen, unabhängigen Umfragen geben das nicht her.
Da führt Kamala Harris nach wie vor, mit 2-4%. Das kann unter besonders unglücklichen Umständen wegen des Wahlsystems zu wenig sein. Aber in den meisten Fällen gewinnt sie mit 2-4% Vorsprung auch das entscheidende Wahlleutekollegium.
Aber die Republicans wollen den Eindruck erzeugen, Trump sei vorne. Denn das macht die ebenfalls schon beginnenden Behauptungen von Wahlbetrug glaubwürdiger, sollte am Ende, wovon ich ausgehe, Kamala Harris gewinnen.
Umfragen sind ohnehin nicht mehr das Instrument der Wahl, wenn man heute Annäherungen an das Wahlergebnis wagt. Hilfreicher sind da zwei andere Dinge: die demographischen Daten und Parteizugehörigkeiten jener, die bereits gewählt haben. Und das Verhalten der Kampagnen.
Ich fang mit den Daten an: In manchen Bundesstaaten sind aufgrund eines guten Brief- und Frühwahlsystems bereits 1/5 bis 1/4 der Stimmen abgegeben und bei den Wahlbehörden angekommen. Kein einziger Stimmzettel wird vor der Wahl geöffnet.
Aber je nachdem, welche Daten über seine Wähler*innen ein Bundesstaat sammelt, wissen wir etwas über die Anzahl der parteiregistrierten Wähler*innen, das Alter oder auch die ethnische Zugehörigkeit jener, die bereits gewählt haben.
Und wenn man das mit den gleichen Daten von vor vier und acht Jahren vergleicht, lassen sich Trends herauslesen.
Zwei Beispiele: In Nevada, dem Wüstenstaat um Las Vegas, sind Republicans stärker als gewohnt bei den Brief- und Frühwähler*innen. Also genauer: es haben bisher mehr republikanisch registrierte Wähler*innen gewählt als demokratisch Registrierte.
Das ist ungewöhnlich & kann ein Hinweis darauf sein, dass sie jedenfalls dort, vielleicht auch anderswo stark sind. Aber: Es gibt in Nevada mehr unabhängige Wähler*innen denn je - und die sind erfahrungsgemäß jünger, weiblicher und mehr Latinx als die Durchschnittsbevölkerung.
Die wählen also normalerweise mehrheitlich demokratisch. Und wenn von denen viel mehr als zuletzt hingehen, können sie eine höhere republikanische Führung bei den parteitegistrierten Wähler*innen ausgleichen.
Oder Georgia: dort hat Biden 2020 um nur 11.000 Stimmen gewonnen. 14 Tage vor der Wahl waren damals 27% der abgegebenen Stimmen von Schwarzen und 55% von Frauen. Dieses Jahr sind 14 Tage vor der Wahl 27% von Schwarzen und 55% von Frauen.
Ein starker Indikator dafür, dass auch das Wahlergebnis als Ganzes wieder ähnlich sein wird.
Zweiter Indikator: das Verhalten der Kampagnen. Wo wer wann hingeht, das ist genau geplant und sagt oft mehr über die reale Situation der Datenlage als alle Umfragen. Denn die besten Daten haben üblicherweise die Kampagnen selbst.
Und da fällt, verhaltensmäßig, vor allem eines auf: Beide Kampagnen haben einen stärksten der 7 Swing States, einen in dem sie am ehesten gewinnen. Bei Trump ist das North Carolina, der einzige der 7, den er 2020 gewonnen hat.
Bei Harris ist das Michigan, der linkeste der drei Staaten der früheren Blue Wall im Nordosten. Zwei Wochen vor der Wahl bist du nur mehr dan unterwegs, wo es nach deiner Einschätzung knapp sind. Trump ist seit Tagen in NC. In seinem stärksten Staat ist es also sauknapp.
Harris war gestern in Michigan. In ihrem stärksten Staat ist es also sauknapp. Heißt: insgesamt ist es sauknapp.
Ich sehe Harris nach wie vor als Favoritin, weil sie dieses Mal meiner Einschätzung nach bei den unabhängigen Wähler*innen stärker sein wird als Biden. Aber wer sagt, das Rennen ist vorbei, hat etwas ganz Grundlegendes nicht verstanden. Oder will die Leute pflanzen. 🇺🇸

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Oct 11
🇺🇸 Also Firewall

In den USA gibt es in vielen Bundesstaaten gut ausgebaute Möglichkeiten, früher zu wählen: Per Brief oder persönlich. In manchen Staaten muss man die Wahlkarten beantragen, in anderen bekommen alle registrierten Wähler*innen automatisch eine Wahlkarte geschickt.
Üblicherweise wählen mehr Demokrat*innen mit einer dieser Frühwahlvarianten und mehr Republikaner*innen am Wahltag. Das hat damit zu tun, dass der Wahltag in den USA ein Dienstag ist und da viele Leute arbeiten müssen. Und dann ist da der behördliche Rassismus.
Schwarze müssen am Wahltag durchschnittlich doppelt so lange aufs Wählen warten - oft stundenlang - als weiße Wähler*innen. Viele Bundesstaaten wollen gar nicht, dass Schwarze gut wählen können. Dem weichen viele aus diesen demokratischen Gruppen aus, indem sie per Brief wählen.
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Sep 28
The case for Andi Babler.

Vorweg - ich bin nicht unbefangen. Ich bin nach 20 Jahren wieder SPÖ-Mitglied geworden, weil @nikowall_ zur Wahl stand & zugunsten von @AndiBabler zurückgezogen hat.

Ich wollte die historische Chance nutzen, dass die SPÖ ihre*n Chef*in wählen lässt. Image
Und Babler hat gewonnen - undenkbar ohne tausende neue Mitglieder, die seinetwegen eingetreten sind und weil sie eine andere SPÖ wollen.

Die Sozialdemokratie hat dann eine Chance & einen Sinn, wenn sie eine Alternative ist. Dafür steht Babler: Für eine unterscheidbare SPÖ.
Aber es gibt eine 2. Besonderheit, die ich wichtig finde.

Es gibt den Satz, dass eines unserer größten Probleme ist, dass die Dummen so selbstbewusst und die Schlauen so selbstkritisch sind.

Babler ist einer dieser Schlauen. Ihr merkt das genau: Andi Babler ist ein Streber.
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Sep 19
Die Regeln ändern, während schon gewählt wird?

Trump versucht es, erneut. Und wieder, wie in Georgia, ist Lindsey Graham sein Gesandter. Dieses mal in Nebraska.

Die Mission:

O(ba)maha, die Möglichste 270. und wahlentscheidende Stimme im Wahlleutekollegium, soll fallen.
Und das geht so: Gewinnen Kamala Harris alle klassisch demokratischen Staaten und dazu die drei Swing States im Rust Belt, Pennsylvania, Wisconsin und Michigan, kommen sie auf 269 Sitze im Wahlleutekollegium.

Das Wahlleutekollegium entscheidet über den Einzug ins Weiße Haus.
Bei 269-269 zieht Donald Trump ins Weiße Haus ein, weil er die Mehrheit der Kongressdelegationen aus den Bundesstaaten auf seiner Seite haben wird.

Bei 270-268 zieht Kamala Harris ins Weiße Haus ein. Der 270. Sitz in diesem nicht unwahrscheinlichen Szenario ist Omaha.
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Sep 11
🇺🇸 Wie kann man den Wahnsinnigen nur wählen, fragen viele - noch einmal mehr nach der TV-Debatte?

Ich finde, das zu verstehen, ist die Voraussetzung, etwas dagegen unternehmen zu können. Das gilt übrigens für 🇩🇪 und 🇦🇹 ähnlich. In Ö hatte ein Rechtsextremer vor nicht allzu
langer Zeit 50% der Stimmen.

Zuerst zu den USA: Das ist ein politisch so polarisiertes Land, dass fast immer entlang der ideologischen Grenzen gewählt wird. Und zwar fast kandidat*innenunabhängig.
Ob dann der/die Kandidat*in die letzten 5% über die 45 fixen für beide Parteien auch noch macht, entscheidet. Das gilt auf der Bundesebene. Beide Parteien hatte. Bei allen Präsidentschaftswahlen seit 2000 immer mindestens 46%.

Obama wie Hillary über 46, McCain wie Trump über 46.
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Aug 31
Ok, here we go, die rechten Polit-Incels also

60 Jahre lang haben die Republicans das bahnbrechende Höchstgerichtsurteil Roe v Wade bekämpft, das es Bundesstaaten verboten hat, Schwangerschaftsabbrüche zu verbieten.

Der Erfolg kam schließlich mit dem Tod von Ruth Bader Ginsberg
Als die liberale Höchstrichterin kurz stirbt, bevor Biden zum Präsidenten gewählt wird, winkt die republikanische Mehrheit im Senat im Eiltempo eine sechste radikal-konservative Höchstrichterin von insgesamt neun durch. Jetzt gibt es sie: Die Mehrheit für ein Ende von Roe v Wade.
(Hier könnte ein langer Exkurs stehen über die Tricks und Double Standards der Republicans, überhaupt zu diesen sechs von neun Sitzen zu kommen. Ich erspar sie euch. Es ist wüst.)
Read 24 tweets
Aug 30
Schreib doch mehr zu Inhalten der US-Politik. Bitte gerne:

Donald Trump hat gestern mit einer doppelten Ankündigung den jahrzehntelangen Kurs der Republikaner*innen zu Schwangerschaftsabbruch und zu künstlicher Befruchtung gekickt.

Er hat auch guten Grund dafür.
Bei beiden Themen ist der große Teil der Bevölkerung auf Seiten der Dems. Jüngst haben in Nevada & Arizona, zwei Swing States, je drei Viertel der Wähler*innen gesagt, sie werden in der zeitgleichen Abstimmung am Tag der US-Wahl für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch stimmen.
Bei künstlicher Befruchtung sind 60% der Amerikaner*innen generell dafür - in Unterkategorien der Art und des Zeitpunkts hineingefragt wird es etwas komplizierter. Aber auch da: Gegen 60% der Bürger*innen solltest du nicht antreten, wenn du 50% der Stimmen willst.
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