Mit heute stellt die FPÖ 57 Abgeordnete im Nationalrat. Das ist historisch. Noch nie verfügte der freiheitliche Klub über so viele Mandate im Nationalrat. Außerdem stellt die FPÖ-Fraktion von allen im Parlament vertretenen Parteien auch die meisten Abgeordneten.
Für den #ORFReport haben wir dargestellt, welche Möglichkeiten die FPÖ künftig haben wird - auch ein bisschen mit Blick auf eine mögliche Oppositionsrolle der mandatsstärksten Partei.
Schauen wir von der Spitze hinunter: Gemäß der Usance stellt die stärkste aus der Nationalratswahl hervorgegangene Partei den Parlamentspräsidenten. In der Zweiten Republik kam der Präsident bzw. die Präsidentin bisher aus den Reihen von SPÖ und ÖVP.
Erstmals könnte jemand aus dem sogenannten Dritten Lager die Präsidentenrolle übernehmen.
Der Präsident (das gilt auch für seine Vertretungen) kann nicht abgewählt werden (orf.at/stories/329057…).
Der drei Mitglieder des Präsidiums versuchen, ihre Rolle unparteiisch/überparteilich anzulegen. Wie wir alle gut wissen, kann man den eigenen Background ja schwer ablegen. So zeigen etwa die nackten Zahlen bei Ordnungsrufen () folgendes Bild: juergenklatzer.at/2024/07/17/ord…
Der Parlamentspräsident ist auch "Hausherr" (parlament.gv.at/verstehen/nati…). Er entscheidet - meist im Einvernehmen mit KollegInnen und Klubs -, was in der Hausordnung steht. Manchmal auch nicht: Wir erinnern uns an die CoV-Phase (parlament.gv.at/aktuelles/pk/j…)
Abgesehen davon, dass der Parlamentspräsident gleichzeitig als Spitze der Parlamentsverwaltung fungiert, sitzt er qua Gesetz einem U-Ausschuss vor.
Für die Einsetzung eines U-Ausschusses benötigt man die Unterschrift von 46 Abgeordneten. In der Regel werden U-Ausschüsse von
der Opposition eingesetzt. Erstens üben die parlamentarische Kontrollfunktion eher Parteien aus, die nicht in der Regierung sitzen (sorry to say) und zweitens existiert seit 2014 der U-Ausschuss eben als Minderheitsrecht.
In der vergangenen Legislaturperiode setzte aber auch
die ÖVP als Koalitionspartei einen U-Ausschuss ein.
Die FPÖ spekuliert schon seit Jahren darüber, einen Corona-U-Ausschuss einzusetzen. Anträge gab es schon (parlament.gv.at/gegenstand/XXV…). Kurz vor der Wahl wurde ein solcher nochmals angekündigt (krone.at/3522223).
Die FPÖ kann mit 57 Abgeordneten leicht einen U-Ausschuss einsetzen. Dem U-Ausschuss würde qua Gesetz der Nationalratspräsident vorsitzen - der könnte wiederum von den Freiheitlichen gestellt werden. In einem U-Ausschuss hat der Vorsitz gleich viel Macht wie im Plenarsaal.
Eine Partei, die über genügend Mandate verfügt, um einen U-Ausschuss einzusetzen (wie gesagt: meist Opposition, weil man als Koalitionspartner nicht den Koalitionspartner vergrämen will), könnte über die ganze Legislaturperiode nacheinander kurze U-Ausschüsse einsetzen. Wichtig
ist nur: Beim U-Gegenstand muss es sich um einen abgeschlossenen Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes handeln und es braucht für die Einsetzung 46 Abgeordnete (wenn ein U-Ausschuss abgeschlossen ist, dürfen dieselben 46 wieder ihre Unterschrift zur Verfügung stellen).
Kommen wir kurz zurück in den Plenarsaal. Hier wird die neue blaue Stärke besonders sichtbar anhand des Sitzplans. Wäre die FPÖ - wie bisher - weiter in der Mitte, hätte sie vermutlich eine noch stärkere mediale Präsens (1. Bild: Neuer Sitzplan; 2. Bild: Alter Sitzplan)
Besonders beliebt ist natürlich die erste Reihe. Wie der Sitzplan wird auch die Zahl der Sitze in der ersten Reihe in der Präsidiale (Beratungsorgan des Nationalrats) festgelegt.
In der ersten Reihe hört man vielleicht nicht nur besser. Man ist auch (medial) präsenter.
Man kommt auch schneller zum Rednerpult. Dort wird die FPÖ künftig auch ein wenig länger stehen. Denn künftig erhalten die Freiheitlichen pro Wiener Stunde (62,5 Minuten) 17 Minuten Redezeit. So lang wie keine andere Partei.
Und noch was für Feinspitze: Auch in den Fachausschüssen wird es eine neue blaue Stärke geben. Die FPÖ wird mit sieben Abgeordneten in großen und vier Abgeordneten in kleinen Ausschüssen vertreten sein. Zudem gilt die Usance, dass größere Klubs mehr Ausschussvorsitzende stellen
als kleinere Klubs. Hier gibt's eine interessante Analyse dazu: "Wie die Abbildung deutlich macht, besteht ein starker linearer Zusammenhang zwischen Mandaten und Ausschussvorsitzenden. Größere Klubs stellen mehr, kleinere Klubs hingegen weniger Ausschussobleute."
In Fachausschüssen werden Gesetzesentwürfe vorberaten. Die Ausschussobleute legen dafür die Termine fest, wann so ein Fachausschuss tagt. Bekannt sind die Ausschüsse auch wegen der vielen Vertagungen. orf.at/stories/322630…
Das war es. Ich hoffe, er wisst nun ein bisschen mehr.
/end
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Vor einigen Monaten habe ich – nachdem mich jemand auf den Film aufmerksam gemacht hat – „Arrival“ (2016) von Denis Villeneuve geschaut. Der Film ist sehenswert.
Und: ich tauchte tiefer ein!
Ganz besonders fasziniert bin ich von ... der Arbeit vor „Arrival“!
Ich habe mich intensiv mit „Arrival“ beschäftigt. Mit Kritiken über Filme fange ich ja kaum was an. Lieber studiere ich Analysen. Empfehlenswert ist etwa die Reihe „Film-Konzepte“, in der renommierte Wissenschafter:innen die Werke bekannte Filmemacher:innen analysieren.
Zurück zu „Arrival“ und zum Plot: Aliens landen auf der Erde. Insgesamt sind es zwölf außerirdische Raumschiffe an verschiedenen Orten. Freilich verstehen Aliens und Menschen einander nicht. Also muss eine Linguistin her. Louise Banks, gespielt von Amy Adams, soll versuchen,
Sommerpause… Aber für wichtige innenpolitische Analysen hat man immer Zeit.
Ich habe den verrohten Nationalrat (Auge @OeParl) noch genauer studiert und eine Ordnungsrufstromanalyse erstellt.
Folgt mir auf eine Reise in die Untiefen des Hohen Hauses.
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Für den #ORFReport haben wir (Kollegin Ressi und ich) uns die Ordnungsrufe der vergangenen Jahre angesehen. Ja, das „Rohe Haus“ ist real.
Die Reportage mit Stammtisch und viel Expertise könnt ihr hier nachsehen:
Für haben wir uns die Ordnungsrufe in der aktuellen Legislaturperiode angesehen. Klar erkennbar ist, dass Abgeordnete der FPÖ der stärkste Treiber für die Zahl der Ordnungsrufe ist.
Darf BM Gewessler (Grüne) im Alleingang dem Renaturierungsgesetz EU-Umweltministerrat zustimmen? Ist die Stellungnahme der Bundesländer einheitlich und (noch) bindend, nachdem zwei ihre Meinung geändert haben?
ÖVP gegen Grüne heißt auch: Gutachten gegen Gutachten.
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Ob morgen in Luxemburg über das EU-Renaturierungsgesetz überhaupt abgestimmt wird, ist fraglich. Dennoch setzt Umweltministerin Gewessler mit ihrem klaren "Ja" ein Zeichen. Denn während die ÖVP sagt, sie sei an die ablehnende Stellungnahme der Länder gebunden und sie müsse im
mit Landwirtschaftsminister Totschnig (ÖVP) handeln, sind die Grünen anderer Meinung: Es gebe keine bindende Stellungnahme der Länder und mit Totschnig müsse es kein Einvernehmen geben. Noch gegensätzlicher könnten die Meinungen der Koalitionspartner nicht sein. ÖVP und Grüne
„Leitkultur“ und ein Gesetz aus dem Innenministerium unter den damaligen Ressortchef Karl Nehammer.
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Im Sommer 2021 hat der Nationalrat das Antiterrorpaket beschlossen. Das Paket sah unter anderem Änderungen im Strafrecht, in der Strafprozessordnung, im Symbole-Gesetz und im Staatsbürgerschaftsgesetz vor (). So wurde etwa das Darstellen, Tragen, Verbreitenparlament.gv.at/dokument/XXVII…
Mehrere Medien berichteten auf Basis einer Auswertung von Agenda Austria (), wonach die Kosten für die Bildungskarenz deutlich gestiegen seien, und Bezieher:innen der Bildungskarenz nicht das tun, wofür die Bildungskarenz eigentlich gedacht war. agenda-austria.at/wp-content/upl…
Eines vorweg: Ich habe eine fünfmonatige Bildungskarenz hinter mir, in der ich meinen zweiten Master abgeschlossen habe. Ich war sehr produktiv und habe sehr viel gelernt (hier eine Zusammenfassung meiner Arbeit: ). Ich bin also Bildungskarenz-geprägt.juergenklatzer.at/2022/05/02/jou…
Politik ist eine ernste Sache, aber: Lachen im Parlament hat eine lange Vergangenheit. Schon während einer Sitzung des Abgeordnetenhauses im Jahr 1861 wurde ein „Lachen links“ festgehalten. Heute notiert die Abteilung Stenographische Protokolle das Lachen der Abgeordneten mit